Inschriftenkatalog: Stadt Lemgo
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 59: Lemgo (2004)
Nr. 147 St. Nikolai 2. H. 16. Jh.
Beschreibung
Gewölbemalereien im Mittelschiff. Im von Westen aus zweiten Joch des Mittelschiffs wurden 1961 Malereien verschiedener Entstehungszeit aufgedeckt. In den Zwickeln der Gewölbekappen Reste mittelalterlicher Dekoration in Form eines rot-weißen Rautenmusters, oberhalb davon eine deutlich jüngere Ausmalung, die bei der Restaurierung 1961/62 teilweise überstrichen wurde.1) In jeder Gewölbekappe erwächst aus dem Scheitel des tragenden Bogens eine kleine Rankenpflanze, über der je eine Glaubensaussage (A, B) oder Verheißung (C, D) aus der Bibel angebracht ist (A – Osten, B – Süden, C – Westen, D – Norden). Die Scheitelzone des Gewölbes füllte heute wieder übermaltes Rankenwerk mit figürlichen Darstellungen darin aus, auf die sich die Bibelsprüche darunter bezogen, wie der Harfe spielende König David in der Südkappe (zu B) zeigt.2) Die Inschriften wurden im Rahmen der Restaurierung teilweise ergänzt.
Maße: Bu. ca. 15 cm.
Schriftart(en): Kapitalis.
- A
DAT EVANGELIVM VON CHRISTO IS EINE KRAFFT GODES / DE DAR SALICH MAKET ALLE DE DAR AN GELOVEN . 3)
- B
PSAL · 119 / WEN DIN WORT OPENBAR WERT SO ERFROVIHETa) IDT / VNDb) MAKET WISS DE EINTFOLDIGEN 4)
- C
IOHAN / WARLIKEN WARLIKEN SEGGE ICK JVW SO JEMANT / MINWORT WERT HOLDEN DE WERT DEN DODT / NICHT SEENEWICHLICK 5)
- D
LVC · II · / SALICH SINT DE DE DAT WORDT GODES / HOREN VND BEWAREN 6)
Übersetzung:
Das Evangelium von Christus ist eine Kraft Gottes, die da selig macht alle, die daran glauben. (A)
Psalm 119: Wenn dein Wort offenbar wird, so erfreut es und macht die Einfältigen klug. (B)
Johannes: Wahrlich, wahrlich ich sage euch, wenn jemand mein Wort halten wird, der wird den Tod nicht sehen ewiglich. (C)
Lukas 11: Selig sind die, die das Wort Gottes hören und bewahren. (D)
Textkritischer Apparat
- Wahrscheinlich falsch restauriert und ursprünglich ERFROWHET.
- Anstelle von VND wohl ursprünglich VNDE; eine Fotografie von 1961 (WAfD Münster) zeigt noch Reste eines weiteren Buchstabens, vermutlich den Mittelbalken des E.
Anmerkungen
- Einzelberichte 1953–61, S. 138. BKD Lemgo, S. 196.
- Abb. des 1961 freigelegten Zustands in BKD Lemgo, S. 197, Abb. 151.
- Rö 1,16.
- Ps 119,130.
- Jh 8,51.
- Lk 11,28.
- BKD Lemgo, S. 196.
- Ebd., S. 156.
Nachweise
- BKD Lemgo, S. 196f.
Zitierhinweis:
DI 59, Lemgo, Nr. 147 (Hans Fuhrmann, Kristine Weber, Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di059d006k0014701.
Kommentar
Die BKD Lemgo datieren die Wandmalerei, zu der die Inschriften gehören, auf die Jahre 1665-1670 mit der Begründung, daß dieses Gewölbe durch den Absturz des südlichen Turmhelms beschädigt und daraufhin neu verputzt und bemalt worden sei.7) Diese Behauptung steht in einem gewissen Widerspruch zu der im selben Band getroffenen Feststellung, daß die Beschädigung durch den Turmabsturz nur das Gewölbe des Seitenschiffs am Turm betraf.8) Das östliche Mittelschiffjoch kann somit kaum in Mitleidenschaft gezogen worden sein, und damit spricht in dieser Hinsicht nichts gegen eine frühere Entstehung der Wandmalereien, deren Inschriften fast durchgängig niederdeutsche Formen zeigen. Das zweimal verwendete hochdeutsche VND anstelle von niederdeutsch VNDE geht offenbar auf einen Restaurierungsfehler zurück, ebenso wohl EINTFOLDIGEN. Sowohl die niederdeutsche Sprachform als auch die durchgängig verwendete V-Schreibung für vokalisches U sprechen für eine deutlich frühere Datierung als 1665–1670. Danach wären die Wandmalereien mit einiger Wahrscheinlichkeit auf die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts, höchstens noch auf das erste Viertel des 17. Jahrhunderts zu datieren. Auch der Inhalt der Inschriften, die das Wort Gottes ins Zentrum des Betrachters rücken und damit zu den Kernsätzen der Reformation gehören, passen besser in das 16. Jahrhundert als in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts. Die heute übermalten figürlichen Darstellungen innerhalb des Rankenwerks sprechen ebenfalls nicht gegen eine solche Datierung.