Inschriften: St. Michaeliskloster und Kloster Lüne bis 1550

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 24: Lüneburg: St. Michaeliskloster, Kloster Lüne (1984)

Nr. 48 Museum A 31 1499

Beschreibung

Totenschild für Werner (XIII.) von Meding aus der St. Michaeliskirche. Eichenholz. Der aus vier Brettern gefertigte, kreisrunde Schild trägt in einem vertieften Mittelfeld auf blauem, mit goldenen Sternen bemaltem Untergrund in plastischer Schnitzerei die Darstellung eines Vollwappens mit Wappenschild, Helm und Helmdecken. Die Helmzier fehlt. Das gesamte Mittelfeld wird durch einen Taustabring eingefaßt. Am Rand läuft eine ringförmige Schriftfläche herum, die zugleich als Rahmen dient. Der Totenschild war vermutlich in der Nähe der Meding’schen Familiengruft in der Michaeliskirche angebracht. 1792 wurde er in das Museum der Ritterakademie übernommen1). Von dort gelangte er über den Altertums- an den Museumsverein und gehört somit zur Grundausstattung des Museums für das Fürstentum Lüneburg2). Das Stück ist mehrfach – teilweise unsachgemäß – restauriert worden. 1911 fehlte der gesamte Helm mit Helmzier; nur der Helm wurde im Zuge der Beseitigung der Schäden, die durch die Einwirkungen des Zweiten Weltkrieges entstanden waren, erneuert3). Ergänzungen und Auffrischung der Bemalung haben den originalen Charakter der Schrift wie anscheinend auch ihren Wortlaut verfälscht. Da bereits Ludwig Albrecht Gebhardis Wiedergabe der Inschrift aus dem Jahre 1796 mit dem heute zu lesenden Text übereinstimmt, waren die Veränderungen zu seiner Zeit schon erfolgt; möglicherweise wurden sie von ihm veranlaßt. Der ursprünglich korrekte Wortlaut der Inschrift findet sich vermutlich – eher zufällig – in der 1878/79 veröffentlichten Übersicht der Museumsbestände4). Im folgenden ist der heutige Textbestand der Inschrift gegeben. Sie ist mit Goldfarbe auf braunroten Grund gemalt.

Maße: Dm.: 84,0 cm; Bu.: 6,2 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Sabine Wehking [1/1]

  1. an(n)o d[omi]ni cccclxxxxixa) jare starfb) vernerc) van medingd) marscalke) der herscop to luneb[orch] bid(e)tf) got voreg)

Wappen:
von Meding (in silbernem Feld schwarzer, springender Hirsch mit rot-silberner Decke; Helmdecken rot-silbern)5)

Kommentar

Die Schrift hat trotz der offensichtlichen Eingriffe den Charakter einer gotischen Minuskel weitgehend bewahrt – vor allem durch die Brechung der Hasten bei m, n oder i. Dennoch gehen einige Gestaltungsmerkmale deutlich auf neuzeitliche Veränderungen zurück. Untypisch sind die Rankenverzierungen, die hauptsächlich bei e und r verwendet wurden. Besonders auffällig sind sie im r des Wortes herscop. Der Buchstabe ist hier aus einem in gleicher Höhe neben den oberen Abschluß des vorausgehenden e gesetzten Punkt gebildet, von dem sich mehrere Haarstriche zum Zeilenfuß hinabziehen und sich mit gleichartigen, vom e ausgehenden Strichen zu einem filigranen Ornament verbinden. Untypisch ist auch die Ausformung des p, das einen nur die obere Zeilenhälfte ausfüllenden Bogen besitzt. Offensichtlich ist die heutige Schriftgestaltung Ergebnis einer historisierenden Erneuerung.

Werner von Meding war ein Sohn Wasmods (II.) von Meding6). Gemeinsam mit diesem und seinem Bruder Heinrich (III.) wird er 1454 urkundlich genannt7). Als Albert von Bovenden im Jahre 1477 durch den Bischof von Verden als Abt des Michaelisklosters bestätigt wurde, erschien Werner unter den Zeugen8). Seine letzte urkundliche Erwähnung fällt in das Jahr 1497, und die Angabe, er sei 1499 in hohem Alter verstorben, wird durch die Inschrift des Totenschildes gestützt9). Es ist davon auszugehen, daß er in der Meding’schen Familiengruft zu St. Michaelis beigesetzt wurde10). Älteren Angaben zufolge war er in erster Ehe mit der aus einem bremischen Adelsgeschlecht stammenden Anna von Bickre, in zweiter Ehe mit Margarethe von Hodenberg verheiratet11). Aus der ersten Ehe gingen vier Söhne hervor. Seinem Neffen Boldewin, Sohn seines Bruders Heinrich (III.), gilt der zweite aus der Michaeliskirche erhaltene Totenschild (Nr. 65).

Textkritischer Apparat

  1. Verzeichnis, Jahresbericht, Reinecke, Körner: MCCCCLXXXXIX.
  2. Jahresbericht: farestarff. Diese Lesart bietet vermutlich den an dieser Stelle originalen Wortlaut der Inschrift: 3. Pers. Sg. Imperf. von „faresterven“ (voresterven). – Ein zweimaliges Vorkommen des Wortes „Jahr“, einmal in lateinischer, einmal in niederdeutscher Sprache, wäre nicht nur unsinnig, sondern liefe auch dem für die Beschriftung von Totenschilden üblichen Formular zuwider; vgl. Nr. 20, 38 oder 39, bes. Nr. 65. – Vermutlich ist bei einer Restaurierung das ursprüngliche f aus nicht mehr ersichtlichen Gründen als j angesehen und entsprechend neu gestaltet worden.
  3. Jahresbericht: Werner.
  4. Verzeichnis, Jahresbericht: Medink.
  5. Jahresbericht: Marschalk.
  6. Jahresbericht: Bedt; Verzeichnis, Körner: bidt.
  7. Die Stelle ist verderbt. Verzeichnis und Jahresbericht geben den vermutlich korrekten Text: vor em.

Anmerkungen

  1. Gebhardi, Verzeichnis 1796, S. 137.
  2. Körner, Leitfaden, S. 31, Nr. A 31.
  3. Reinecke, Die kirchliche Abteilung, S. 125, Nr. 157. – Zur Restaurierung der jüngsten Zeit Körner, Leitfaden (wie Anm. 2).
  4. Jahresbericht, S. 12.
  5. Vgl. Hildebrandt-Mieste (Bearb.), Der Hannöverische Adel, S. 12, s. v. von Mending, dazu Abb. Taf. 13 und 14. Hier lautet die Wappenbeschreibung: „liegender schwarzer Hirsch, mit achtfach weiß-rot gespaltener Decke belegt, in weiß“.
  6. Über Wasmod (II.) von Meding vgl. Nr. 35.
  7. Meding (Bearb.), Geschichte, S. 223.
  8. Hodenberg, Lüneburger Urkundenbuch, 7. Abt., S. 712 f., Nr. 1201. – Dort S. 713: Presentibus ... Wernero de Medinghe Marschalco ducatus Luneburgensis ... Der hier verwendeten Titulatur entspricht die Abfassung der Inschrift auf dem Totenschild. Zum Erbamt der Marschälle in Händen der Familie von Meding vgl. Nr. 33.
  9. Meding (wie Anm. 7), S. 224.
  10. Zur Familiengruft vgl. Nr. 33.
  11. Meding (wie Anm. 7), S. 225.

Nachweise

  1. Gebhardi, Verzeichnis 1796, S. 137.
  2. Jahresbericht, S. 12.
  3. Reinecke, Die kirchliche Abteilung, S. 125 f., Nr. 157.
  4. Körner, Leitfaden, S. 31, Nr. A 31.
  5. Abbildung: Reinecke.
  6. Erwähnung: Kdm. S. 57.

Zitierhinweis:
DI 24, Lüneburg: St. Michaeliskloster, Kloster Lüne, Nr. 48 (Eckhard Michael), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di024g002k0004806.