Inschriftenkatalog: Lüneburger Klöster

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 76: Lüneburger Klöster (2009)

Nr. 45 Kloster Wienhausen 1. H. 15. Jh.

Beschreibung

Jagd-Teppich I.1) Wollstickerei auf Leinen. Der 1937 restaurierte Teppich, der im Textilmuseum ausgestellt ist, ist bis auf den fehlenden rechten Rand vollständig erhalten. Er zeigt vier durch Schriftleisten voneinander getrennte Bildstreifen mit Darstellungen von Jagdszenen, wobei jeweils ein Bildstreifen die Hirschjagd, die Einhorn- und Hasenjagd, die Löwenjagd und die Fuchsjagd illustriert. Auf der Randborte wiederholen sich vier von Weinlaub umrankte Wappenschilde. Zwischen den Bildstreifen drei Bänder mit der durchlaufenden Inschrift, deren Buchstaben im Farbwechsel rot/schwarz auf weißem Grund ausgeführt sind, die Worttrenner zumeist in Gelb.

Maße: H.: 188 cm; B.: 278 cm; Bu.: 2,5–4,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Kloster Wienhausen [1/4]

  1. · DESSE · MATHERIE · IN · DESSEME · TEPPEDEa) · DE · IS · VAN / CVNER · IACHT · IN · DEME · WALDE · LOPTb) · DAT · WILT / · WE · DAT · WEL · VAN · DE · MHVTc) · SNELLE · HVNDE · HAN

Übersetzung:

Das Thema dieses Teppichs ist die kühne Jagd. In dem Wald da läuft das Wild. Wer es fangen will, der braucht schnelle Hunde.

Wappen:
GustedtWerderBerveldeSteinberg

Kommentar

Das Wappen mit dem Hirschgeweih wurde seit Schütte immer wieder einer Familie Hirzelin zugeschrieben.2) Dies ist jedoch wenig sinnvoll, da die Beziehung einer solchen Familie zum Kloster Wienhausen nicht zu belegen ist. Mehrfach belegt ist dagegen die Verbindung der Familie von Bervelde zum Kloster Wienhausen im 14. und im 15. Jahrhundert, die ein Hirschgeweih im Wappen führte.3) Mithoff verwies bereits auf einen Eintrag im Nekrolog, wonach Almodis de gustede dem Kloster unter anderem duo tabecia schenkte,4) seither wird diese als Stifterin des Jagd-Teppichs I angesehen. Der Eintrag im Nekrolog muß jedoch keineswegs bedeuten, daß es sich dabei um den Jagd-Teppich handelte, da er zur ältesten Schicht des 1474 unter Rückgriff auf ältere Quellen angelegten Nekrologs gehört und sich daher ebenso auf eine Schenkung im 14. Jahrhundert beziehen könnte.5) Der Jagd-Teppich ist aufgrund der Kleidung der dargestellten Personen in mi-parti mit teilweise gezaddelten Hängeärmeln und kurzen Röcken der Männer auf die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts zu datieren. Die Schrift kann nur insofern zur Datierung beitragen, als daß die grobe Ausführung der gotischen Majuskel auf eine Zeit verweist, in der der sichere Umgang mit den Feinheiten dieser Schrift nicht mehr gegeben war. Im Vergleich zu den Buchstaben in gotischer Majuskel der Teppiche aus dem 14. Jahrhundert, auf deren Gestaltung viel Sorgfalt verwendet wurde, fallen die hier gestickten Buchstabenformen deutlich ab. Die Buchstabengröße schwankt beträchtlich auch innerhalb eines Wortes. Der Bogen des E ist so dick ausgeführt, daß gar kein Platz mehr für den Mittelbalken bleibt, daher sind E und C identisch. Die I weisen zwar noch einen beidseitigen Nodus auf, die dicken Schäfte wirken aber unproportioniert. Eine Besonderheit in der Gestaltung zeigen lediglich die trapezförmigen A mit nach links überstehendem Mittelbalken. Der Farbwechsel innerhalb des verschränkten W kommt hier nicht mehr vor. Der Ausführung der Inschrift entspricht auch die vergleichsweise einfache und schematische Art der Personendarstellung.

Textkritischer Apparat

  1. Bisher nur als TOPPEDE gelesen, da der linke Bogenabschnitt sehr viel dicker gestickt ist als der rechte, gleicht der Buchstabe eher den E als den O in der Inschrift.
  2. Kohwagner-Nikolai liest LOFT, da der Schaft des P unten nach links gebogen ist, und meint hier ein geschlossenes F zu erkennen. Die deutliche Ausführung des Bogens läßt aber keine andere Lesung als ein P zu, zumal LOFT auch keine niederdeutsche Form ist.
  3. Bisher nur als MOVT gelesen; der zweite Buchstabe besteht aus zwei geraden unverbundenen Buchstabenbestandteilen, der rechte leicht gebogen, daher ist die Lesung als H wahrscheinlicher.

Anmerkungen

  1. Inv. Nr. WIEN Ha 7.
  2. So bei Schütte, Bildteppiche, Bd. 1, S. 20f.; Maier, Kunstdenkmale Wienhausen, S. 158; Wilhelm, Bildteppiche, S. 27; Kohwagner-Nikolai, Bildstickereien, S. 228. Mithoff, Kunstdenkmale Fürstentum Lüneburg, S. 281, identifizierte nur die drei anderen Wappen.
  3. Zum Wappennachweis vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Abt. 7, Bd. 3, S. 4 u. Tafel 1. In der Chronik und im Nekrolog finden sich mehrfach Einträge, die sich auf Mitglieder der Familie von Bervelde beziehen, darunter zwei Mitglieder des Wienhäuser Konvents, Anna und Benedicta von Bervelde (Chronik und Totenbuch, p. 78 u. S. LVII). Othraven von Bervelde schenkte dem Kloster in einer Stiftung von 1339 jährlich 2 Mark (ebd., S. L; Klosterarchiv Wienhausen, Urkunde Nr. 275 vom 2. Februar 1339).
  4. Mithoff, Kunstdenkmale Fürstentum Lüneburg, S. 281.
  5. Die Angabe von Kohwagner-Nikolai, Bildstickereien, S. 229, die Schenkung der Almodis de Gustede sei „etwa zur Zeit Katharina von Hoyas“ (1422–1469) erfolgt, ist so nicht zutreffend, da der auf Almodis bezogene Nekrologeintrag von der Hand 2 stammt, der Einträge aus der Zeit von 1227 bis 1514 zugewiesen werden können (vgl. Böttger, Nekrolog, S. 187 u. S. 226). Der Eintrag lautet: dedit nobis sericam casulam flavij coloris cum cruce eleganciore, lineum pannum et duo tabecia. Die ausführliche Beschreibung der Kasel im gleichen Zusammenhang macht es zudem fraglich, ob es sich bei den beiden lapidar erwähnten Stücken tatsächlich um große Wandteppiche und nicht um kleinere Textilien gehandelt hat.

Nachweise

  1. Mithoff, Kloster Wienhausen, S. 11 u. Tafel VIII.
  2. Mithoff, Kunstdenkmale Fürstentum Lüneburg, S. 281.
  3. Schütte, Bildteppiche, Bd. 1, S. 21 u. Tafel 19f.
  4. Maier, Kunstdenkmale Wienhausen, S. 158 u. Abb. 204.
  5. Ricklefs, Bildteppiche, S. 67.
  6. Wilhelm, Bildteppiche, S. 26, Abb. S. 24f.
  7. Kohwagner-Nikolai, Bildstickereien, Nr. 7, S. 228.

Zitierhinweis:
DI 76, Lüneburger Klöster, Nr. 45 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di076g013k0004504.