Inschriften: St. Michaeliskloster und Kloster Lüne bis 1550

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 24: Lüneburg: St. Michaeliskloster, Kloster Lüne (1984)

Nr. 24 Hannover, Kestner-Museum (1432)

Beschreibung

Zwei Straußenei-Reliquiare aus dem Schatz der „Goldenen Tafel“ des Michaelisklosters. Fassung aus vergoldetem Kupfer. Beide Stücke sind gleichartig gearbeitet.

Sie befanden sich zusammen mit je einem der beiden unter Nr. 3 und 4 behandelten Armreliquiare in den beiden nebeneinander liegenden, hochrechteckigen Fächern in der mittleren Zone des Altarschreins, unmittelbar links an die eigentliche goldene Tafel angrenzend1). Zu Ende des 18. Jahrhunderts wurden die Reliquiare in das Museum der Lüneburger Ritterakademie übernommen, gelangten nach deren Auflösung im 19. Jahrhundert nach Hannover und kamen aus den Beständen des dortigen Welfenmuseums an das heutige Niedersächsische Landesmuseum (Inventar-Nummer: WM. XXI a. 6 und 7)2). 1954 erhielt sie das Kestner-Museum als Leihgabe3).

Jedes Reliquiar besitzt einen schlichten, als Sechspaß ausgebildeten Fuß auf gerader, gekehlter Kante. Dieser Fuß geht in einen im Querschnitt sechseckigen Schaft über, der oben und unten durch ein getrepptes Profil begrenzt ist und in der Mitte einen einfachen Nodus trägt. Dem Schaft ist eine kreisrunde, am Rande ornamentierte konkave Platte aufgesetzt, die als Auflage für das Straußenei dient. Diese untere Platte ist durch drei gebogene Spangen mit einem gleichartig gestalteten oberen Gegenstück verbunden, so daß eine Fassung entsteht, die das senkrecht stehende Ei einschließt. Die obere Platte trägt als Bekrönung ein sechsseitiges Türmchen mit Fenstern zwischen Strebepfeilern und spitzem Dach, auf dem ein Kruzifix angebracht ist.

Am Fuß ist auf einem der Sechspässe ein schräggelegter, 2,9 cm hoher und 2,6 cm breiter Schild in Wappenform befestigt. Wie aus erhaltenen Resten zu ersehen ist, war er farbig emailliert und teilweise vergoldet. Der untere Teil des Schildes zeigt ein Wappen, darüber befindet sich eine über die ganze Reihe laufende Schriftzone mit der Inschrift. Das schwarze Email der Buchstaben wie auch der umgebende Goldgrund sind weitgehend verloren.

Maße: H.: 44,5 cm; Dm. des Fußes: 14,8 cm; Bu.: 0,2–0,3 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versal.

  1. B(er)nard(us)a) dux dedit

Übersetzung:

Herzog Bernhard schenkte es.

Wappen:
Herzöge von Braunschweig und Lüneburg (Schild geviert: 1 und 4: auf ehemals rotem, heute stark nachgedunkeltem Grund zwei goldene Leoparden; 2 und 3: auf goldenem, mit roten Herzen bestreutem Grund blauer Löwe)4)

Kommentar

Inschrift und Wappen bringen die beiden Straußenei-Reliquiare in unmittelbaren Zusammenhang mit einer Urkunde Herzog Bernhards vom 29. Juni 1432, in der eine umfangreiche Reliquienschenkung an das Michaeliskloster bezeugt ist und Abt und Konvent zur Auflage gemacht wird, bereits vorhandene oder neu herzustellende Behältnisse für diese Reliquien mit Namen und Wappen des Herzogs zu versehen5). Es ist anzunehmen, daß diesen Bestimmungen noch im Jahre 1432 entsprochen wurde, so daß es erlaubt ist, die Inschrift in dieses Jahr zu datieren.

Textkritischer Apparat

  1. Appuhn: B(er)nard.

Anmerkungen

  1. So bereits die Inventarzeichnung des Schatzes aus dem 15. Jahrhundert, abgebildet bei: Stuttmann, Reliquienschatz, Taf. 4/5; ebd., Taf. 8/9, eine Zeichnung von 1699 mit demselben Befund. – Die Angaben werden bestätigt durch eine Zeichnung in den Gebhardi’schen Kollektaneen, die den Altarschrein im Zustand von 1761 abbildet und die derzeit noch erhaltenen Gegenstände des Schatzes an ihren Standorten in den Fächern zeigt: Gebhardi, Coll. VI, 1772, S. 461; wieder abgebildet bei Stuttmann, Taf. 10. – Zum Altar mit der goldenen Tafel vgl. Nr. 16.
  2. Damit teilten sie das Schicksal der meisten noch erhaltenen Teile des Reliquienschatzes. Dazu gehören der Kreuzfuß aus dem 11. Jahrhundert (Nr. 2), die beiden Armreliquiare (Nr. 3 und 4), das mit Leder überzogene Reliquienkästchen aus Holz (Nr. 7) und die unter den beiden folgenden Nummern behandelten Stücke. – Zur Geschichte dieser Objekte vgl. auch Stuttmann (wie Anm. 1), S. 14, sowie Welfenschatz, Schatz der Goldenen Tafel, Lüneburger Ratssilber, Hildesheimer Silberfund, S. 27.
  3. Nach den Objektakten des Kestner-Museums. Vgl. auch Osten, Katalog, S. 18.
  4. Hefner (Hg.), Die Wappen der Souveraine, S. 27; Schnath, Sachsenroß, S. 16 f.
  5. Hodenberg, Lüneburger Urkundenbuch, 7. Abt., S. 641 f., Nr. 1046. In derselben Urkunde wird die Errichtung des Denkmals über der welfischen Familiengruft verfügt (s. Nr. 27). Der auf die Reliquien bezogene Passus lautet: Vordmer schullen se [sc. Abt und Konvent des Klosters] up alle clenade, dar dat vorgerorde hillichdum inne bewracht und bemaked is, unse namen und wapen werken und maken laten, alse ersten kunnen, wat ok van deme gerorden hillichdume unbewracht is, dar wille wij unsen flijt tokeren, dat dat werde bewracht. Die Schenkung der Reliquien ist Gegenstand einer Seelgerätstiftung für den Herzog und seine Familie.

Nachweise

  1. Gebhardi, Verzeichnis 1766, S. 44.
  2. Mithoff, S. 164.
  3. Kdm, S. 55.
  4. Stuttmann, Reliquienschatz, S. 86 f., Nr. 25, 26; dazu Abb. Taf. 35, 73.
  5. Appuhn (Bearb.), Ratssilber, S. 36, Nr. 43.
  6. Welfenschatz, Schatz der Goldenen Tafel, Lüneburger Ratssilber, Hildesheimer Silberfund, S. 32, Nr. 80.

Zitierhinweis:
DI 24, Lüneburg: St. Michaeliskloster, Kloster Lüne, Nr. 24 (Eckhard Michael), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di024g002k0002406.