Inschriftenkatalog: Lüneburger Klöster

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 76: Lüneburger Klöster (2009)

Nr. 313 Kloster Wienhausen 1685

Beschreibung

Grabplatte der Domina Anna Katharina von Wehlse.1) Stein. Die hochrechteckige Platte liegt im Fußboden der Allerheiligenkapelle. Oben die Inschrift A, in der Mitte in einem runden vertieften Feld ein Vollwappen im Relief, darüber dem Bogen folgend die Beischrift B, unten die Inschrift C. Alle Inschriften sind in vertieften Zeilen erhaben gehauen.

Maße: H.: 198 cm; B.: 96 cm; Bu.: 5,5 cm (A), 4 cm (B), 4–4,5 cm (C).

Schriftart(en): Mischschrift aus humanistischer Minuskel und Fraktur mit Kapitalis (A), Kapitalis (B), Mischschrift aus humanistischer Minuskel und Fraktur mit Frakturversalien (C).

Kloster Wienhausen [1/2]

  1. A

    Hier liGet BeGraben Die / wolerwürDiGe DOMINa Des / BerüMeten Klosters wienhusen / Die HOCHEDle unDt tuGentbeGab/te IunGFer Anna Catrinne / Von Weltzen SeliG in CHristo / entSCHlaffen ANNO 1685 / Den 28 AUGUsti

  2. B

    DIE . VON . WELTZEN

  3. C

    Leich Tex aus Dem 42 psalm / wie der hirsch schreÿet nach Fris/schen wasser So schreÿet meine Seele / Gott zu dir Meine Seele dürstet nah / Gott nach den lebendigen Gott wen / werde ich dahin kommen das ich Gottes an/gesicht schaue, Meine tränen sind Meine / speise tag undt nacht weil man täglich zu / mir saget wo ist nun dein Gott 2)

Wappen:
Wehlse

Kommentar

Anna Katharina von Wehlse wurde um 1630 im Kloster Wienhausen eingekleidet, 1675 ist sie als Priorin genannt und amtierte von 1676 bis zu ihrem Tod im Jahr 1685 als Domina.3) Die in der Inschrift A als tugendbegabte Iungfer bezeichnete Konventualin verursachte 1655 einen Skandal, weil sie mit dem offenbar äußerst windigen Kriegssekretär Andreas Listenius, dessen älteste – anscheinend schwer erziehbare – Tochter sie vorübergehend betreute, zu nahen Umgang pflegte. Ihr wurde vorgeworfen, daß sie Listenius in ihrer Zelle übernachten ließ – allerdings gab Anna Katharina von Wehlse an, in den fraglichen Nächten in einer anderen Zelle geschlafen zu haben –, daß sie sich mehrere Tage lang in Celle im Haus des Kriegssekretärs aufgehalten hatte und daß sie mit diesem im Gehölz spazierengegangen war. Den Aussagen mehrerer Zeugen zufolge hatte Listenius die Konventualin offenbar regelrecht belagert – wohl nicht ganz ohne Erfolg –, obwohl er verschiedentlich vom Kloster abgewiesen worden war. Die beiden Beschuldigten rechtfertigten sich allerdings damit, daß es die ganze Zeit um nichts anderes als um die Kinderbetreuung gegangen sei und daß sie auf das Übelste verleumdet worden seien. Anna Katharina von Wehlse gab zudem an, nicht gewußt zu haben, das der licentirte Krieges Secretarius so ein übel beschrieener Kerl were, wie ich leider! leider! viel zu spät itzo mit nicht geringer beschimpfung erfahren. Dieser bekam schließlich trotz aller Rechtfertigungen im Kloster Wienhausen Hausverbot, die Konventualin gelobte Besserung, und alle Klosterinsassinnen wurden vom Landesherrn dazu angehalten, sich künftig ihrem Stand entsprechend angemessen zu betragen und bescheiden zu kleiden.4) Offenbar hielt sich Anna Katharina von Wehlse an diese Vorschriften, so daß sie elf Jahre nach diesen Vorgängen zur Domina gewählt wurde.

Anmerkungen

  1. Inv. Nr. WIEN Dc 4.
  2. Ps. 42,2–4.
  3. Chronik und Totenbuch, p. 87 u. 91f., sowie Klosterarchiv Wienhausen, Hs. 23, Namensverzeichnis zu Urkunden und Archivalien, Konventualinnen Nr. 276 u. Priorinnen Nr. 25.
  4. HSTA Hannover, Hann. 113 III, Nr. 13789.

Nachweise

  1. Maier, Kunstdenkmale Wienhausen, S. 129.

Zitierhinweis:
DI 76, Lüneburger Klöster, Nr. 313 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di076g013k0031307.