Inschriftenkatalog: Lüneburger Klöster

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 76: Lüneburger Klöster (2009)

Nr. 41 Kloster Wienhausen 1433–1437

Beschreibung

Kelch.1) Silber, vergoldet, mit Email. Ohne Marken und Beschauzeichen. Der Kelch ist im Museum ausgestellt. Der Achtpaßfuß steht auf einer Sockelplatte und einer hohen geriffelten Zarge. In einem Segment des Achtpasses ein graviertes Kreuz mit plastischem Corpus, am Kreuz der Titulus A. Auf der gegenüberliegenden Seite ist dem Fuß eine kleine oben durch einen Bogen abgeschlossene, emaillierte Tafel aufgesetzt, darauf eine betende Nonne in Dreiviertelfigur. Oberhalb der Tafel die eingravierte Inschrift B. In den Segmenten links und rechts der Tafel je ein aufgelöteter emaillierter Wappenschild. Der Nodus ist außen mit Rosetten besetzt, oben und unten Maßwerkornament. Auf den runden Schaftstücken oben und unten die Inschrift C glatt vor schraffiertem Grund. Die schlichte Kuppa ist weit ausgestellt. Der Kelch weist eine große Ähnlichkeit mit dem ebenfalls von Katharina von Hoya gestifteten Kelch aus dem Kloster Isenhagen auf (Nr. 42), der vermutlich ursprünglich zum Wienhäuser Bestand gehörte (vgl. Kommentar).

Maße: H.: 17,5 cm; Dm.: 13,9 cm (Fuß), 10,8 cm (Kuppa); Bu.: 0,2 cm (A), 0,25 cm (B), 0,8 cm (C).

Schriftart(en): Gotische Minuskel, mit Versal (B).

Kloster Wienhausen [1/4]

  1. A

    i(esus) n(azarenus) r(ex) i(udaeorum) 2)

  2. B

    Katherina comatissa de hoyia / abbatissa in winhusen

  3. C

    · ihesvs · crist(us) // · rex · iudior(um)

Übersetzung:

Katharina Gräfin von Hoya, Äbtissin in Wienhausen. (B)

Wappen:
Braunschweig-Lüneburg3)Hoya

Kommentar

Katharina von Hoya war die Tochter des Grafen Otto III. von Hoya und Bruchhausen und der Mechthild von Braunschweig-Lüneburg. Der Eintritt der Katharina von Hoya in das Kloster Wienhausen ist durch eine wohl kurz danach getätigte Rentenverschreibung ihres Vaters an das Kloster aus dem Jahr 1412 belegt. Widersprüchliche Angaben gibt es zu ihrer Wahl als Äbtissin. Der erst 1692 aufgrund älterer Vorlagen niedergeschriebenen und daher nicht unbedingt zuverlässigen Chronik zufolge wurde Katharina von Hoya erst 1433 sehr jung zur Äbtissin gewählt, wäre daher mit dem Amt überfordert gewesen und hätte nach nur vierjähriger Amtszeit resigniert, mit welcher resignation die conventualinnen woll zu frieden gewesen, ob sie gleich selbige nicht gehoffet hatten.4) Tatsächlich ist Katharina von Hoya jedoch schon in einer kopial überlieferten Urkunde vom 3. Februar 1422 als Äbtissin belegt sowie in einer weiteren im Original überlieferten Urkunde von 1427,5) so daß von Unerfahrenheit nach fünfzehn Amtsjahren nicht die Rede sein konnte. Aus welchem Grund sie 1437 oder kurz zuvor die Amtsgeschäfte an die in einer Urkunde vom 18. April 1437 als Äbtissin genannte Ghese von Eltzen übergab,6) ist nicht bekannt. Nach deren Tod im Jahr 1440 amtierte Katharina von Hoya erneut bis zum November 1469 als Äbtissin. Dann wurde sie abgesetzt, weil sie sich gegen die auf Betreiben Herzog Ottos II. von Braunschweig-Lüneburg durchgesetzte Klosterreform sperrte. Katharina von Hoya wurde vorübergehend im Kloster Derneburg untergebracht, durfte aber 1470 nach Wienhausen zurückkehren, wo sie einem Eintrag im Totenbuch zufolge am 18. Februar 1474 starb.7) Über ihr Alter geben weder die Chronik und der Nekrolog noch die Inschrift ihrer Grabplatte in der Allerheiligenkapelle (Nr. 51) Auskunft. Es ist aber anzunehmen, daß sie aufgrund ihrer hohen gesellschaftlichen Position in sehr jungen Jahren zur Äbtissin gewählt wurde.

In der Chronik des Klosters Wienhausen ist vermerkt, daß Katharina von Hoya nach einer Vision, bei der ihr die heilige Anna erschien und sie ob ihres aufwendigen Lebensstils tadelte, ein für ihre eigenen Zwecke ausgebautes Wohnhaus zur Annenkapelle umbauen ließ. Die Einweihung der Kapelle soll der Chronik zufolge im Jahr 1442, also in der zweiten Amtsperiode der Äbtissin, erfolgt sein.8) Gegen diese legendarisch ausgeschmückte Gründungsgeschichte der Annenkapelle in der Chronik spricht eine Wienhäuser Urkunde vom 13. Dezember 1433, derzufolge die Äbtissin ein von ihr erworbenes und ausgebautes Gebäude in der Nähe des Küsterhauses zur Kapelle der heiligen Anna umwidmete.9) Wenn die Einrichtung der Annenkapelle in die erste Amtsperiode der Katharina von Hoya fiel, spricht vieles dafür, daß auch die beiden vergoldeten Kelche, die die Äbtissin laut Chronik für die Annenkapelle stiftete,10) in der Zeit von 1433 bis 1437 entstanden sind. Da sich im Kloster Wienhausen nur dieser eine von ihr gestiftete Kelch erhalten hat, liegt die Vermutung nahe, daß der ebenfalls von ihr gestiftete und als Gegenstück gestaltete, heute im Kloster Isenhagen befindliche Kelch Nr. 42 ursprünglich ebenfalls zur Annenkapelle des Klosters Wienhausen gehörte. In ihrer zweiten Amtsperiode stiftete Katharina von Hoya das 1448 geweihte Heilige Grab (Nr. 44) für die Annenkapelle, die noch zu ihren Lebzeiten verfiel,11) später an einem anderen Ort wieder eingeweiht12) und schließlich 1531 zusammen mit anderen Klostergebäuden von Herzog Ernst abgerissen wurde.

Anmerkungen

  1. Inv. Nr. WIEN Ea 1.
  2. Io. 19,19.
  3. Wappen Braunschweig-Lüneburg, vierteilig.
  4. Chronik und Totenbuch, S. 12f.
  5. Klosterarchiv Wienhausen, Urkunde Nr. 444 u. 447.
  6. Ebd., Urkunde Nr. 452.
  7. Chronik und Totenbuch, p. 19–21.
  8. Ebd., p. 14.
  9. Zur Gründung der Annenkapelle vgl. a. June L. Mecham, Katharina von Hoyas Saint Anne Chapel. In: Frauen – Kloster – Kunst, S. 177–185.
  10. Chronik und Totenbuch, p. 16f. u. S. XLI.
  11. Klosterarchiv Wienhausen, Urkunde Nr. 503a (1473): Sunte Annen hus vp dem kerkhove ... dat ser vervallen wurde an Alheid von Dageforde übergeben.
  12. Chronik und Totenbuch, p. 37.

Nachweise

  1. Mithoff, Kloster Wienhausen, S. 12f.
  2. Maier, Kunstdenkmale Wienhausen, S. 143 u. Abb. 186a.

Zitierhinweis:
DI 76, Lüneburger Klöster, Nr. 41 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di076g013k0004106.