Inschriftenkatalog: Stadt Lemgo

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 59: Lemgo (2004)

Nr. 81(†) Kramerstr. 5 1576

Beschreibung

Steinhaus mit Staffelgiebel, zweigeschossig. 1977 bis 1979 nach Auskernung weitgehend in der ursprünglichen Baugestalt wiederhergestellt.1) Fassade nach Osten zur Kramerstraße, Bruchstein, verputzt, mit Werksteinzierat aus überwiegend rötlichem Sandstein. Der untere Fassadenteil gliedert sich in Erd- und Zwischengeschoß mit Erker rechts und profiliertem Torbogen in der Mitte. Am Sockel links neben dem Torbogen ist ein Datum mit Initialen (A) eingehauen. Der viergeschossige Giebel wird von offenem Maßwerk mit Eckfialen konturiert. In der Mitte des obersten Giebelfeldes befindet sich ein Blendnischenpaar, darin erhaben gehauen ein Sprichwort mit Datum (B) zeilenweise über beide Nischen fortlaufend. Das Maßwerk der Staffeln umschließt jeweils Flachreliefs: im ersten Geschoß die Lippische Rose links und der Waldecker Stern rechts, im zweiten Geschoß die umkränzten Wappen der Hausbesitzer jeweils mit erhaben gehauenen Initialen (C, D); im dritten Geschoß links ein Pentagramm, rechts ein Hexagramm. Die Inschriften am Giebel sind erhaben ausgeführt. 1977 bis 1979 wurden nahezu sämtliche Zierteile des Giebels wegen fortgeschrittener Verwitterung durch Kopien ersetzt,2) darunter wohl auch die beiden Wappenreliefs, deren guter Erhaltungszustand im Vergleich mit der originalen Nischeninschrift (B) auffällt. Sämtliche Inschriften sind farbig gefaßt, A in Gold, B, C und D in Gold auf Blau. Laut BKD Lemgo befand sich auf einem vom Nebenhaus verdeckten Türgewände der Südseite des Hauses eine weitere, bei einem Mauerdurchbruch in jüngster Zeit verlorengegangene Inschrift, ein gekürztes Nomen sacrum (E).

Inschrift E nach BKD Lemgo.

Maße: Bu. 4,2 cm (A), ca. 8–10 cm (B), ca. 7–8 cm (C, D).

Schriftart(en): Kapitalis.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/5]

  1. A

    C . H . ANNO D(OMIN)J 1576

  2. B

    WOL // GODT / VOR//TRVET /DE HE//FT WOL / GEBV//WET · / 3)A(NN)O D(OMIN)I // 1 · 576 ·

  3. C

    K(arsten) // W(ippermann)

  4. D

    L(ineke) // B(rautlacht)a)

  5. E†

    JH(ESU)S

Übersetzung:

Wer Gott vertraut, der hat wohl gebaut. Im Jahr des Herrn 1576. (B)

Wappen:
Wippermann4)Brautlacht5)

Kommentar

Kennzeichnend für die Kapitalis sind in Inschrift A N mit geschwungener Schräghaste und D mit oben und unten über den Schaft hinausgehendem Bogen. Die Inschrift B zeigt schrägliegende Buchstaben, ovales O, D wie in Inschrift A und als offenes D, dessen oberes Bogenende über den Schaft hinausgeht, R mit großem Bogen und nach unten durchgebogener Cauda, B mit einander nicht berührenden Bögen, die Schaft- und Bogenenden zumeist keilförmig verbreitert. Die Ziffern sind in beiden Jahreszahlen sehr ähnlich gebildet.

Der Gottvertrauen ausdrückende Text der Inschrift B ist der Beginn eines Kirchenliedes, war davon losgelöst jedoch auch als Sprichwort verbreitet.3)

Die Inschrift neben dem Torbogen (A) ist vielleicht die Signatur des unbekannten Baumeisters, in dem ein Stadtbaumeister namens Christian Halfwassen vermutet wird.6) Bauherr des Hauses war der Kaufmann Karsten (Christian) Wippermann (* um 1523, † 28. 5. 1598) aus der alten Lemgoer Patrizierfamilie Wippermann. 1548 oder um 1559, zur Zeit seiner Bürgeraufnahme in Lemgo, heiratete er Lineke Brautlacht († nach 1605), Tochter des Godeke Brautlacht und der Adelheid Lesemann.7) Seit 1567 war er Mitglied des Lemgoer Kaufmannsamts.8) Die Eheleute, deren von Initialen begleitete Wappen am Giebel angebracht sind, ließen im Jahr 1576 das aufwendige Steinhaus errichten. Karsten Wippermann soll bereits vorher in der Nähe, Am Markt 4, wohnhaft gewesen sein.9)

Textkritischer Apparat

  1. D R Zeiß.

Anmerkungen

  1. BKD Lemgo, S. 731.
  2. Einzelberichte 1977–79, S. 546. Es wurden für die Restaurierung Kopien in Sandstein angefertigt. Horst Wrenger, „Haus Wippermann“ – Sanierungswerk mit Überraschungen. In: LH 11, 1980, S. 26–28, hier S. 27. BKD Lemgo, S. 731.
  3. Wander, Sprichwörterlexikon, Bd. 2, Sp. 90, Nr. 2200; Wackernagel, Kirchenlied, Bd. 3, Nr. 1213, S. 1042f. Zur Verwendung als Hausinschrift vgl. Nr. 50, zum Kirchenlied vgl. Nr. 174.
  4. Wappen Wippermann (mit achtstrahligem Stern zwischen den Initialen K W belegter Balken, begleitet von 3 Stechringen, 2:1).
  5. Wappen Brautlacht (Hausmarke BKD Lemgo, S. 975, Nr. 38).
  6. BKD Lemgo, S. 732. Christian Halfwassen ist bislang in den maßgeblichen Publikationen und Lemgoer Archivalien nicht nachweisbar. Gaul, Schloß Brake, S. 91, nennt unter Lemgoer „Stadtmaurermeistern“, die so gut wie ausschließlich Maurerarbeiten für die Stadt ausführten, einen Johann Halfwassen (1578–86). Als offizieller Stadtbaumeister sei jedoch erst Georg Crosmann im Januar 1612 gewählt worden, dem schon bald nach Crosmanns Tod (März 1612) Johann Roleff nachfolgte.
  7. Zur Biographie: BKD Lemgo, S. 729. Fritz Waldeyer, „Haus Wippermann“ Kramerstraße 5/7. Rampendaler Bauerschaft 115/116. In: LH 11, 1980, S. 2–31, hier S. 28. Werner Rodewald, Die Abstammung des Lemgoer Carsten Wippermann. In: MLG 40, 1971, S. 195–198. Brenker/Meyer, Stammtafeln, S. 223, Nr. 25. Schepper, Wippermann, S. 207 u. 215f. – Vermutlich war Karsten Wippermann ein Sohn des Lemgoer Bürgermeisters Ernst von der Wipper (* um 1500, † 1590) aus erster Ehe.
  8. Matrikel des Kaufmannsamtes, Nr. 583.
  9. BKD Lemgo, S. 729, nach Waldeyer (wie Anm. 7), S. 28. – Ein Carstien Wipperman ist für 1563 unter den Bürgern der Nikolai-Bauerschaft, zu der auch die Hausstätte Am Markt 4 gehörte, belegt; vgl. Bürgerbuch, Nr. 462.

Nachweise

  1. BKD Lemgo, S. 732 (A) mit Abb. 852, S. 735 (B, C, D), S. 736 (E).
  2. Zeiß, Zeichnung, dat. 1863, LLB Detmold, Lippe-Bildsammlung, 4 L 94 (B, C, D).
  3. Hausinschriften in Lemgo. In: Lemgoer Sonntagsblatt 1880, Nr. 6, 7. November (B).
  4. Preuß, Alterthümer2, S. 67 (B).
  5. Wehrhan, Hausinschriften, S. 53 (B).
  6. Sauerländer, Alte Hausinschriften (B).
  7. Rädeker, Häuser, S. 68 (B).
  8. Fritz Waldeyer, „Haus Wippermann“ Kramerstraße 5/7. Rampendaler Bauerschaft 115/116. In: LH 11, 1980, S. 29 (B).

Zitierhinweis:
DI 59, Lemgo, Nr. 81(†) (Hans Fuhrmann, Kristine Weber, Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di059d006k0008105.