Inschriftenkatalog: Landkreis Weissenfels

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 62: Weißenfels (Landkreis) (2005)

Nr. 61 Weißenfels, St. Mariae 1488, 1683

Beschreibung

Abendmahlskelch aus vergoldetem Silber mit erneuerter Kuppa (17./18. Jh.). Auf dem sechspaßförmigen Fuß eine plastische Kreuzigungsgruppe mit graviertem Kreuztitulus (A). An der Unterseite des Standringes eine Stiftungsinschrift (B) und die Gewichtsangabe der Inventarisation von 1683 eingraviert. Am Nodus sechs rautenförmige gravierte Rotuli, vier mit ähnlichen Blütenmotiven. Der Rotulus über der Kreuzigungsgruppe mit einer Lilie ausgezeichnet. Auf den Zungen des Nodus und am sechsseitigen Stilus gravierte Maßwerkornamente.

Maße: H.: 24,4 cm; D.: 13,5 cm (Kuppa), 19,5 cm (Fuß); Bu.: 0,15 cm (A), 0,35 cm (B), 0,3 cm (C).

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versal (A, B), Fraktur (C).

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/1]

  1. A

    i(hesvs) n(azarenvs) r(ex) i(vdeorvm)1)

  2. B

    1488 / Diesen kelch haben lassen machen diea) / schve knechte in der ereb) vnser lieben frawen

  3. C

    Wieget 3 Marck 13 lot. 1683.2)

Übersetzung:

A Jesus von Nazareth, König der Juden.

Kommentar

Inschrift B (außer der Jahreszahl) steht auf einem geschwungenen Schriftband, das sich über zwei Rundungen des Standringes erstreckt. Die Bandenden sind eingerollt. Die Schriftformen bestehen aus strichförmigen, dicht gesetzten Hasten, die oft mit Quadrangel abgeschlossen sind. Die Inschrift gewinnt dadurch einen ornamentalen Charakter.

Der Kelch ist eine Stiftung zur Ehre vnser lieben frawen Maria, die wohl von der zwei Jahre zuvor gegründeten und 1489 vom Stadtrat bestätigten Bruderschaft oder Gilde der Schuhmachergesellen3) eingerichtet wurde. Bruderschaften von Handwerksgesellen sollten dem einzelnen, i. d. R. ortsfremden und ungebundenen Gesellen geistliche Betreuung auf dem Sterbebett, ein kirchliches Begräbnis, Totenmessen und Fürbitten gewährleisten. Außer den Seelmessen für ihre Mitglieder waren es noch die Messen am Feiertag des Gildepatrons und andere Messen, die die Gilden veranlaßten, eigene Vasa sacra oder gar eigene Altäre mit Altarretabeln und liturgischem Gerät zu stiften. Solche Stiftungen wurden vor allem an den Kirchen gemacht, die von den Gilden als Orte regelmäßiger Versammlungen und gemeinschaftlicher Meßfeiern ausersehen waren.4) In Weißenfels war das wohl die Stadtpfarrkirche St. Maria, deren Patronin sich unter allen Gesellen besonderer Verehrung erfreute und sehr viel häufiger als andere Heilige zur Gildepatronin erwählt wurde.5) Die besondere Fürsorge der Schuhmachergilde für die Marienkirche bezeugt auch das Berufszeichen der Schuhmacher an einem Schlußstein im nördlichen Seitenschiff, das auf einen umfänglichen finanziellen Beitrag zur Einwölbung der Kirche schließen läßt.6)

Bei dem vorliegenden handelt es sich um den einzigen Kelch, der nachweislich schon in vorreformatorischer Zeit in der Marienkirche vorhanden war.7)

Textkritischer Apparat

  1. die] Es folgt ein florales Ornament, das den ersten Teil des Schriftbandes vor dem Überschlag am Schnittpunkt der Rundungen beschließt.
  2. ere] ecc. Lorenz, Gerhardt; Stadt Schäfer.

Anmerkungen

  1. Nach Io 19, 19.
  2. Das entspricht etwa 891 g (vgl. Kahnt/Knorr 1986, S. 178).
  3. Sturm 1846, S. 162; Gerhardt 1907, S. 101; Schäfer 1921, S. 3. Vgl. a. Einleitung, S. XXVI.
  4. Reininghaus 1981, S. 108–143, Zitat S. 139.
  5. Reininghaus 1981; S. 246 f. (Anhang 2).
  6. Vgl. a. Nr. 108.
  7. Nach Büttner, Teil 2, S. 160 sollen bis zum Ende des 17. Jh. acht von zehn in der Kirche befindliche Abendmahlskelche verkauft worden sein.

Nachweise

  1. Lorenz 1903, S. 63.
  2. Gerhardt 1907, S. 101 (ohne A).
  3. Schäfer 1921, S. 3 (ohne A, in einer modernen Gepflogenheiten angepaßten Schreibweise).
  4. Katalog Magdeburg 2001, S. 290–292 (Nr. 90, ohne A).

Zitierhinweis:
DI 62, Weißenfels (Landkreis), Nr. 61 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di062l001k0006103.