Inschriften: St. Michaeliskloster und Kloster Lüne bis 1550

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 24: Lüneburg: St. Michaeliskloster, Kloster Lüne (1984)

Nr. 15 Kloster Lüne 1412

Beschreibung

Grabplatte des Propstes Johannes Weygergang, im Nordflügel des Kreuzgangs im ersten Joch von Osten in den Fußboden eingelassen. Selenit.

Die Platte befand sich ursprünglich im Schiff der Klosterkirche und wurde erst im 20. Jahrhundert an den heutigen Platz verbracht1). Sie trägt am Rand, oben links beginnend, eine Umschrift und ist stellenweise leicht abgetreten. Die Buchstaben sind zwischen zwei eingeritzten Linien als Zeile eingehauen. In die vier durch die Überschneidungen der Zeilenlinien entstandenen quadratischen Eckfelder wurde Ornament eingefügt. Das Mittelfeld der Platte ist ohne Darstellung.

Maße: H.: 288,0 cm; B.: 183 cm; Bu.: 12,3 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Kloster Lüne [1/5]

  1. anno · domini · millesi(mo) / quadringentesimoduodecimo · iii · id(us) · janua/ rii · obiit · d(omi)n(u)s · iohanes / p(re)p(osi)tus · hui(us) · mon[asterii]a) · cui(us) · a(n)i(m)a · requiescat · in · pace.

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1412, an den dritten Iden des Januar, starb Herr Johannes, Propst dieses Klosters, dessen Seele ruhen möge in Frieden.

Datum: 1412, Januar 11.

Kommentar

Johannes Weygergang übernahm die Lüner Präpositur im Jahre 13742). Seinem Amtsantritt waren Streitigkeiten mit der Kurie um die Besetzung der Stelle vorausgegangen, die Papst Urban V. nach dem Ausscheiden des bisherigen, 1367 zum Bischof von Verden gewählten Propstes Heinrich von Langlingen dem Kardinalbischof Aegidius von Tuskulum als Sinekure verliehen hatte3). Der Konvent widersetzte sich dieser Regelung und wählte einen eigenen Kandidaten4). Erst 1373 kam eine Einigung zustande, die Weygergang als Beauftragter des Klosters in Rom aushandelte5). Diese Vermittlungstätigkeit hat vermutlich für seine bald darauf erfolgte Wahl zum Propst von Lüne den Ausschlag gegeben.

Ob Johannes aus Lüneburg stammte, wo 1339 ein Reyneko Weighergang die Bürgerrechte erhielt6), ist nicht bekannt. 1371 ist er mit dem akademischen Grad eines Magisters als Kantor des Verdener Domkapitels bezeugt7). Das Kanonikat in Verden scheint er bis zu seinem Tode beibehalten zu haben, ebenso ein Kanonikat in Bardowick8). Von 1385 bis 1398 war er außerdem Kanoniker an St. Blasii zu Braunschweig9). Die Leistungen und Verdienste seiner fast 40jährigen Amtszeit als Propst des Klosters Lüne sind von Nolte zutreffend beschrieben worden10). Er stärkte die rechtlichen und materiellen Grundlagen für das monastische Leben, indem er die freie Propstwahl durchsetzte und den Erwerb von Grundbesitz und Einkünften vorantrieb. Besonders an die Wirtschaftskraft des Klosters wurden hohe Anforderungen gestellt, weil nahezu alle Baulichkeiten nach einem Brand im Jahre 1372 neu errichtet werden mußten.

Neben seiner Tätigkeit für das Kloster hatte der Propst Aufgaben als Kaplan der sachsen-wittenbergischen Herzöge Wenzel und Albrecht übernommen11) und fungierte später als Schlichter in Rechtsstreitigkeiten der welfischen Herzöge sowie der Stadt Lüneburg, zu der er ebenfalls Verbindungen unterhielt. Er war Mitglied des Kalands an der St. Johanniskirche12) und war vom Rat der Stadt mit einer Vikarie am Hochaltar der Kapelle des Hospitals zum Heiligen Geist belehnt13). Ein weiteres Anzeichen für Weygergangs Fähigkeiten im administrativen Bereich ist seine für 1398 und 1399 nachzuweisende Berufung als Generalvikar des Bischofs von Verden, die ihn als Vertreter des abwesenden Dietrich von Nieheim bestellte14).

Daß dieser Propst auch wissenschaftliche, zumindest aber geistige theologische Interessen verfolgte, dokumentiert sein literarischer Nachlaß. Bekannt ist, daß er eine Predigtsammlung und eine Totenvigil in leoninischen Hexametern verfaßt hat15). Seine Bibliothek vermachte er seinem Nachfolger in der Präpositur.

Textkritischer Apparat

  1. Ohne Kürzungszeichen.

Anmerkungen

  1. Gebhardi, Coll. II, 1763, S. 402, fand sie in der Kirche vor. Ihr oberer Teil war verdeckt, weil das Taufbecken (Nr. 62) darauf stand. In der Kirche lokalisiert auch bei Mithoff, S. 12.
  2. Nolte, S. 89 und 129.
  3. Nach den Angaben bei Eubel (Bearb.), Hierarchia, S. 552, trat Heinrich von Langlingen sein Amt als Bischof von Verden am 1. Januar 1369 an. – Über Einzelheiten unterrichtet Nolte, S. 88.
  4. Es handelte sich zunächst um Conrad von Soltau, der im Kommentar zur Grabplatte seines gleichnamigen Verwandten, des 1407 verstorbenen Bischofs von Verden, erwähnt ist (vgl. Nr. 14).
  5. Vgl. Pfeffinger, Historie, Bd. 2, S. 629; ebd., S. 629–632, Abdruck einer päpstlichen Urkunde aus demselben Jahre, in der Bestimmungen über die Propstwahl getroffen werden. Für die Folgezeit trifft die Auffassung bei: Bückmann, Domkapitel, S. 85 mit Anm. 2, S. 86, Anm. 4, die Lüner Propstei sei als Sinekure zu betrachten, nicht mehr zu. Gültigkeit kann diese Meinung ohnehin nur in Bezug auf den Kardinalbischof von Tuskulum beanspruchen.
  6. Reinecke (Hg.), Stadtbuch, S. 113, Z. 9.
  7. Sudendorf, Bd. 4, S. 164–166, Nr. 231; gleichfalls: Grotefend, Urkundenbuch, S. 78 f., Nr. 77.
  8. Im Verdener Nekrologium ist er aufgeführt als dominus Johannes Weyergans, canonicus et prepositus in Lune: Necrologium Verdense, S. 287. – Das Kanonikat in Bardowick nachgewiesen bei: Schlöpke, Chronicon, S. 431.
  9. Personalliste bei: Döll, Kollegiatstifte, S. 307.
  10. Nolte, S. 88–90 und passim. Danach, wenn nicht anders vermerkt, das Folgende.
  11. Eine 1382 von den Herzögen Wenzel und Albrecht gemeinsam ausgestellte Urkunde gilt Weygergang als ihrem „leven truwen capellane“: Pfeffinger (wie Anm. 5), S. 611f.
  12. Bodemann, Brüderschaften, S. 98, Eintrag im Totenregister: „Johan Weygergank, provest to Lune“.
  13. Sudendorf, Bd. 10, S. 312–314, Nr. 126 (1406, Juli 16).
  14. Heimpel, Dietrich von Niem, S. 37f., Anm. 7.
  15. Nolte, S. 45: Hinweis auf einen „liber cum sermonibus Johannis Weygergangi“; ebd., S. 90: ohne Nachweis Abdruck des folgenden Eintrags „in einer Hannoverschen Handschrift“: In libro membranico, quod Meinekini Sanckensteden olim fuerat, haec scripta legebantur: Hyr beginnet de vigilie tho dude, alze is gedichtet van Hern Johanne Wedergange, de ichteswanne Prawest was des Klosters Lune, dem God gnedich sy mit allen Christen Selen.

    Da requiem cunctis hic et ubique sepultisUt sint in requie propter tua vulnera quinque.

Nachweise

  1. Gebhardi, Coll. II, 1763, S. 402 (nur decimo bis anima).
  2. Mithoff, S. 128.

Zitierhinweis:
DI 24, Lüneburg: St. Michaeliskloster, Kloster Lüne, Nr. 15 (Eckhard Michael), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di024g002k0001507.