Inschriftenkatalog: Lüneburger Klöster

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 76: Lüneburger Klöster (2009)

Nr. 51 Kloster Wienhausen 1474

Beschreibung

Grabplatte der Äbtissin Katharina von Hoya, in Zweitverwendung.1) Stein. Die Platte liegt im Fußboden der Allerheiligenkapelle vor dem Altar. Im Innenfeld als Reste der ursprünglichen Gestaltung eine stark zerstörte Ritzzeichnung, die vermutlich ein Ehepaar nebeneinander darstellte, erkennbar links noch zwei Beine, rechts daneben die Falten eines langen Gewandes, zu Füßen der Figuren ehemals zwei Wappenschilde, oben im heraldisch rechten Schild möglicherweise Reste einer nicht mehr lesbaren Inschrift. Um den Rand der Platte läuft die eingehauene Inschrift um, deren Buchstaben Reste einer dunklen Füllung zeigen.

Maße: H.: 201 cm; B.: 100 cm; Bu.: 5,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Kloster Wienhausen [1/3]

  1. + anno d(omi)ni m cccc lvi obiit / ludewic dux bauarie et d(omi)na katherina nobilis de hoije hui(us) / monasterii abbatissa / obiit a[(nn)o] d(omi)ni [m] cccc [ – – – ]

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1456 starb Ludwig, Herzog von Bayern, und Frau Katharina, Edle von Hoya, Äbtissin dieses Klosters, starb im Jahr des Herrn 14... .

Wappen:
Braunschweig/Bayern2)?3)

Kommentar

Zu der 1474 verstorbenen Äbtissin Katharina von Hoya, der Tochter des Grafen Otto III. von Hoya und der Mechthild von Braunschweig-Lüneburg, und ihrer Wirkungszeit im Kloster Wienhausen vgl. Nr. 41.

Völlig rätselhaft ist der erste Teil der Inschrift, der sich auf einen 1456 verstorbenen Ludwig von Bayern bezieht. Dieser läßt sich weder in der Familie der Wittelsbacher nachweisen, noch ist er irgendwo in der Überlieferung des Klosters Wienhausen erwähnt. Im Nekrolog des Klosters ist niemand namens Ludwig verzeichnet, und eine verwandtschaftliche Beziehung der Äbtissin Katharina von Hoya zum Hause Wittelsbach läßt sich nicht nachweisen, obwohl auf dem von ihr gestifteten Heiligen Grab ebenfalls das Wappen Bayern vorkommt (vgl. Nr. 44). Auch wenn die Grabplatte im Innenfeld und an der linken Seite stark abgetreten ist, so ist der Sterbevermerk doch gut erhalten, und an der Lesung der Inschrift kann es keinerlei Zweifel geben. Allerdings könnte der Umstand, daß die rechte Rahmenleiste den heute nur noch in Umrissen erkennbaren Wappenschild abzuschneiden scheint, darauf hindeuten, daß die Platte für die Anbringung der Inschrift umgearbeitet wurde. Darauf deutet auch die Form der Wappenschilde hin, die zeitlich ungefähr in das zweite Viertel des 14. Jahrhunderts einzuordnen sind.4) Die Kombination Braunschweig und Bayern in dem Wappen des Mannes trifft nur auf einen der Braunschweiger Herzöge zu, auf Otto III., den Sohn Ottos II. und der Mathilde von Bayern, der mit Mathilde von Mecklenburg verheiratet war. Da Otto III. Bruder der beiden Wienhäuser Äbtissinnen Luthgard II. (1328–1338) und Jutta (1338–um 1343) und Vater der Äbtissin Elisabeth III. (1359–1386) war, wäre es naheliegend, daß man ihm und seiner Ehefrau im Kloster Wienhausen um die Mitte des 14. Jahrhunderts einen Gedächtnisstein gesetzt hätte, der dann nach der Beisetzung der Äbtissin Katharina von Hoya 1474 umgearbeitet und mit der Inschrift versehen worden wäre. Dies erklärt allerdings nicht den ersten Teil der Inschrift, der den Verdacht nahelegt, daß man hier mit Blick auf das Rautenwappen einen Bayernherzog Ludwig erfunden hat. Angesichts des präzisen Todesdatums 1456, das beim Tod der Äbtissin weniger als zwanzig Jahre zurücklag, ist aber auch diese Erklärung nicht sonderlich plausibel.

Anmerkungen

  1. Inv. Nr. WIEN Dc 1.
  2. Der hintere gerautete Teil des Wappens noch gut erhalten, im vorderen Teil nur noch in Ansätzen erkennbar die beiden Braunschweigischen Leoparden.
  3. Wappeninhalt zerstört.
  4. Ich danke Herrn Dr. Harald Drös (Inschriftenkommission Heidelberg) für seine Auskünfte zu den Schildformen und für die Identifizierung des heraldisch rechten Wappens.

Nachweise

  1. Maier, Kunstdenkmale Wienhausen, S. 129.

Zitierhinweis:
DI 76, Lüneburger Klöster, Nr. 51 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di076g013k0005102.