Inschriftenkatalog: Lüneburger Klöster

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 76: Lüneburger Klöster (2009)

Nr. 79 Kloster Wienhausen 2. H. 15. Jh.

Beschreibung

Elisabeth-Teppich.1) Wollstickerei auf Leinen. Der Teppich, der im Textilmuseum ausgestellt ist, war bis 1939 mit dem Anna-Teppich (Nr. 78) verbunden.2) Ein Fries mit Rankenstab-Ornament trennt zwei hohe Bildstreifen, auf denen Szenen aus dem Leben der heiligen Elisabeth dargestellt sind. Beischriften zu den Szenen befinden sich jeweils auf oben im Bild plazierten gewundenen Schriftbändern. In der 1. Reihe: Geburt der Elisabeth mit Beischrift A, Bad der Neugeborenen mit Beischrift B, Wickeln des Kindes mit Beischrift C, Spaziergang der kleinen Elisabeth mit ihren Eltern, Brautfahrt mit Beischrift D, Elisabeth im Gebet vor einem Altar mit Beischrift E, Elisabeth badet einen Kranken mit Beischrift F, das Kruzifixwunder mit Beischrift G, Elisabeth wird von einem Engel ein Gewand gebracht mit Beischrift H. 2. Reihe: Geißelung mit Beischrift I, das Rosenwunder mit Beischrift J, Elisabeth wird in das Bett des Landgrafen gezwungen mit Beischrift K und den Buchstaben L auf der Bettdecke, Elisabeth wäscht den Armen die Füße mit Beischrift M, Mahl mit dem Landgrafen mit Beischrift N, Elisabeth verschenkt ihren Mantel, Ritt des Landgrafen ins Heilige Land mit Beischrift O, Vertreibung von der Burg mit Beischrift P, Elisabeth wird ins Wasser gestoßen mit Beischrift Q. Die Wörter auf den Schriftbändern sind teilweise in wechselnden Farben gestickt, überwiegend in Rot, die ehemals schwarz gestickten Buchstaben des Schriftbands A nur noch in Kontur zu erkennen. Die Inschriften weisen einige falsch bzw. unvollständig gestickte Buchstaben auf, die das Textverständnis jedoch nicht beeinträchtigen.

Maße: H.: 210 cm; B.: 681 cm; Bu.: 3,5–6 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Kloster Wienhausen [1/5]

  1. A

    dit · [is van · ] svnt(en) · [ilseb(en) · ]

  2. B

    h[ir] · badet · se

  3. C

    hir · wint · svnte · ilsebe

  4. D

    hir · vaita) · se · brwt ·

  5. E

    hir · geit · svntetb) · ylsebe · in · de kerken ·

  6. F

    hir · badet · sedec) · seken ·

  7. G

    hir · klaghet · sin · moime · ouer se

  8. H

    de · enghel // bringhet · er · ein · ghvlden · clet ·

  9. I

    hir · gheislet · se · or · meghede

  10. J

    hir · vraget · he · se · de

  11. K

    hir · warpet · mesec) · orem · heren · in · dat · bedde

  12. L

    i · s / crv d)

  13. M

    hir · wasket · se · den · armen · de · votete)

  14. N

    hir · etet · se · vat

  15. O

    hir · rit · de lantgreve · van · or

  16. P

    nv · wiset · mesec) · va(n) · de(r) · borch

  17. Q

    hir · stot · se ei(n) · vrowe · va(n) · de(m) · steghe

Übersetzung:

Dies handelt von der heiligen Elisabeth. (A) Hier badet sie. (B) Hier weint die heilige Elisabeth. (C) Hier fährt sie als Braut. (D) Hier geht die heilige Elisabeth in die Kirche. (E) Hier badet sie die Kranken. (F) Hier klagt seine (des Landgrafen) Verwandte über sie. (G) Der Engel bringt ihr ein goldenes Gewand. (H) Hier geißeln sie ihre Mägde. (I) Hier fragt er sie die ... . (J) Hier wirft man sie ihrem Herrn in das Bett. (K) Hier wäscht sie den Armen die Füße. (M) Hier ißt sie etwas. (N) Hier reitet der Landgraf von ihr. (O) Nun weist man sie von der Burg. (P) Hier stößt eine Frau sie von der Brücke. (Q)

Kommentar

Die Datierungen des Teppichs gehen weit auseinander und reichen vom ersten bis zum letzten Viertel des 15. Jahrhunderts. Kohwagner-Nikolai datiert ihn zusammen mit dem Anna-Teppich in die Zeit vor dem Tod der Katharina von Hoya 1469, da sie die Äbtissin als Auftraggeberin ansieht (vgl. dazu Nr. 78).3)

Die Bedeutung der auf der Bettdecke angebrachten Buchstaben (Inschrift L) läßt sich nicht klären, es sei denn, man würde sie zu i(esu)s crv(cifixus) auflösen, was jedoch in diesem Zusammenhang nicht besonders wahrscheinlich ist. Die Beischriften sind teilweise derart lapidar formuliert, daß sie nur das wiederholen, was der Betrachter ohnehin schon sieht und keine zusätzlichen Informationen liefern. Den eigentlichen Zweck dieser Form der Inschriften, die Erklärung des Dargestellten, erfüllen sie kaum, sondern setzen bereits eine detaillierte Kenntnis der Heiligenlegende zum wirklichen Verständnis der Szenen voraus.

Textkritischer Apparat

  1. Statt vart.
  2. Statt svnte.
  3. Die zweimalige Ausführung von men se als mese und die Ausführung von sede ohne Spatium und Worttrenner könnte darauf hindeuten, daß hier im Entwurf eine umgangssprachliche Verwendung umgesetzt wurde, die beide Wörter zusammenzog.
  4. Kohwagner-Nikolai liest ohne Berücksichtigung der Reihenfolge und der Verteilung auf zwei Zeilen die Buchstaben als i oder l (für eine Lesung als l ist der Schaft oben zu deutlich nach links umgebrochen und der Buchstabe zu kurz); e oder c oder Schaft-s (der Vergleich mit dem folgenden r weist den Buchstaben mit oben abgeknickter und unten umgebrochener Haste eindeutig als c aus); c (der Buchstabe besteht aus einer unten umgebrochenen Haste, das oben angesetzte Quadrangel ist hier rund geraten, daher kommt im Vergleich zum vorangegangenen, oben spitzen c hier nur ein r in Betracht); v; rundes s (entspricht der Lesung hier).
  5. Statt voete, als Lesung möglich, aber ebensowenig korrekt wäre auch voter.

Anmerkungen

  1. Inv. Nr. WIEN Ha 13.
  2. Dazu sowie zum Erhaltungszustand und den Einzelheiten der künstlerischen Gestaltung vgl. Kohwagner-Nikolai, Bildstickereien, Nr. 13, S. 245–247.
  3. Kohwagner-Nikolai, Bildstickereien, Nr. 13, S. 248. Dort Ausführliches zu den verschiedenen Datierungsansätzen wie auch zu den Vorlagen (S. 247f.).

Nachweise

  1. Schütte, Bildteppiche, Bd. 1, S. 24–26, Tafel 25–28.
  2. Maier, Kunstdenkmale Wienhausen, S. 160 u. Abb. 211.
  3. Wilhelm, Bildteppiche, S. 45, Abb. S. 43 u. 46/47.
  4. Kohwagner-Nikolai, Bildstickereien, Nr. 13, S. 246.

Zitierhinweis:
DI 76, Lüneburger Klöster, Nr. 79 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di076g013k0007907.