Inschriftenkatalog: Stadt Lemgo
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 59: Lemgo (2004)
Nr. 152 Schuhstr. 24 1601
Beschreibung
Schwellbalken. Giebelständiges Fachwerkhaus mit Erd- und Zwischengeschoß. Die Fassade zur Schuhstraße ist durch Umbau 1938 stark verändert. Nur der zweigeschossige, dreifach vorkragende Giebel weist noch Zierschnitzereien an den Schwellbalken und Füllhölzern auf.1) Beide Schwellbalken tragen Inschriften, in zeilenhoch eingetieftem Schriftfeld erhaben geschnitzt, in Gold auf Blau gefaßt: oben eine Bauinschrift (A) und Textreste, die vielleicht Teil einer erbaulichen Sentenz waren (B), unten eine erbauliche Belehrung mit Datum (C). Ob die heute farbig hervorgehobenen Buchstaben tatsächlich dem Originalbefund entsprechen, ist mehr als fraglich. Die auf diesem Teil des Balkens in Ansätzen erkennbaren erhaben geschnitzten Buchstaben sprechen eher dafür, daß hier ursprünglich ein ganz anderer Text stand. Auch die Inschrift C ist durch eine Renovierung verändert worden, da die Umlaute ö und ü nicht zum Originalbefund gehören.
Maße: Bu. ca. 10 cm.
Schriftart(en): Kapitalis (A), Fraktur (B).
- A
HERMAN PROT [....] FIEREa) FECIT
- B
[.....] WERCK DES HERRN[ – – – ] b)
- C
pred(iger) Sal(omo) vii . Am guten tage sey guter ding den bösen tag nimbc) auch für goet . den desen schaft Got neben ienem das der mensch nicht wissen sol . was künftig ist . d) 2) A(nno) D(omini) 1601 :
Übersetzung:
Herman Prott ließ (dies) erbauen. (A)
Textkritischer Apparat
- Falsch für FIERI.
- Der größte Teil der Inschrift ist erneuert. Einzelne Buchstabenteile der ursprünglich über den ganzen Balken verlaufenden Inschrift sind noch schemenhaft zu erkennen: unmittelbar rechts neben FECIT ein A, das eindeutig gegen die heute farbig ausgeführte Inschrift spricht. Links neben dem Wort WERCK ein doppelstöckiges Z, rechts neben dem Wort HERRN nicht mehr entzifferbare Buchstabenreste, die durch eine Blattranke überdeckt werden.
- Die Oberlänge des b ist nicht farbig hervorgehoben, so daß heute nimo lesbar ist.
- In der ursprünglichen Fassung dürfte es bosen, fur und kunftig geheißen haben. Die Umlaute sind erst später hinzugefügt worden.
Anmerkungen
- Vgl. BKD Lemgo, S. 923f., auch zur Ornamentik.
- Pr 7,15.
- Stiewe, Bürger, S. 117–119.
- Bürgerbuch, Nr. 3006, 3067, 10179, 10204, 10241, 10265, 10290, 10314, 10337, 10361, 10372, 10395. Hinweise auf seine vor 1583 zurückreichende Ratsmitgliedschaft bietet die Matrikel des Lemgoer Kaufmannsamtes (Nr. 609 u. 636), wonach ein Hermann Prott 1572 als Kämmerer und 1582 als Siegler seine Söhne in das Amt aufnahm.
- Dazu: BKD Lemgo, S. 46–50. Der Konflikt wurde erst 1617 mit dem Röhrentruper Rezeß beigelegt. Vgl. a. Nr. 172, Kommentar.
- Bürgerbuch, Nr. 3067.
- Sta Lemgo, Plögersche Sammlung (Prott); A 3465 (Dok. 49 vom 24. Mai 1598, betrifft an Johann Erpbrockhausens Haus Mittelstr. 29 geplanten Ausluchtbau).
- Bürgerbuch, Nr. 2802. Sein Vater hieß Dietrich.
- Zur Person Sta Lemgo, Plögersche Sammlung (Prott). Die abweichende Lageangabe des Prottschen Hauses in der Schuhstraße für 1620 spricht gegen die Identifizierung des Bauherrn mit dem zweiten Hermann Prott, Dietrichs Sohn. Allerdings gibt es nach bisherigem Kenntnisstand auch keinen archivalischen Nachweis für den Siegler und Bürgermeister Hermann Prott als Bauherrn.
Nachweise
- Sauerländer, Alte Hausinschriften (B).
- Pahmeier/Süvern, ILL Lemgo, TB 21–48.
- Rädeker, Häuser, S. 71.
- BKD Lemgo, S. 923f. mit Abb.
Zitierhinweis:
DI 59, Lemgo, Nr. 152 (Hans Fuhrmann, Kristine Weber, Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di059d006K0015206.
Kommentar
Als Bauherr des 1601 datierten Fachwerkhauses gilt der städtische Siegler und spätere Bürgermeister Hermann Prott († 1610).3) Dieser war seit 1583 Ratsmitglied und bekleidete zwischen 1599/1601 und 1609 wiederholt das Bürgermeisteramt.4) Im Jahr 1609, während der sogenannten Lemgoer Revolte gegen die konfessionelle Bevormundung durch den lippischen Landesherrn, wurde Prott abgesetzt und von der Bürgerschaft unter Hausarrest gestellt, weil er den sogenannten Pfingstvertrag (6. Juni 1609) mit unterzeichnet hatte, mit dem in der lutherischen Stadt der Kalvinismus durchgesetzt werden sollte.5) Prott, der in erster Ehe mit Adelheid Dreier und in zweiter Ehe mit Anna Seger, der Witwe des Dietrich Kleinsorge (vgl. Nr. 140), verheiratet war, starb am 4. März 1610.6)
Gegen eine Identifizierung des Bauherrn mit dem Bürgermeister Hermann Prott könnte sprechen, daß dieser 1598/99 an der Mittelstraße (später Mittelstr. 31, vgl. Nr. 127) als Nachbar von Johann Erpbrockhausen archivalisch nachweisbar ist.7) Zugleich ist um 1600 ein weiterer Hermann Prott († nach 1637) in Lemgo zu belegen, der vermutlich im September 1593 das Bürgerrecht erwarb.8) Er war im Jahr 1601 Rentmeister der Wollwebergilde, vertrat 1627 als Meintherr das Wandmacheramt im Rat und besaß mit seiner Frau Anne 1620/27 ein Haus an der Schuhstraße in der Heiliggeist-Bauerschaft, allerdings wohl an der Nordseite, wohingegen das Haus Nr. 24 an der Südseite steht.9)