Inschriftenkatalog: Lüneburger Klöster

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 76: Lüneburger Klöster (2009)

Nr. 60 Kloster Ebstorf 4. V. 15. Jh.

Beschreibung

Lesepultdecke.1) Leinen mit Stickerei. Die querrechteckige Decke, die in der Schatzkammer ausgestellt ist, zeigt Maria mit dem Einhorn in dem von einer sechsseitigen Mauer eingefaßten Hortus conclusus, links vor dem Eingangstor der Erzengel Gabriel als Jäger mit vier Hunden. Er hält ein Horn, aus dem ein Schriftband mit der Inschrift A hervorgeht, den Hunden sind die Schriftbänder B–E zugeordnet. Weitere Schriftbänder vorne an der Gartenmauer (F), G unter dem goldenen Gefäß – hier als Eimer dargestellt –, das auf dem Kleid Marias steht, H neben dem ausgebreiteten Fell Gideons, I unter dem Brunnen, J unter der im Hintergrund über einem Hügel aufgehenden Sonne, K über der auf einem blühenden Stab sitzenden Taube links neben der Sonne, L über dem brennenden Dornbusch, in dem Gott erscheint, in der oberen rechten Bildecke. Die mit schwarzen Fäden gestickten Inschriften A, K und L sind weitgehend zerstört, die mit roten Fäden gestickten übrigen Inschriften sind deutlich besser erhalten. Eingefaßt wird die Szene durch einen umlaufenden Rankenstreifen mit verschiedenen Blumen darin.

Maße: H.: 31 cm; B.: 44 cm; Bu.: 0,5 cm.

Schriftart(en): Minuskel mit Versalien.

Kloster Ebstorf [1/3]

  1. A

    [Ave Gra]cia Pl[ena ......]a) 2)

  2. B

    veritas

  3. C

    Pax

  4. D

    Mi(sericordi)a

  5. E

    Justitia

  6. F

    Ort(us) co(n)clusus

  7. G

    Vrna au(re)a

  8. H

    Vell(us) gedeo(n)is

  9. I

    fo(n)s signat(us)

  10. J

    sol justicie

  11. K

    [...ga a..]b)

  12. L

    [...mos.]c)

Übersetzung:

Sei gegrüßt, Gnadenreiche. (A) Die Wahrheit. (B) Der Frieden. (C) Die Barmherzigkeit. (D) Die Gerechtigkeit. (E) Der verschlossene Garten. (F) Das goldene Gefäß. (G) Das Vlies des Gideon. (H) Der versiegelte Brunnen. (I) Die Sonne der Gerechtigkeit. (J) (Der Stab Aarons.) (K) (Der Busch des) Moses. (L)

Kommentar

Die Inschriften F–L bezeichnen die hier in die Szene eingefügten Sinnbilder aus dem Alten Testament, die in typologischem Bezug zur jungfräulichen Empfängnis Marias stehen: der verschlossene Garten (Ct. 4,12), das goldene Gefäß mit Manna (Ex. 16,32f.), das betaute Vlies Gideons (Idc. 6,37f.), der versiegelte Brunnen (Ct. 4,12), die Morgenröte in Gestalt der aufgehenden Sonne (Ct. 6,9), der erblühende Stab Aarons (Nm. 17,23) und der brennende Dornbusch (Ex. 3,4). Die im 15. Jahrhundert in der Tafelmalerei wie auf Textilien im deutschsprachigen Gebiet verbreitete Darstellung, die immer wieder denselben Grundbestand an Inschriften aufweist, steht in engem Zusammenhang mit den in der Biblia Pauperum hergestellten Bezügen zwischen der jungfräulichen Empfängnis und den genannten Bibelstellen aus dem Alten Testament.3)

Textkritischer Apparat

  1. Die Buchstaben in den eckigen Klammern nur noch andeutungsweise zu erkennen.
  2. Reste der Bezeichnung als virga aron, nicht mehr sicher zu erkennen.
  3. Reste der Bezeichnung als rubus moysi, nicht mehr sicher zu erkennen.

Anmerkungen

  1. Inv. Nr. EBS Hb 8.
  2. Lc. 1,28.
  3. Vgl. Cornell, Biblia Pauperum, S. 249–255. Zu den verschiedenen Bildtypen Robert L. Wyss, Vier Hortus Conclusus-Darstellungen im Schweizerischen Landesmuseum. In: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 20, 1960, S. 113–124 u. Tafel 47–52.

Nachweise

  1. Schütte, Bildteppiche, Bd. 2, S. 35f. u. Tafel 24.

Zitierhinweis:
DI 76, Lüneburger Klöster, Nr. 60 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di076g013k0006001.