Inschriftenkatalog: Stadt Lemgo

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 59: Lemgo (2004)

Nr. 59 Rathaus, Saalbau 1565

Beschreibung

Werkstein. Laube vor der Nordseite des Rathaus-Saalbaus zur Mittelstraße. Im Jahr 1978 Neufassung des hellen Sandsteins in Brauntönen.1) Über ornamentierter, wappengeschmückter Brüstung auf hohem Sockel öffnen sich an der Straßenfront drei und an den beiden Schmalseiten zwei Rundbögen, auf der westlichen Schmalseite eine erneuerte Freitreppe.2) Unterhalb der Arkadenzone ist die Gliederung der Bogenstellung durch breite Lisenen fortgeführt, am Sockel mit Bossenband, an der Brüstung mit Rollwerk verziert. Den Arkadenpfeilern vorgeblendet sind ionische, kannelierte Pilaster unterschiedlicher Breite. Die Rundbögen schmücken Löwenkopf-Schlußsteine und Zwickelmedaillons mit Fratzen oder Blüten. In den drei Brüstungsfeldern der Laubenfront je ein Vollwappen, an der westlichen Schmalseite über dem rechten Bogen des Eingangs ein Rollwerkschild mit dem Stadtwappen flankiert von einer vollplastischen männlichen und einer weiblichen Büste. Unterhalb der männlichen Büste ist erhaben in vertieftem Feld ein Meisterzeichen angebracht3), über der schmaleren Arkade links das Baudatum, erhaben in vertieftem Feld, in Gold auf Braun.

Maße: Bu. 10 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/1]

  1. A(NN)O · 1 · 5 · 6 · 5

Wappen:
Lippe-Spiegelberg-Pyrmont4)Lippe-Schwalenberg5) Waldeck6)

Kommentar

Der Rathaus-Saalbau (um 1350/60) wurde etwa 1545 vermutlich wegen eines Brandschadens in seiner Nordhälfte umgestaltet und die nördliche Giebelwand neu errichtet. Die 1565 datierte Laube entstand als repräsentativer Vorbau zum nördlichen Saalbau-Portal an der Mittelstraße.7) Die Rathauslaube ist das früheste bekannte Werk des Baumeisters und Steinbildhauers Hermann Wulff (um 1530/40–1599) in Lemgo.8)

Die Wappen in den Brüstungsfeldern beziehen sich auf den zur Bauzeit zwölfjährigen Simon VI. zur Lippe, seinen Onkel und Vormund Graf Hermann Simon zu Lippe-Spiegelberg-Pyrmont und seine Mutter Katharina von Waldeck.9) Der Lemgoer Brauch, die Wappen der zur Bauzeit regierenden Landesherren an ihren Rathausneubauten anzubringen (vgl. a. Nr. 108) unterscheidet die Stadt von anderen norddeutschen Städten, in denen besonderer Wert auf Unabhängigkeit vom Landesherrn und die Dokumentation derselben gelegt wurde, und verweist auf ein besonders gutes Verhältnis zu den regierenden Grafen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Gerade in der Zeit der Vormundschaftsregierung für ihren unmündigen Sohn seit 1563 fand Katharina von Waldeck besonderen Rückhalt in der Stadt Lemgo.10)

Anmerkungen

  1. BKD Lemgo, S. 494. Einzelberichte Denkmalpflege 1977–79, S. 540.
  2. Von der ursprünglichen Treppe der Rathauslaube stammt vielleicht die 1565 datierte Beischlagwange mit der Darstellung des auferstandenen Christus im Städtischen Museum Lemgo (Inv.Nr. 81/804). Vgl. Nr. 58.
  3. BKD Lemgo, S. 511, Nr. 21.
  4. Wappen Lippe-Spiegelberg-Pyrmont (quadriert: 1. Lippische Rose, 2. schreitender Hirsch, 3. Ankerkreuz, 4. Stern).
  5. Wappen Lippe-Schwalenberg (quadriert) vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 1, S. 46 u. Tafel 102f.
  6. Wappen Waldeck vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, S. 47 u. Tafel 107.
  7. Vgl. BKD Lemgo, S. 487f. u. S. 514–517. Im Jahr 1589 wurde die Laube um die Kornherrenstube aufgestockt (vgl. Nr. 109).
  8. Vgl. Kat. Renaissance, Bd. 2, S. 82; Gaul, Renaissance-Baumeister, S. 12–17; Meier, Lemgo, S. 100f. Das Meisterzeichen der Lemgoer Rathauslaube ist außerdem an der Blomberger Burg (Auslucht, 1569) nachweisbar. Die Identifizierung als Meisterzeichen Hermann Wulffs, dessen Tätigkeit für den Landesherrn Simon VI. zur Lippe archivalisch belegt ist (u. a. Schloß Brake, Nordflügel und Turm, 1584–91), geht zurück auf Meier (Rathaus, S. 15), der ausgehend von den durch Quellen für Wulff gesicherten Werken und gestützt durch stilkritischen Vergleich die das Blomberger Zeichen begleitenden Initialen HW mit Hermann Wulff identifizierte. Daran anknüpfend werden Hermann Wulff seither eine Reihe weiterer Arbeiten in Lemgo zugeschrieben.
  9. Vgl. BKD Lemgo, S. 518f.
  10. Zu dem Verhältnis zwischen Stadt und Landesherrschaft vgl. Hoppe in BKD Lemgo, S. 38f.

Nachweise

  1. Zeichnung, undat., LLB Detmold, Lippe-Bildsammlung, 4 L 81.
  2. BKD Lemgo, S. 520f. mit Abb. 590.

Zitierhinweis:
DI 59, Lemgo, Nr. 59 (Hans Fuhrmann, Kristine Weber, Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di059d006k0005900.