Inschriften: St. Michaeliskloster und Kloster Lüne bis 1550

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 24: Lüneburg: St. Michaeliskloster, Kloster Lüne (1984)

Nr. 32† St. Michaeliskirche 1446

Beschreibung

Grabplatte (?) für Johann von Hitzacker. Über Standort, Ausführung und Verbleib ist nichts bekannt. Die Inschrift lautete nach Rikemann1):

  1. Anno Domini 1446 ipso die Philippi et Jacobi apostolorum obiit Johannes van Hidsaker famulus, cuius anima requiescat in pace.

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1446, am Tage der Apostel Philippus und Jacobus, starb der Knappe Johann von Hitzacker, dessen Seele ruhen möge in Frieden.

Datum: 1446, Mai 1.

Kommentar

Es ist auffällig, daß in dem lateinisch abgefaßten Text das Partikel van in deutscher Sprache anzutreffen ist. Zu erwarten wäre de oder a Hidsaker. Möglicherweise liegt hier eine Flüchtigkeit Rikemanns vor. An der Glaubwürdigkeit der Überlieferung ist jedoch nicht zu zweifeln.

Das Formular der Inschrift ist das einer Grabplatteninschrift2). Deshalb ist anzunehmen, daß Johann von Hitzacker in der Michaeliskirche eine mit der Platte verschlossene Einzelsepultur erhielt. Der Lageplan von 1755 gibt darauf keine Hinweise3), doch könnte das Grab in der Neuzeit ein zweites Mal belegt worden sein und deshalb seine ursprüngliche Kennzeichnung verloren haben. In Rikemanns Aufzeichnungen erscheint die Inschrift in einer Abfolge von Notizen, die, soweit noch feststellbar, sämtlich auf Grabdenkmäler im nördlichen mittleren Teil des Kirchengebäudes Bezug nehmen. Sie lagen alle in der Nähe des Pfeilers, an dem heute die Kanzel angebracht ist. Möglicherweise hat auch das Grab Johann von Hitzackers in diesem Bereich gelegen4). Genauere Hinweise fehlen.

Die Unsicherheiten werden nicht geringer, wenn man Angaben zur Person des hier genannten Toten aufführen will. Sicher dürfte sein, daß Johann seine Grabstätte in der Kirche aufgrund engerer verwandtschaftlicher Beziehungen zu dem von 1441 bis 1477 amtierenden Abt Ludolf von Hitzacker erhielt5).

Gebhardi bietet in seinen Kollektaneen eine Stammtafel, die die näheren Familienverhältnisse dieses Abtes erläutern soll6). Danach hatte Ludolf drei Brüder, die die Namen Gerd, Albrecht und Johann trugen. Ihr Vater Georg tritt urkundlich 1393 und 1403, ihr Großvater Albrecht 1359 und 1392 auf. Bis zu welchem Grade diese Angaben zuverlässig sind, ist nicht zu entscheiden. Gebhardi beruft sich auf handschriftlich überlieferte Vorarbeiten des älteren Pfeffinger, dem in der Behandlung der Hitzacker’schen Genealogie in seiner Darstellung zur Geschichte der welfischen Fürstentümer freilich Irrtümer und Fehler unterlaufen sind7). Ob Gebhardi die von Pfeffinger übernommenen Angaben überprüft hat, ist nicht sicher.

Dennoch liefert seine Stammtafel die einzigen Hinweise zur Identifizierung des in der Inschrift genannten Johann von Hitzacker. Wenn man an enger verwandtschaftlicher Verbindung zu dem Abt Ludolf festhalten will, könnte es sich hier um dessen Bruder Johann gehandelt haben. Zu ihm ist in der Stammtafel vermerkt, er sei 1445 verstorben. Diese Angabe muß aber nicht auf ein unmittelbares Zeugnis über das Datum seines Todes zurückgehen, sondern kann auch aus Indizien erschlossen worden sein, etwa daraus, daß er von diesem Jahr an nicht mehr in schriftlichen Quellen genannt ist. Trifft diese Vermutung zu, tritt also Johann nach 1445 nicht mehr urkundlich hervor, so ließe sich die Inschrift auf ihn beziehen, und die Grabplatte wäre tatsächlich für den Bruder des Abtes angefertigt worden. Eine sichere Entscheidung ist jedoch nicht möglich.

Daß aber der Verstorbene ein enger Verwandter Ludolfs von Hitzacker war, dürfte sich nicht von der Hand weisen lassen. Denn der Abt hat Angehörige seiner Familie nachweislich eng an das Kloster gebunden. 1461 verlieh er seinem Vetter Gerd das Erbkämmereramt der Abtei, nachdem es zuvor sein Vetter Hans (Johann) innegehabt hatte8). Die von Hitzacker wurden in dieser Funktion Nachfolger der um die Mitte des 15. Jahrhunderts ausgestorbenen Familie von Wrestedt9).

Die hier genannten Vettern des Abts, Gerd und Johann, waren vermutlich Brüder. In der erwähnten Stammtafel sind sie nicht aufgeführt, wohl aber zwei Neffen Ludolfs mit diesen Namen als Söhne seines Bruders Albrecht10). Es ist damit zu rechnen, daß gleichzeitig mehrere Angehörige der Familie mit demselben Namen lebten11). Auch deshalb ist eine Identifizierung erschwert, solange eindeutige Zeugnisse nicht erreichbar sind.

Anmerkungen

  1. Fol. 14 r.
  2. Vgl. die Grabplatte für den 1428 verstorbenen Ludolf von Estorff im Kreuzgang des Klosters Lüne (Nr. 23).
  3. Lageplan in: Gebhardi, Coll. VI, 1772, S. 381.
  4. Der Lageplan (wie Anm. 3) verzeichnet zwischen dem zweiten und dritten freistehenden Pfeiler von Westen in der nördlichen Reihe ein auf 1722 datiertes Grab in der Umgebung mittelalterlicher Sepulturen. Es ist möglich, daß dieses Datum von einer Neubelegung herrührt. Solche Wiederverwendungen alter Grabstellen waren nicht selten. Ein eindeutiges Beispiel aus der Michaeliskirche ist die Grablege des Priors Wilkinus von Ilten (s. Nr. 12), vielleicht auch die des Bischofs Conrad von Verden (s. Nr. 14, Anm. 4). Es ist also denkbar, daß auch 1722 eine bereits bestehende Gruft ein zweites Mal benutzt wurde und eine neue Kennzeichnung erhielt. Spekulation bleibt allerdings die Annahme, es könnte sich hier um die Sepultur Johanns gehandelt haben.
  5. Für solche Beziehungen spricht auch die Tatsache, daß Johann nicht im Nekrolog des Klosters genannt ist, also nicht zu dessen Wohltätern gezählt wurde und etwa deshalb in St. Michael beigesetzt wurde. – Zu Ludolf von Hitzacker, der von 1431 bis 1441 das Amt des Priors versehen hatte, vgl Gebhardi, Coll. XIV, 1796, S. 348–406, und ders., Coll. XV, 1798, S. 469–471.
  6. Gebhardi, Coll. XIV, 1796, S. 349.
  7. Pfeffinger, Historie, Bd. 2, S. 597–618. Zur Erläuterung sind den familiengeschichtlichen Anmerkungen in vollem Wortlaut abgedruckte Urkunden beigegeben worden. Wie sich aus Stichproben ergab, ist die Auswertung dieser Quellen nicht immer korrekt.
  8. Hodenberg, Lüneburger Urkundenbuch, 7. Abt., S. 687, Nr. 1153 (1461, Januar 5). Die hier interessierenden Teile der Belehnungsurkunde lauten: ... gherde van hidzackere unseme leven vedderen myt unses klosters kemerer Ampte unde sodaneme ghude alse dar tobehorich is, belehnet hebben ... hans van hidzackere unse leve veddere ok Ichteswanne unses klosters kemerer ... Bei der Auswertung dieses Textes ist freilich in Rechnung zu stellen, daß mit „vedder“ auch der Sohn des Bruders (Neffe) bezeichnet werden kann.
  9. So L. A. Gebhardi, Historische Nachricht, S. 17. Gebhardi teilt ferner mit, 1583 sei das Erbkämmereramt von den von Hitzacker an die Grote übergegangen.
  10. Vgl. Anm. 8. – Albrecht ist nach anderen, von Gebhardi nicht erwähnten Quellen 1437 und 1438 als Bruder des derzeitigen Priors Ludolf von Hitzacker bezeugt: Meding (Bearb.), Geschichte, S. 203.
  11. Für 1452 ist ein Johann von Hitzacker als Vormund des Gerd und des Werner von Hitzacker bezeugt, 1460 und 1478 sind die Brüder Hans und Gerd von Hitzacker nachzuweisen: Meding (wie Anm. 10), S. 204 und 227. Pfeffinger (wie Anm. 7), S. 608 f. und 616, nennt für 1336 und 1344 einen Gerd, zum Jahre 1484 einen Johann von Hitzacker. In welchen verwandtschaftlichen Beziehungen diese Personen zueinander standen, ließ sich in dem hier vorgegebenen Rahmen nicht klären.

Zitierhinweis:
DI 24, Lüneburg: St. Michaeliskloster, Kloster Lüne, Nr. 32† (Eckhard Michael), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di024g002k0003208.