Inschriften: St. Michaeliskloster und Kloster Lüne bis 1550
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 24: Lüneburg: St. Michaeliskloster, Kloster Lüne (1984)
Nr. 63† Kloster Lüne 1506
Beschreibung
Grabplatte des Propstes Nikolaus Schomaker. Messing. Gebhardis Beschreibung von 1763 vermittelt eine hinreichende Vorstellung vom Aussehen der Platte1). Sie war im nördlichen Teil des Chorpolygons der Kirche aufrecht in die Wand eingelassen2) und zeigte den Propst in Lebensgröße mit einem Pelzmantel als Obergewand. In den Händen hielt er einen Kelch, um seinen Kopf herum befand sich, vermutlich auf einem Schriftband, die Inschrift (A). Zu Füßen der Figur war ein Wappenschild abgebildet, die Platte trug am Rand die Umschrift (B). Genauere Angaben über Abmessungen und künstlerische Gestaltung fehlen. Gebhardi teilt nur (A) mit und verweist für das Übrige auf Büttner3), dessen Lesung auch für die folgende Wiedergabe übernommen wird.
- A
Fiat misericordia tua Domine super ...a)4)
- B
Anno. D[omi]ni. 1.5.0.6.b) in die Purificationis.beate. Marie. virg[inis]. obiit. venerabilis.D[omi]n[u]s. et magister. Nicolaus Schomaker.in. decretis. licentiatus. Hildesemens[is] acVerdens[is]. ecclesiar[um]. canonicus. necnon. hic.in. Lune. dominarum. prepositus. spectabilis. D[omi]ni.Hartwici. Schomackers. proconsulis. Luneburgensis.filius. Cujus. anima. requiescat. in. perpetua. pace.c)
Übersetzung:
(A) Es komme deine Barmherzigkeit, Herr, über [uns].
(B) Im Jahre 1506, am Tage der Reinigung der heiligen Jungfrau Maria, starb der verehrungswürdige Herr und Magister Nikolaus Schomaker, Lizentiat der Rechte, Kanoniker der Hildesheimer und Verdener Kirche sowie hier in Lüne Propst der Damen, des ehrenwerten Herrn Hartwig Schomakers, des Lüneburger Bürgermeisters, Sohn. Seine Seele möge ruhen in immerwährendem Frieden.
Datum: 1506, Februar 2.
Schomaker (wie Nr. 62) |
Textkritischer Apparat
- Vermutlich brach der Text an dieser Stelle aus Platzmangel ab.
- Ob die Jahreszahl in arabischen Ziffern gegeben war, bleibt fraglich.
- Die Ergänzungen erfolgten aufgrund vermuteter Kürzungszeichen im Original. Einige Kürzungen scheint Büttner bereits stillschweigend aufgelöst zu haben, wie etwa bei den Worten venerabilis, canonicus oder prepositus.
Anmerkungen
- Gebhardi, Coll. II, 1763, S. 403.
- Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist dieser Platz nicht der ursprüngliche. Es ist zu vermuten, daß man die Platte zum Schutz vor Beschädigung oder Abtretung erhoben und an dieser Stelle angebracht hat. Damit verlor sie ihre genuine Funktion als Abdeckung des Grabes, das sich innerhalb der Kirche befunden haben muß.
- Büttner, s. p., zur Genealogie Schumacher I.
- Ps. 32,22.
- Büttner, Genealogie Schumacher I und II.
- Weißenborn (Bearb.), Acten, S. 283, Zeile 27.
- Weißenborn (wie Anm. 6), S. 255, Zeile 29.
- Doebner (Hg.), Urkundenbuch, Bd. 7, S. 559, Nr. 861 (1476, Juli 11): Schomaker urkundet in Gemeinschaft mit anderen Domherren in einer Bürgschaftsangelegenheit.
- Doebner (wie Anm. 8), Bd. 8, S. 14 f., Nr. 25 (1481, Dezember 29); S. 53, Anm. 1 zu Nr. 39 (1482, Mai 21). – Bertram, Geschichte, S. 463, führt Schomaker in den Personallisten von 1476 bis 1506 als Domherrn und weist ihm den in dieser Form nicht gesicherten Titel „Dr. jur. can.“ zu.
- Oeynhausen, Die Herren von Landsberg, hier S. 152 und 156 f. – Barthold übernahm sein Amt in Hildesheim im Februar 1481; dazu Bertram (wie Anm. 9), S. 431.
- Pfeffinger, Historie, Bd. 2, S. 657.
- Pfeffinger (wie Anm. 11), S. 638 f., druckt – ohne Datum – die Wahlkapitulation Schomakers ab; S. 639–641 ein Breve Papst Alexanders IV., durch das die Propstwahl bestätigt wird. Datiert ist dieses Quellenstück auf 1493, Juni 17, den Todestag Propst Graurocks. Über ihn vgl. Nr. 46.
- Meyer (Hg.), Chronik, S. 131, zum Jahr 1506: Item in die purificationis Marie virginis obiit venerabilis dominus Nicolaus Schomaker, prepositus in Lune. – Davon abweichend nennen die Klosterannalen den 1. Februar, wenngleich die Angabe der Todesstunde auf den 2. Februar hindeuten könnte: Eodem anno in vigilia Purificationis virginis Mariae de nocte hora prima obiit dominus Nicolaus Schomaker, qui fuit noster praepositus in XIII. annum. Meyer, Reformationsgeschichte, S. 168.
- Meyer (wie Anm. 13), S. 168: 1497. In ipso anno dominus praepositus et pius pater noster Magister Nicolaus Schomaker fecit prolongare chorum nostrum ... Eodem anno fecit idem praepositus turrim aedificare et fornacem parare.
- Gebhardi, Coll. II, 1763, S. 400.
- Wie Anm. 15. – Es muß sich um das zweite Fenster von Westen in der nördlichen Außenwand der Kirche handeln. Gebhardis Beschreibung lautet: „... in dem nördlichen Fenster, welches am mehrsten östlich ist, stehet Maria, neben welcher bethend knien zur Rechten der Maria eine Benedictinerin in schwarzem Habit und Schleier mit weiten Ermeln, die nach den Händen zu biß an den Elnbogen weiß sind, und zur linken ein Probst in bloßem Kopfe und schwarzem langen Kleide, mit einem kurzen dunkelbläulichten Mäntelchen voller Falten ohne Ermeln. Unter diesen steht das Bodendikische, Schomakerische und Estorfsche Wapen. Das letzte zeigt die Domina an, die dieses Fenster 1648 renoviren lassen.“ – Zumindest alle Fenster des Nonnenchores scheinen aufgrund der Nachrichten Gebhardis zur Zeit Schomakers und der Priorissa von Bodenteich mit neuen Glasmalereien versehen worden zu sein.
- Büttner, Genealogie Schumacher I, Art. Nicolaus Sch. – Daß Schomaker auch als Propst seine Beziehungen zu Hildesheim nicht abbrach, ergibt sich schon daraus, daß im dortigen Michaeliskloster seine Memorie gefeiert wurde. Im Nekrolog der Abtei heißt es unter dem 1. Februar: Dom. Nicolaus Schomaker Doctor Decretorum, Praepositus in Lüne & Canonicus Ecclesiae Hildenshemensis, qui dedit monasterio nostro X. florenos Renenses: Excerpta ex monasterii S. Michaelis Hildensemensis necrologio, in: Leibniz, Scriptores, Bd. 2, S. 103–110, S. 103 f.
- Vgl. Nitz, Messinggrabplatten. – Zur Periodisierung der Grabplatten bis in das 16. Jahrhundert: S. 20 f.; zur Lichtmetaphysik: S. 41–77.
- Sonne, Denkmal, mit Abbildung Taf. 1; Abbildung auch bei Bertram (wie Anm. 9), neben S. 432, dazu kurze Beschreibung S. 452. – Als Vorbilder können auch die Metallgrabplatten des Dompropstes Eckhard von Hanensee (1405), des Kanonikers Eckhard von Hanensee (1460) und vor allem des Kanonikers von Hanensee von 1494 gedient haben, die sich im Hildesheimer Domkreuzgang befinden, und die Schomaker mit Sicherheit gekannt hat. Vgl. dazu: Kramer, Grabplatten, S. 34 und 70 f. – Eichler, Grabplatten, S. 35, verweist unter Bezug auf das 13. Jahrhundert darauf, daß in den Städten Verden und Hildesheim eine besondere Tradition in der Metallgießerei bestand. Alle diese Gegebenheiten deuten darauf hin, daß die Grabplatte für Nicolaus Schomaker in Hildesheim oder Verden angefertigt wurde.
Nachweise
- Büttner, s. p., zur Genealogie Schumacher I.
- Pfeffinger, Historie, Bd. 2, S. 657.
- Gebhardi, Coll. II, 1763, S. 403 (nur A).
Zitierhinweis:
DI 24, Lüneburg: St. Michaeliskloster, Kloster Lüne, Nr. 63† (Eckhard Michael), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di024g002k0006303.
Kommentar
Nikolaus Schomaker war ein Sohn des 1476 verstorbenen Hartwig Schomaker, Bürgermeister seit 1457, und der Catharina Papen; sein älterer Bruder Jakob war der Großvater des Chronisten Jakob Schomaker5). Nikolaus bezog zum Wintersemester 1460/61 die Universität Erfurt6), wo er vermutlich auch die akademischen Grade erwarb, die der Text der Inschrift erwähnt. Während seines Studiums könnte er seine mutmaßlichen Beziehungen zur Familie Lorbeer aus Eschwege, der möglicherweise sein Nachfolger in der Lüner Präpositur entstammte (vgl. Nr. 64), aufgenommen haben: ein Johannes Lorbeer war 1456 im Sommersemester in Erfurt eingeschrieben worden7). Für 1476 ist Schomaker als Domherr in Hildesheim bezeugt8), ebenso für 1481 und 14829). In diese Zeit fällt der Amtsantritt des Bischofs Barthold von Landsberg, der seit 1470 bereits das Verdener Episkopat innehatte10). Es ist nicht unwahrscheinlich, daß Schomaker das Kanonikat in Verden auf Betreiben Landsbergs erhielt; nach den Angaben Pfeffingers soll er hier auch die Würde eines Dekans bekleidet haben11). 1493 wurde er, möglicherweise wiederum durch Vermittlung des Bischofs, Nachfolger des Nikolaus Graurock als Propst des Klosters Lüne12). Sein in der Inschrift verzeichnetes Todesdatum ist gleichlautend in der Schomaker’schen Chronik überliefert13).
Schomakers Amtszeit als Propst fällt weitgehend mit der Amtszeit der Priorissa Sophia von Bodenteich zusammen, die das Kloster nach den Grundsätzen der Bursfelder Reformbewegung führte (vgl. Nr. 45). Mit ihrer beider Namen ist die Blütezeit Lünes um die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert verknüpft, die durch umfangreiche Bautätigkeit und starke Bemühungen um die Ausgestaltung von Kirche und Kloster gekennzeichnet ist und auf diese Weise die geistige Erneuerung widerspiegelt. Die Erweiterung des Nonnenchores, die Errichtung des Dachreiters über dem Ostteil der Kirche und die Aufstellung eines Ofens werden in der Klosterannalistik mit der Initiative Schomakers in Verbindung gebracht14). Die Kombination des Schomaker’schen und Bodenteich’schen Wappens auf den Teppichen, an der Decke des Refektoriums (s. Nr. 52) oder am heute nicht mehr erhaltenen 62sitzigen Gestühl des Nonnenchores15) sollte die Verdienste von Propst und Priorissa im Gedächtnis der Nachwelt festhalten. In der Art eines Stifterbildes ließen sie sich in einer Glasmalerei für ein Fenster in der Nordwand über dem Nonnenchor abbilden16). Schomaker, der nicht zuletzt aufgrund seiner Domherrenpfründen über beträchtliche finanzielle Mittel verfügt haben muß, tritt aber auch allein als Förderer des Klosters hervor. Er stiftete das heute noch erhaltene Taufbecken (Nr. 62) sowie weitere, jetzt verlorene und nur durch Gebhardis Beschreibungen bekannte Ausstattungsstücke, darunter eine Orgel (vgl. Nr. 47). In seinem Testament von 1505 vermachte er dem Kloster einen Geldbetrag in Höhe von 2 000 rheinischen Gulden17). Sein persönliches Vermögen muß es auch gestattet haben, eine Grabplatte aus kostspieligem Messing anfertigen zu lassen. An welche Vorbilder hier angeknüpft wurde, muß offenbleiben18). Im hier vorliegenden Fall dürfte es von Bedeutung gewesen sein, daß auch die Sepultur des 1502 verstorbenen Bischofs Barthold von Landsberg im Dom zu Verden mit einer Grabplatte aus Messing verschlossen war19).