Inschriften: St. Michaeliskloster und Kloster Lüne bis 1550

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 24: Lüneburg: St. Michaeliskloster, Kloster Lüne (1984)

Nr. 52 Kloster Lüne um 1500

Beschreibung

Zwei Wappenmedaillons an der Holzbalkendecke des Refektoriums, angebracht am sechsten (A) und zehnten (B) Querträger von Süden. Holz, bemalt.

Es handelt sich um gleichartig gearbeitete kreisrunde Medaillons mit einer geschnitzten Wappendarstellung im Zentrum. Das Mittelstück ist durch einen ringförmigen, von zwei konzentrischen Stegen begrenzten Rahmen eingefaßt, der zugleich als Schriftzeile dient. Der Außenrand trägt als Ornamentierung sechs symmetrisch angeordnete, linksläufig gegen den Rahmen geneigte vergoldete Krabben in gotischen Formen1). Beiderseits eines jeden Medaillons ist auf dem Balken in einer Kapitalis des 18. Jahrhunderts eine dreizeilige Beschriftung aufgemalt worden. Zu (A) lautet sie: ANNO 1481 – ELECTA / PRIORISSA – SOPHIA DE BO/DENDICK – OBIT 1504; zu (B): ANNO 1494 – ELECTUS / NICOLAUS SCHU – MACHER PREPOSI = / TUS IN LÜNE – OBIT 1506. Die in den Rahmen umlaufende auf schwarzem Grund stehende Schrift ist erhaben aus dem Holz herausgearbeitet, die Buchstaben sind vergoldet.

Maße: Dm.: je 25,5 cm; Bu.: je 3,2 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

Kloster Lüne [1/4]

  1. A

    SOPHIA · PRIORISSA · IN · LVNE ·

  2. B

    NICOLAVS · HVIVS · MONASTERII · PREPOSIT(US) ·

Übersetzung:

(B) Nikolaus, Propst dieses Klosters.

Wappen:
(A)Sophia von Bodenteich (wie Nr. 45)
(B)Nikolaus Schomaker (Schild schräglinks geteilt; rechts blaues Feld, links schwarzer Bärenkopf mit roter Halswunde)2)

Kommentar

Die Charakteristika der frühhumanistischen Kapitalis sind zwar nicht stark ausgeprägt, aber dennoch signifikant: alle N mit Ausnahme desjenigen in NICOLAVS besitzen einen schmaleren, stark geschwungenen Schrägbalken; das M zeigt einen hochgezogenen Mittelteil, die H kennzeichnet eine Ausbuchtung in der Mitte des Querbalkens; die I verjüngen sich zur Mitte hin3).

Beide Medaillons wurden vermutlich nach Abschluß der Umgestaltung des Refektoriums angebracht, um die Erinnerung an die Auftraggeber der Arbeiten wachzuhalten. Da die Priorissa Sophia von Bodenteich im Jahre 1504 starb, Nikolaus Schomaker das Amt des Propstes aber 1493 antrat4), müssen die Arbeiten in den durch diese Jahresangaben umrissenen Zeitraum fallen. Daher wird hier die Datierung „um 1500“ gegeben, die im übrigen durch den epigraphischen Befund gestützt wird.

Das Refektorium hat im wesentlichen bis heute die Raumwirkung bewahrt, die es durch die Veränderungen aus der Zeit um 1500 erhalten hat. Die Substanz von Außenwand und Decke wurde dabei nicht verändert5), doch versah man das Innere mit einer Dekoration im Stil der Renaissance6). In jedes Fenster wurde ein kleinteiliger Rahmen mit Mittelpfosten eingesetzt, die Decke mit einer Holzvertäfelung verkleidet. Wand- und Deckenflächen stattete man mit einer heute nur noch in Resten vorhandenen Bemalung aus, die teils pflanzliches Ornament, teils figürliche Darstellungen zeigte. Einige dieser bemalten Flächen wurden durch Einbauten des 18. Jahrhunderts verdeckt, mit denen auch die genannte Beschriftung der Balken beiderseits der Medaillons in Verbindung zu bringen ist.

Anmerkungen

  1. Die Krabben bei (B) sind etwas kleiner als bei (A). Andere Unterschiede bestehen jedoch nicht.
  2. Büttner, s. p., Einleitung zur Genealogie Schumacher I.
  3. Vgl. zu diesen Kennzeichen: Kloos, Epigraphik, S. 153, 155 f. – Bessere Beispiele für die frühhumanistische Kapitalis sind für Kloster Lüne der unter Nr. 53 behandelte Kelch und die Nimbeninschriften des Hochaltars (Nr. 54).
  4. Zu Sophia von Bodenteich vgl. Nr. 45, zu Nikolaus Schomaker Nr. 63. Die Amtszeiten auch bei Nolte, S. 129. – Die oben genannte spätere Beischrift zum Medaillon Schomakers ist in der Angabe des Amtsantritts falsch: statt 1494 muß es 1493 heißen.
  5. In seiner Anlage geht das Refektorium vermutlich auf den Klosterneubau zur Zeit des Propstes Johannes Weygergang zurück; vgl. Nr. 15.
  6. Vgl. auch Knauf, S. 28 f. – S. 29 werden auch die beiden Medaillons beschrieben, jedoch wird (A) trotz des Hinweises auf die Inschrift der Priorissa Mechthild Wilde zugewiesen, die die Nachfolge Sophias von Bodenteich antrat.

Nachweise

  1. Mithoff, S. 129.
  2. Abbildung (B): Knauf, S. 85.

Zitierhinweis:
DI 24, Lüneburg: St. Michaeliskloster, Kloster Lüne, Nr. 52 (Eckhard Michael), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di024g002k0005200.