Inschriften: St. Michaeliskloster und Kloster Lüne bis 1550

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 24: Lüneburg: St. Michaeliskloster, Kloster Lüne (1984)

Nr. 43 St. Michaeliskirche 1492

Beschreibung

Glocke im Turm. Der Glockenstuhl besteht aus vier nebeneinanderliegenden, in Ost-West-Richtung verlaufenden Holzbrücken. Die von ihnen am weitesten nördlich stehende enthält vier Glocken, unter denen als zweite von Osten die hier zu behandelnde aufgehängt ist. Sie besitzt eine umlaufende Schulterinschrift, beginnend auf der nach Westen zeigenden Seite. Der Text bildet eine Zeile, steht zwischen Stegen und ist nach oben von einem Randfries aus Perlenschnur und aufrecht stehenden gotischen Blättern begleitet. Die Buchstaben sind erhaben gegossen. Neben der Jahreszahl ist eine Münze angebracht, die in Relief einen gekrönten Kopf mit der Umschrift „FERDINA/NDVS REX“ zeigt.

Maße: H.: 78,0 cm; Dm. unten: 108,0 cm; Bu.: 2,9 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. + hoc · vas · oblatum · tu · michael · suspice · gratum · gherhardus · de · wou · me · fecit · anno · dminia) · m · cccc · xcii

Übersetzung:

Diese dir dargebrachte Glocke nimm du, Michael, als wohlgefällig an. Gherhardus de Wou hat mich angefertigt im Jahre des Herrn 1492.

Kommentar

Zur Worttrennung dienen Rosetten in gotischer Form. Die Inschrift bildet einen zweisilbig gereimten leoninischen Hexameter (hoc ... gratum), der anscheinend dem Distichon auf der Glocke von 1427 entnommen wurde1).

Auf der Münze ist offensichtlich Ferdinand II. (1452–1516) dargestellt, seit 1479 König von Aragon, als Ferdinand V. König von Kastilien und Léon. In das Jahr des Glockengusses fiel die Entdeckung Amerikas, und in der Einfügung der Münze spiegelt sich offenbar die Bedeutung wider, die diesem Ereignis bereits von Zeitgenossen beigemessen wurde.

Der Glockengießer Gherardus de Wou stammte aus dem nördlichen Brabant. Er wurde in ’s-Hertogenbosch geboren, siedelte 1482 nach Campen an der Ijssel über und starb dort 15272). Er schuf Geläute für Kirchen in Hamburg und Erfurt, sein ältestes bezeichnetes Werk ist die Marienglocke von 1485 im Dom zu Osnabrück. In Lüneburg war er in den Jahren 1491 und 1492 tätig. Von ihm stammen vier Glocken der Michaeliskirche, von denen sich außer der hier genannten eine zweite aus demselben Jahre erhalten hat3). Für die Lambertikirche goß er 1491 eine große Glocke, die sich heute im Turm der St. Nikolaikirche befindet4).

Textkritischer Apparat

  1. Sic!

Anmerkungen

  1. Vgl. Nr. 22.
  2. Walter, Glockenkunde, S. 912–917, hat alle ihm erreichbaren Nachrichten über Gherardus de Wou zusammengestellt. Danach die hier mitgeteilten Angaben.
  3. Die 1791 eingeschmolzenen beiden anderen Glocken von 1491/2 sind unter Nr. 41 und 42 behandelt.
  4. Vgl. auch Wrede, Die Glocken der Stadt Lüneburg, S. 23–30.

Nachweise

  1. Gebhardi, Coll. I, 1762, S. 369.
  2. Mithoff, S. 168.
  3. Wrede, Die Glocken der Stadt Lüneburg, S. 43.
  4. Walter, Glokkenkunde, S. 276.
  5. Wrede, Glocken, S. 594.

Zitierhinweis:
DI 24, Lüneburg: St. Michaeliskloster, Kloster Lüne, Nr. 43 (Eckhard Michael), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di024g002k0004301.