Inschriftenkatalog: Lüneburger Klöster

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 76: Lüneburger Klöster (2009)

Nr. 169 Kloster Ebstorf 2. H. 16. Jh.

Beschreibung

Zwei Glasgemälde unten im dritten und vierten Fenster des südlichen Kreuzgangs.1) Die Scheiben waren ursprünglich in einem Fenster des Nonnenchors angebracht. Es handelt sich in beiden Fällen um hochrechteckige, aus vier Scheiben zusammengesetzte Schrifttafeln, die früher beide von einem gemalten Beschlagwerkrahmen mit Engelsköpfen und Fruchtgehängen umgeben waren. Dem Glasgemälde im vierten Fenster mit der Inschrift A fehlt dieser Rahmen heute, der Rahmen des Glasgemäldes im fünften Fenster mit der Inschrift B wird durch zwei Stücke vervollständigt, die durch ihre Farbgebung nicht zu den übrigen Rahmenteilen passen und wohl aus dem Rahmen des anderen Gemäldes stammen. Die Inschriften verlaufen jeweils in schwarzen Buchstaben zwischen gelben Linien zeilenweise über die Schrifttafeln. Die I mit i-Punkten, die V mit diakritischen Zeichen darüber.

Maße: H.: 45 cm; B.: 29 cm; Bu.: 1,5 cm (A). H.: 64,5 cm; B.: 47,5 cm; Bu.: 1,5 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis mit Elementen der frühhumanistischen Kapitalis (A), Kapitalis (B).

Kloster Ebstorf [1/2]

  1. A

    GLORIA IN EXCELSIS DEO · ET IN TERRA / PAX HOMINIBVS · BONAE VOLVNTATIS · / LAVDAMVS · TE BENEDICIMVS TE / ADORAMVS TE · GLORIFICAMVS TE / GRATIAS AGIMVS TIBI PROPTER / GLORIAM TVAM MAGNAM, DOMINE / DEVS REX COELESTIS, DEVS PATER / OMNIPOTENS, DOMINE FILI VNI/GENITE IESV CHRISTE ALTISSIME / DOMINE DEVS AGNVS DEI FILIVS / PATRIS, QVI TOLLIS PECCATA / MVNDI MISERERE NOBIS QVI / TOLLIS PECCATA MVNDI SVSCI/PE DEPRECATIONEM NOSTRAM / QVI SEDES AD DEXTERAM / PATRIS MISERERE NOBIS QVONIAM / TV SOLVS SANCTVS, TV SOLVS DO/MINVS TV SOLVS ALTISSIMVS IESV / CHRISTE CVM SANCTO SPIRITV / IN GLORIA DEI PATRIS AMEN 2)

  2. B

    CREDO IN VNVM DEVM PATREM OMNIPOTENTEM FAC/TOREM COELI ET TERRAE VISIBILIVM OMNIVM ET INVI/SIBILIVM, ET IN VNVM DOMINVM IESVM CHRISTVM / FILIVM DEI VNIGENITVM ET EX PATRE NATVM ANTE / OMNIA SAECVLA, DEVM DE DEO, LVMEN DE LVMINE, / DEVM VERVM DE DEO VERO, GENITVM NON FACTVM / CONSVBSTANTIALEM PATRI PER QVEM OMNIA / FACTA SVNT QVI PROPTER NOS HOMINES ET / PROPTER NOSTRAM SALVTEM DESCENDIT DE / COELIS, ET INCARNATVS EST DE SPIRITV SANCTO / EX MARIA VIRGINE, ET HOMO FACTVS EST CRVCI=/FIXVS ETIAM PRO NOBIS SVB PONTIO PILATO PASSVS / ET SEPVLTVS EST ET RESVRREXIT TERTIA DIE SEC/VNDVM SCRIPTVRAS ET ASCENDIT IN COELVM / SEDITa) AD DEXTERAM DEI PATRIS, ET ITERVM / VENTVRVS EST IN GLORIA IVDICARE VIVOS ET MORTVO(S) / CVIVS REGNI NON ERIT FINIS · ET IN SPIRITVM SANC(TVM) / DOMINVM ET VIVIFICANTEM, QVI EX PATRE FILIOQ(VE) / PROCEDIT, QVI CVM PATRE ET FILIO SIMVL ADORATVR / ET CONGLORIFICATVR, QVI LOCVTVS EST PER PROPHETAS / ET VNAM SANCTAM CATHOLICAM ET APOSTOLICAM ECCL=/ESIAM, CONFITEOR VNVM BAPTISMA, IN REMISSIONEM / PECCATORVM, ET EXPECTO RESVRRECTIONEM / MORTVORVM ET VITAM VENTVRI SECVLI 3)

Übersetzung:

Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden den Menschen (seines) Wohlgefallens. Wir loben dich, wir preisen dich, wir beten dich an, wir rühmen dich und danken dir wegen deiner großen Herrlichkeit. Herr Gott, König des Himmels, Gott, allmächtiger Vater, Herr, eingeborener Sohn, Jesus Christus, höchster Herr Gott, Lamm Gottes, Sohn des Vaters, der du die Sünden der Welt hinwegnimmst, erbarme dich unser, der du die Sünden der Welt hinwegnimmst, nimm unser Gebet an, der du sitzest zur Rechten des Vaters, erbarme dich unser. Denn du allein bist heilig, du allein (bist) der Herr, du allein (bist) der Höchste, Jesus Christus mit dem Heiligen Geist in der Herrlichkeit Gottes, des Vaters. Amen. (A) Ich glaube an den einen Gott, den Vater, den allmächtigen Schöpfer des Himmels und der Erde, alles Sichtbaren und Unsichtbaren, und an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn und aus dem Vater geboren vor aller Zeit, Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater, durch den alles geschaffen ist, der für uns Menschen und zu unserem Heil vom Himmel gekommen ist und Fleisch geworden ist durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und Mensch geworden ist. Er wurde auch für uns gekreuzigt unter Pontius Pilatus, hat gelitten und ist begraben worden und ist am dritten Tag auferstanden nach der Schrift und ist aufgefahren in den Himmel. Er sitzt zur Rechten Gottes, des Vaters, und wird wiederkommen in Herrlichkeit, zu richten die Lebenden und die Toten. Seine Herrschaft wird kein Ende haben. Und (ich glaube) an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, der mit dem Vater und dem Sohn zugleich angebetet und verherrlicht wird, der gesprochen hat durch die Propheten, und die eine, heilige, allgemeine und apostolische Kirche. Ich bekenne die eine Taufe zur Vergebung der Sünden, und ich erwarte die Auferstehung der Toten und das Leben der kommenden Welt. (B)

Kommentar

Die Schriftformen, in der die beiden Inschriften ausgeführt sind, weichen deutlich voneinander ab. Die Buchstaben der Inschrift A sind breit ausgeführt und weisen einzelne Elemente der frühhumanistischen Kapitalis wie den gebrochenen Balken des A, den ausgebuchteten Balken des H und eine ausgebuchtete Schräghaste des N auf. Diese Merkmale fehlen in der Inschrift B, bei der es sich um eine reine Kapitalis handelt. Die Buchstaben sind hier aus Platzgründen vergleichsweise schmal ausgeführt und eng aneinandergerückt, L immer mit nach rechts geneigter Haste. Die Ausführung der beiden Inschriften, die durchgängig V-Schreibung aufweisen, deutet auf eine Entstehung der Glasgemälde in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, eine genauere Eingrenzung der Enstehungszeit ist aufgrund der Schriftmerkmale nicht möglich.

Mit der Anbringung zweier wesentlicher Texte der Messliturgie in den Fenstern des Nonnenchors wurden diese den Konventualinnen täglich vor Augen gehalten. Die Messe wurde auch in der Zeit nach der Einführung der Reformation bis zur Klosterordnung von 1619 zumindest teilweise noch in lateinischer Sprache gehalten, wenn auch bereits die Klosterordnung von 1555 für das Glaubensbekenntnis die deutsche Sprache vorsah.4) Man könnte daher annehmen, daß nach dem Amtsantritt der ersten protestantischen Domina Barbara von Appel im Jahr 1565 die Bestimmungen der Klosterordnung befolgt wurden und danach die lateinische Sprache nicht mehr für die inschriftliche Ausführung des Glaubensbekenntnisses gewählt worden ist. Sicher belegen läßt sich dies indes nicht.

Textkritischer Apparat

  1. Statt SEDET.

Anmerkungen

  1. Ohne Inv. Nr.
  2. Liturgischer Text, Ordo Missae, Gloria.
  3. Liturgischer Text, Canon Missae, Credo (Nicaeno-Konstantinopolitanum).
  4. Vgl. hierzu Dose, Klosteralltag, S. 291, u. Oldermann, Kloster Walsrode, S. 86 u. 94.

Zitierhinweis:
DI 76, Lüneburger Klöster, Nr. 169 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di076g013k0016906.