Inschriftenkatalog: Stadt Lemgo

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 59: Lemgo (2004)

Nr. 42 Breite Str. 5 1. H. 16. Jh.

Beschreibung

Sturzstein. Das Fragment aus gelblichem Sandstein wurde 1974 bei Umbauarbeiten am Haus Mittelstr. 56 an der Nordseite unter der Hoftreppe gefunden.1) Der verwitterte, stark bemooste Stein steht heute auf dem Grundstück Breite Str. 5. Der querrechteckige Sturzstein mit Pfostenansätzen an der Unterkante ist an der Vorderseite zu drei Vierteln von Flachreliefschmuck in eingetieftem Feld bedeckt: ganz links angeschnitten das Wappenbild Corvey, ein Henkelkorb mit einem Ei darin, ohne Wappenschild, rechts daneben der zugehörige, erhaben ausgeführte Name, den Abschluß rechts bildet ein Medaillon mit Wappenschild. Der linke Teil des Steins ist vermutlich für eine Verwendung zu Bauzwecken abgeschlagen. Am Rand über der Inschrift ist ein Steinmetzzeichen eingehauen.2)

Maße: H. 33 cm; B. 130 cm; Bu. 12 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/1]

  1. · korueige

Wappen:
unbekannt3)

Kommentar

Schriftgeschichtlich ist der Stein mit der in einer Spätform der gotischen Minuskel ausgeführten Inschrift mit einiger Wahrscheinlichkeit in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts einzuordnen, da seit der Mitte des 16. Jahrhunderts die Kapitalis in Steininschriften zur vorherrschenden Schriftart wird.

Das Fragment überliefert die rechte Hälfte eines Sturzsteins vom Außenbau eines Hauses. Die Vermutung, dieser stamme vielleicht von der Fassade des Hauses Mittelstr. 56,4) läßt sich durch Zeichnungen und Fotografien der Straßenfront, die im späteren 19. Jahrhundert vor deren Umgestaltung 1898 entstanden, nicht bestätigen. Zwar sind über dem Torbogen dieses Hauses Baujahr und Wappen der Eheleute Johann Koch und Anna Corvey angebracht (vgl. Nr. 47), doch die Schlußfolgerung, mit der linken, heraldisch rechten Hälfte des Sturz-Fragments seien wohl Wappen und Familienname des Johann Koch verloren, überzeugt nicht. Die erhaltene Anordnung von Corvey-Wappenbild und zugehöriger Inschrift spricht eher dafür, daß die verlorene linke Steinhälfte den Vornamen des betreffenden Mitglieds der Familie Corvey trug, deren Wappenbild die Sturzmitte bildete. Fritz Waldeyers Bestimmung des heraldisch weit verbreiteten Lilienmotivs als Familienwappen der Leist setzt verwandtschaftliche Verbindungen voraus, die in den einschlägigen Lemgoer Quellen bislang nicht nachweisbar sind.5) Merkwürdig ist die Tatsache, daß nur die Lilie als Wappenbild im Schild steht, wohingegen das vergleichsweise plastischer gearbeitete Corvey-Wappenbild keinen Schild besitzt. Die Provenienz des Fragments ist also nicht näher bestimmbar; naheliegend wäre wegen des Bezugs zur Familie Corvey und des Fundorts eine ehemalige Zugehörigkeit zu den Häusern Mittelstr. 56 oder 58.

Anmerkungen

  1. BKD Lemgo, S. 838, ohne Kenntnis des aktuellen Standortes.
  2. BKD Lemgo, S. 836, Nr. 125. Dieses Steinmetzzeichen, sonst in Lemgo nicht weiter nachweisbar, findet sich laut BKD Lemgo, S. 834f., in Bad Salzuflen an der Nordostseite des Rathauses bei zwei umkränzten Wappenmedaillons.
  3. Wappen unbekannt (Lilie).
  4. BKD Lemgo, S. 838.
  5. Fritz Waldeyer, Kaminaufsatz. Träger der Corveyschen Familiengeschichte. In: LH 23, 1983, S. 17f., ohne Quellenbelege. Gegen seine Deutung des Fragments als Kaminaufsatz sprechen die Pfostenansätze und die Disposition von heraldischem Schmuck und Inschrift. Die eheliche Verbindung zwischen dem Ratsherrn und Siegler Hermann Corvey, dem mutmaßlichen Bauherrn des Hauses Mittelstr. 58, und einer Tochter des von 1547 bis 1555 amtierenden Lemgoer Bürgermeisters Hans Leist hat sich archivalisch bislang nicht bestätigen lassen.

Nachweise

  1. Fritz Waldeyer, Kaminaufsatz. Träger der Corveyschen Familiengeschichte. In: LH 23, 1983, S. 17f. mit Abb. 1009. BKD Lemgo, S. 839, Abb. 1009.

Zitierhinweis:
DI 59, Lemgo, Nr. 42 (Hans Fuhrmann, Kristine Weber, Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di059d006k0004205.