Inschriftenkatalog: Lüneburger Klöster

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 76: Lüneburger Klöster (2009)

Nr. 40 Walsrode, Gemeindekirche 1437

Beschreibung

Glocke. Bronze. Um den Glockenhals verläuft zwischen Stegen die zweizeilige, erhaben gegossene Inschrift A, vom unteren Steg abhängende Kreuzblumen. Auf der einen Seite des Glockenmantels ein großes Relief, das Maria mit dem Kind auf einem Sockel stehend zeigt, im großen Nimbus die erhaben gegossene Inschrift B, auf der gegenüberliegenden Seite eine entsprechende Darstellung Johannes Baptistas, im Nimbus die Inschrift C. Unterhalb der Mariendarstellung ein Glöckchen, das Meisterzeichen des Glockengießers Gerd Klinge. Die Kronenöhre geflochten. Die Worttrenner in Blütenform.

Maße: H.: 131 cm (mit Krone); Dm.: 140 cm; Bu.: 5,5–6 cm (A, 1. Zeile), 3 cm (A, 2. Zeile), 2,5 cm (B, C).

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Sabine Wehking [1/3]

  1. A

    + anno · d(omi)ni · m° · cccc° · xxxvii° · planga(m)a) · mortvos · gavdeo · vivos · festa · quoque · colo · maria · ek · hete / tempore · helmoldt · buschers · p(rae)positi i(n) walsrode · era(m) · facta · help · got · vt aller · not · vi · ene · veten · nicht · vissers · ven · den · dot ·got · gheve siner · sele · ratde · mi · ghegoten · hatgert : b)

  2. B

    santa · maria

  3. C

    sante · iohanes

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1437. Ich beweine die Toten, ich erfreue die Lebenden, auch feiere ich die Festtage. Ich heiße Maria. Ich bin zur Amtszeit des Walsroder Propstes Helmold Buscher gemacht worden. Hilf Gott aus aller Not, wir kennen nichts Gewisseres als den Tod. Gott helfe der Seele dessen, der mich gegossen hat, Gerd. (A)

Kommentar

Helmold Buscher ist in der Zeit seit 1426 als Propst des Klosters Walsrode nachzuweisen, im Juni 1452 ist er als verstorben genannt.1) Der Bremer Glockengießer Gerd Klinge gehörte einer bekannten norddeutschen Glockengießerfamilie an. Seine Wirkungszeit läßt sich aufgrund seiner Werke auf die Zeit zwischen 1433 und 1474 eingrenzen.2) Von ihm sind zahlreiche Arbeiten im Raum Bremen, Lüneburg, Oldenburg, Ostfriesland und in den Niederlanden überliefert, darunter die Apostelglocke in St. Johannis in Lüneburg aus dem Jahr 1436 und die ursprünglich aus St. Lamberti stammende Katharinenglocke von 1445 in St. Nicolai in Lüneburg. Die Inschriften der beiden Lüneburger Glocken zeigen, daß Gerd Klinge immer wieder auf dasselbe Spruchrepertoire zurückgriff, die Apostelglocke trägt in etwas anderer Anordnung denselben niederdeutschen Spruch wie die Walsroder Glocke.3) Die meisten von Klinge gegossenen Glocken trugen den Namen Maria.4)

Textkritischer Apparat

  1. plango Stuhlmacher. Die Lesung ist eindeutig, über dem begrenzenden Steg ein Kürzungsstrich, plango wäre in Entsprechung zu gaudeo und colo die korrekte Form. Bemerkenswert ist die transitive Verwendung von gaudeo.
  2. Got gheve liv un de sele vraede. Umgegossen Halgert. Stuhlmacher.

Anmerkungen

  1. Stuhlmacher, Geschichte, S. 277.
  2. Vgl. Walter, Glocken, S. 797, u. Barbara Hellwig-Plate, Gherd Klinghe. Ein norddeutscher Erzgießer des 15. Jahrhunderts, Hildesheim 1967 (Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens 69), S. 7. Zur Biographie des Gerd Klinge und zu seinen Werken ausführlich Hellwig-Plate, passim.
  3. Inschriftensammlung Stadt Lüneburg, Inschriftenarbeitsstelle, ADW Göttingen. Vgl. a. Hellwig-Plate (wie Anm. 2), S. 46f., derzufolge Gerd Klinge den Spruch got gheve siner sele rat ... geradezu als Markenzeichen auf seinen Glocken anbrachte.
  4. Hellwig-Plate (wie Anm. 2), S. 45f.

Nachweise

  1. Stuhlmacher, Geschichte, S. 277.
  2. Barbara Hellwig-Plate, Gherd Klinghe. Ein norddeutscher Erzgießer des 15. Jahrhunderts, Hildesheim 1967 (Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens 69), Kat. Nr. 5, S. 168.

Zitierhinweis:
DI 76, Lüneburger Klöster, Nr. 40 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di076g013k0004009.