Inschriften: St. Michaeliskloster und Kloster Lüne bis 1550

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 24: Lüneburg: St. Michaeliskloster, Kloster Lüne (1984)

Nr. 58 Kloster Lüne 1503

Beschreibung

Teppich mit Darstellung der Wurzel Jesse. Das Erscheinungsbild wird dominiert durch die Figur des Jesse1), der – in ganzer Figur auf einem Ruhebett liegend – im unteren Drittel des Teppichs dargestellt ist. Mit beiden Händen umfaßt er einen aus seinem Leib herauswachsenden Stamm, der unten mit der Inschrift (A) bezeichnet ist. Dieser Stamm verzweigt sich zu Ranken, die außen mit Weinblättern und Trauben besetzt sind und sich in symmetrischer Anordnung zu annähernd kreisrunden Medaillons ausformen. Auf diese Weise wurden nebeneinander stehende, zu drei Reihen übereinander angeordnete Darstellungsfelder geschaffen. In der unteren Reihe sind es vier, in den beiden oberen Reihen durch eine entsprechende Gestaltung auch des Mittelstammes je fünf Felder. Das Mittelfeld der oberen Reihe zeigt als Endfigur des Stammbaumes Maria mit dem Kind in der Mandorla auf der Mondsichel. Links über ihr erscheint im Laubwerk die Taube des heiligen Geistes. Die übrigen Medaillons sind durch Darstellungen von Königen mit Krone und Szepter ausgefüllt; lediglich die Figur Davids trägt als Attribut eine Harfe. Jeder Figur ist ein Schriftband mit eingerollten Enden zur Bezeichnung des Namens beigegeben. In der unteren Reihe enthalten die Schriftbänder, von links nach rechts, die Inschriften (B) bis (E), in der mittleren (F) bis (K), in der oberen (L) bis (O). Die gesamte Darstellungsfläche ist von einem rechteckigen, beiderseits rot konturierten, ca. 6,0 cm breiten Schriftstreifen umrahmt. Er trägt, beginnend oben links, die Umschrift (P). Alle Buchstaben stehen auf weißem Schriftgrund, bei (P) sind sie in regelmäßigem Wechsel rot und blau, bei (A) bis (O) rot mit blauen Versalien. Den Außenrahmen des Teppichs bildet eine Zierborte mit Vierpaß- und Sechseckmedaillons, die verschiedene Pflanzen- und Tiermotive zeigen. In den vier äußeren Ecken des Teppichs befinden sich Wappendarstellungen.

Maße: H.: 365,0 cm; B.: 285,0 cm; Bu.: 4,9 cm (A), 3,9 cm (B–O), 4,2–5,2 cm (P).

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien (A–O), Gotische Majuskel (P).

Kloster Lüne [1/4]

  1. A

    Uirga · yesse

  2. B

    Rex · aza ·

  3. C

    Rex · abia ·

  4. D

    Rex · salomon ·

  5. E

    Rex · roboam ·

  6. F

    Rex · ioathana) ·

  7. G

    Rex · ozias ·

  8. H

    Rex · dauid ·

  9. I

    Rex · iosaphat ·

  10. K

    Rex · ioram ·

  11. L

    Rex · yosias ·

  12. M

    Rex · manasses ·

  13. N

    Rex · achas ·

  14. O

    Rex · ezechias ·

  15. P

    ANNO · LEGIS · GRACIE · MILLESIMO · QUINGENTESIMO · TERCIO · FE/CIT · DOMINA · SOPHIA · DE · BODENDIKE · CONSUERE · ISTUTa) · TAPETE · PER · MANUS · SORORUM · / HIC · IN · LUNE · TUNC · DEGENCIUM · AD · LAUDEM · DEI · ET · SUE · DILECTE · / MATRIS · MARIE · ET · SANCTI · BARTHOLOMEI · PATRONI · NOSTRI · ANNO · REFORMACIONIS · UICESIMO · TERCIO :

Übersetzung:

(P) Im Jahre des Heilsgesetzes 1503 ließ die Domina Sophia von Bodenteich diesen Teppich durch die Schwestern, die zu der Zeit hier in Lüne lebten, zusammenfügen zum Lobe Gottes und seiner lieben Mutter Maria und des heiligen Bartholomäus, unseres Patrons. Im 23. Jahr der Reformation.

Wappen:
a) oben links und unten rechts: Schomaker (Schild linksschräg geteilt, rechts schwarzer Bärenkopf mit roter Halswunde auf Silber, links blau)2)
b) oben rechts: Bodenteich (wie Nr. 45)
c) unten links: Landsberg (in Gold ein roter Fuchs über rotem Gitter)3)

Kommentar

Die Aufstellung des Stammbaumes im Hauptfeld folgt Mt. 1,6–10. Die chronologische Abfolge lautet danach: Jesse – David – Salomon – Roboam – Abia – Asa – Josaphat – Joram – Ozias – Joatham – Achaz – Ezechias – Manasses – Amon – Josias. Mit Ausnahme des Amon sind alle hier genannten Könige auf dem Teppich dargestellt. Die Reihenfolge beginnt mit der Figur des David, geht in der unteren Reihe auf das Medaillon rechts vom Stamm über, setzt sich weiter nach rechts fort und springt dann auf die links außen stehende Figur über. Analog ist die Abfolge in der mittleren und oberen Reihe herzustellen, jeweils rechts neben dem Hauptstamm beginnend. Durch ihren Platz auf der Mittelachse sind Jesse, König David und Maria mit dem Kind besonders hervorgehoben.

Die Wappen beziehen sich auf Nikolaus Schomaker, Propst des Klosters von 1493 bis 1506 (vgl. Nr. 63), Sophia von Bodenteich, Priorissa von 1481 bis 1504 (vgl. Nr. 45) sowie auf Barthold von Landsberg, Bischof von Verden 1470 bis 1502, dem das Kloster als zuständigem Diözesan unterstand4).

Die Arbeiten an diesem Teppich wurden, wie aus der Inschrift (P) hervorgeht, im Jahre 1503 begonnen. Bereits im Januar 1505 waren sie abgeschlossen. Im Amtsbuch der Sakristanin heißt es dazu5): quarta feria Circumdederunt in die Vincentii martiris presentaverunt sorores GS, EH, KR, SV, ESR et CS tapete cum Yesse. Im Gegensatz zu den drei anderen großen Teppichen wurde hier darauf verzichtet, die Initialen der mit der Herstellung befaßten Nonnen an unauffälliger Stelle einzuarbeiten6).

Textkritischer Apparat

  1. Sic!

Anmerkungen

  1. Bei Knauf, S. 32 und S. 47, fälschlich als Prophet Jesaja bezeichnet.
  2. Wappenbeschreibung bei Büttner, s. p., Einleitung zur Genealogie Schumacher I.
  3. Vgl. Oeynhausen, Die Herren von Landsberg, S. 152.
  4. Landsberg war seit 1481 gleichzeitig Bischof von Hildesheim. Vgl. Bertram, Geschichte, S. 431 bis 452, bes. S. 431, 451. Neben S. 432 Abbildung der Metallgrabplatte des Bischofs im Dom zu Verden. Sie zeigt auf einer Konsole zu Füßen des Verstorbenen sein Wappen: hier ist der Schild quergeteilt, oben ein laufender Fuchs, unten ein Gitter. Diese Form entspricht der bei Oeynhausen (wie Anm. 3) gegebenen Beschreibung.
  5. Nolte, S. 115.
  6. Vgl. Nr. 57, 59 und 60 sowie die Zusammenstellung aller Initialen im Kommentar zum Osterteppich (Nr. 60).

Nachweise

  1. Mithoff, S. 124 f.
  2. Schütte, S. 48.
  3. Beschreibung: Knauf, S. 32 f., S. 47.
  4. Abbildung: Schütte, Taf. 48, 49; Knauf, S. 118.

Zitierhinweis:
DI 24, Lüneburg: St. Michaeliskloster, Kloster Lüne, Nr. 58 (Eckhard Michael), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di024g002k0005802.