Inschriftenkatalog: Stadt Lemgo

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 59: Lemgo (2004)

Nr. 3 St. Johann (extra muros) 1398

Beschreibung

Glocke. Bronze. Die Glocke hängt in dem erhaltenen Turm der ehemaligen Kirche St. Johann, die im Dreißigjährigen Krieg abgerissen wurde. Kronenplatte flach mit erkennbarem Gußrand, sechs glatte Bügel, im Querschnitt kantig und außen abgefast. Die Haube leicht abfallend mit flacher Rundung zur Schulter, am Wolm ein Steg. An der Schulter zwischen Kordelstegen einzeilig umlaufend eine Inschrift (Anrufung mit Gußdatum, A). Auf dem Mantel einander gegenüberliegend zwei Gabelkruzifixe, darunter auf der einen Seite ein oder zwei Buchstaben (B) mit Schmuckcharakter, auf der anderen Seite fünf nicht identifizierbare Münzabdrücke in kreuzförmiger Anordnung. Im Glockeninneren auf halber Höhe ein weiteres Kruzifix.1) Die Inschriften sind erhaben gegossen.

Maße: H. 100/122 cm (ohne/mit Krone); Dm. 126 cm; Bu. 4 cm (A), 6,5 cm (B).

Schriftart(en): Gotische Majuskel (A), gotische Minuskel (B).

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/7]

  1. A

    + IHESVS · MARIA · IOHANNES + AN(N)Oa) · DO(MIN)Ib) · Mo · CCCo XCVIIIo : DIE · VRBANI · M(ARTIRIS)2) ·

  2. B

    g[.]c)

Übersetzung:

Jesus. Maria. Johannes. Im Jahr des Herrn 1398 am Tag des Märtyrers Urban. (A)

Kommentar

Die Inschrift A ist in einer voll ausgeprägten gotischen Majuskel mit abgeschlossenen Buchstabenformen ausgeführt, die Zierelemente wie beidseitige Nodi am I, spitz ausgezogene Bogenschwellungen, keilförmige Verbreiterungen der Schaft- und Bogenenden und E mit am Abschlußstrich ansetzendem Balken aufweist, der den von einem Zierstrich begleiteten Bogen nicht berührt.

Die Glocke mit dem Schlagton f/ gehört aufgrund ihres reinen Tons zu den wertvollsten mittelalterlichen Glocken Westfalens.3) Das g auf dem Glockenmantel wird als Zeichen eines Glockengießers namens Grawick gedeutet.4) Die Annahme beruht darauf, daß sich in den lippischen Orten Heiden und Hillentrup Glocken von 1466 bzw. von 1505 nachweisen lassen, auf denen jeweils ein Glockengießer aus der Familie Grawick genannt ist.5) Da sich die Verbindung zu dieser Familie lediglich auf die Initiale g stützt, erscheint sie jedoch sehr spekulativ, zumal zwischen dem Guß der drei Glocken große zeitliche Abstände liegen.

Textkritischer Apparat

  1. O hochgestellt.
  2. I hochgestellt.
  3. Nach Meyer gr. Es handelt sich um ein g in gotischer Minuskel und eine weitere Haste, die oben und unten durch die Brechungen mit dem g verbunden ist. Eine eindeutige Lesung ist nicht möglich. Es käme auch gi oder go in Betracht. Die Lesung von Meyer ist eher unwahrscheinlich, weil die Fahne des r fehlt.

Anmerkungen

  1. BKD Lemgo, S. 330.
  2. 25. Mai.
  3. BKD Lemgo, S. 330.
  4. Erstmals wohl bei Meyer, Glocken, S. 12.
  5. Verzeichnet bei Wiesekopsieker, Glocken, S. 223 u. 247.

Nachweise

  1. Preuß, Alterthümer2, S. 40.
  2. Dreves, Geschichte, S. 311.
  3. Meyer, Glocken, S. 11f. (Zeichnung).
  4. Pecher, Kirchenglocken, S. 50.
  5. Meier, Geschichte, S. 13.
  6. Wiesekopsieker, Glocken, S. 325.
  7. Waldeyer, Johanniskirche, S. 36 mit Abb.
  8. Chronik Glocken, S. 18.
  9. BDK Lemgo, S. 330 mit Abb. 359.
  10. Günther Rhiemeier, Die älteste Kirchenglocke des Lipperlandes im Johannisturm zu Lemgo – ihr Weg durch die Jahrhunderte. In: HL 12, 1988, S. 373–379, hier S. 374.

Zitierhinweis:
DI 59, Lemgo, Nr. 3 (Hans Fuhrmann, Kristine Weber, Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di059d006k0000305.