Inschriftenkatalog: Stadt Lemgo

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 59: Lemgo (2004)

Nr. 94 Rathaus, Saalbau / Weserrenaissance-Museum Schloß Brake um 1580

Beschreibung

Drei Brüstungsplatten mit Tugendreliefs, möglicherweise vom Haus Breite Str. 10. Gelblicher Sandstein. Die Spes und Caritas darstellenden, gut erhaltenen Reliefs, die sich spätestens seit Ende des 18. Jahrhunderts im Haus Breite Straße 27 befanden, wurden 1967/68 im Rathaus-Saalbau an der Ostwand der Eingangshalle eingesetzt.1) Heute ist das Relief der Spes am mittleren, das der Caritas am südlichen der drei Fensterpfeiler im Saalbau angebracht. Das Relief der Patientia war früher in eine Mauer neben dem Grundstück Breite Str. 10 eingelassen und befindet sich heute im Weserrenaissance-Museum Schloß Brake.2) Die Plattenränder sind rundherum bestoßen, besonders der untere Reliefteil ist stark verwittert. Die Frauenfiguren mit zum Zopf geflochtenem Haar sitzen alle in flachen Rundbogennischen auf schlichten Kastenbänken und sind durch Tituli (A–C) im Nischenbogen bezeichnet. Caritas ist mit zwei Kindern dargestellt, Patientia hält ein Kreuz, unten links neben der Figur ein verwitterter Tierkopf. Die Inschriften erhaben in eingetieftem Schriftfeld.

Maße: H. 69,5 cm; B. 45 cm (Spes). H. 71 cm; B. 45 cm (Caritas). H. 63 cm; B. 50 cm (Patientia). Bu. 4 cm (A, B), 5 cm (C).

Schriftart(en): Kapitalis.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/3]

  1. A

    SPES= // Ma)

  2. B

    CHAR//ITAS

  3. C

    PATIEN//TIA

Übersetzung:

Die Hoffnung. (A) Die Liebe. (B) Die Geduld. (C)

Kommentar

Die beiden S in Inschrift A weisen weit nach unten gezogene obere Bogenenden auf und wirken dadurch unproportioniert, während das S in Inschrift B gleichmäßig gestaltet ist. Auffallend ist auch, daß A in den Inschriften A und B als spitzes A ohne Deckbalken gestaltet ist, während die beiden A in Inschrift C einen Balken nach links aufweisen. Ansonsten zeigt die Kapitalis an den Buchstabenenden Sporen oder Verbreiterungen; konisches M mit bis zur Zeilenmitte reichendem Mittelteil, R mit gewölbter Cauda. Die Inschrift C wirkt insgesamt sorgfältiger ausgeführt als die beiden anderen Inschriften. Dies könnte darauf schließen lassen, daß die Reliefs zwar in derselben Werkstatt, aber zumindest die Inschriften von unterschiedlichen Händen gehauen worden sind. Die Reliefs werden – ebenso wie weitere identisch gestaltete Reliefs in Lemgo (Nr. 95) – Hermann Wulff, dem 1565 erstmals in Lemgo belegten Bildhauer und Baumeister, zugeschrieben und auf die Zeit um 1580 datiert.3)

Textkritischer Apparat

  1. Eventuell als M(EA) aufzulösen. Dieser Zusatz ist allerdings äußerst ungewöhnlich und kommt in den zahlreichen vergleichbaren Tugendprogrammen nicht vor.

Anmerkungen

  1. Kat. Renaissance, Bd. 1, S. 191, Nr. 365.
  2. WRM Schloß Brake, Inv.Nr. S 340/87 (Schausammlung).
  3. BKD Lemgo, S. 554. Gaul, Schloß Brake, S. 45. Kat. Renaissance, Bd. 1, S. 191, Nr. 365.

Nachweise

  1. BKD Lemgo, S. 554 mit Abb. 642 u. 643 (A, B), S. 645 mit Abb. 734 (C).
  2. Kat. Renaissance, Bd. 1, S. 191, Nr. 365.
  3. Gaul, Schloß Brake, Abb. 22 u. 23.

Zitierhinweis:
DI 59, Lemgo, Nr. 94 (Hans Fuhrmann, Kristine Weber, Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di059d006k0009408.