Inschriftenkatalog: Landkreis Weissenfels

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 62: Weißenfels (Landkreis) (2005)

Nr. 20 Unternessa, St. Othmari 2. Hälfte 14. Jh.

Hinweis: Die vorliegende Online-Katalognummer ist im Vergleich zum gedruckten Band mit Ergänzungen und Korrekturen versehen. Sie finden diese am Ende des Artikels. [Dorthin springen]

Beschreibung

Glocke (Schlagton fis)1) mit steiler Haube und relativ kräftig gewölbter Platte, angeblich aus einem ehemaligen Kloster übernommen.2) An der Schulter zwischen je drei Stegen Weihinschrift aus erhabenen Buchstaben. Auf der Flanke sieben unregelmäßig angeordnete Medaillons (D.: 2,8 cm): vier mit den Evangelistensymbolen, drei ohne (erkennbare) Bilder. Ein viertes bildloses Medaillon am äußeren Rand angebracht. Am Wolm drei Stege.

Maße: H. (m. Kr.): ca. 90 cm; D.: 81 cm; Bu.: 1,7–2,0 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt [1/2]

  1. + MARIEa) · TOTISb) · OSANNA · IN ECCELSISc) · BENEDICTVSd)

Übersetzung:

Osanna ist Maria in der höchsten Höhe geweiht.

Kommentar

Die zumeist unzialen bzw. runden Varianten der Majuskel weisen Bogenschwellungen und große, mitunter geschwungene Sporen auf. Am O findet sich zusätzlich eine Bogeninnenschwellung; bei B und E sind die Balkenansätze ausgerundet. Das A besteht aus einem Schaft (mit Sporen), an dessen linker Seite ein kräftig gebogener Schrägschaft ansetzt. Die Buchstaben C, E und M haben Abschlußstriche. Die Schäfte von I und L sind mit Nodi besetzt. Der Balken des L ist zu einem großen keilförmigen Sporn umgeformt. An den Bogenenden des S sind lange vertikale Zierstriche mit eingerollten verdickten Enden ausgezogen. Es handelt sich um eine typische Form der gotischen Majuskel, die seit dem zweiten Drittel des 14. Jh. allgemein Verbreitung fand. Der letzte Buchstabe des ersten ( E) und der erste des zweiten Worts ( T) sind unvollständig gegossen, was wohl zu Fehllesungen Anlaß gab. Das unziale E ist unten nicht geschlossen, dem runden T fehlt der linke Teil des geschwungenen Balkens. Am Anfang der Inschrift steht ein Johanniterkreuz; als Worttrenner dienen Glöckchen. Das Schriftfeld hat etwa die doppelte Höhe der Buchstaben.

Eine Glocke in Eisdorf (Sachsen) weist sehr ähnliche, aber etwas kleinere Buchstabenformen sowie die gleichen Worttrenner auf und ist sicherlich demselben Gießer zuzuweisen.3) Aus paläographischer Sicht ist die Glocke in Unternessa der in Unterwerschen nicht verwandt, obwohl beide in derselben Zeit entstanden sein könnten.4) Die Buchstaben sind anders gebildet.

Der biblische Jubelruf Osanna (Mt 21,9; Mc 11,9–10) war als Glockenname gebräuchlich. In großen fünf- oder sechsteiligen Geläuten hat, so Konrad Bund, die Osanna genannte Glocke oft als Wandlungsglocke gedient; in kleineren Geläuten kann sie außerdem noch als Fest- und Sonntagsglocke genutzt worden sein.5)

Textkritischer Apparat

  1. MARIE] MARIA Sommer, BKD Prov. Sachsen 3, Otte 1883, Otte 1884.
  2. TOTIS] Gotis Otte 1883, Otte 1884; Liebeskind 1905, S. 79.
  3. IN ECCELSIS] Sic! Für IN EXCELSIS. So auch Sommer. Zwischen beiden Worten kein Abstand.
  4. BENEDICTVS] Sic! Wohl für BENEDICTA.

Anmerkungen

  1. Glockenerfassung 1917, o. S.
  2. Heydenreich 1840, S. 373.
  3. Sommer 1874, S. 121; BKD Prov. Sachsen 8, S. 37–40 (mit verbesserter Inschriftlesung).
  4. Vgl. Nr. 21.
  5. Bund 1997/1998, S. 140 f.; Bund 1999/2000, S. 4 f.

Nachweise

  1. Sommer 1867, S. 334.
  2. BKD Prov. Sachsen 3, S. 41.
  3. Otte 1883, I, S. 445.
  4. Otte 1884, S. 124.
Addenda & Corrigenda (Stand: 13. Mai 2014):

Den ersten beiden Worten der Inschrift folgt wahrscheinlich ein Zitat aus dem liturgischen „Sanctus“, das unmittelbar vor dem „Canon missae“ gebetet wurde: „Hosanna in excelsis. Benedictus (qui venit in nomine Domini)“; vgl. Anselm Schott O.S.B., Das Meßbuch der heiligen Kirche, Leipzig 1956, S. 399. Die Übersetzung lautet: „Hosanna in der Höhe. Gepriesen sei er (der kommt im Namen des Herrn).“ Die Deutung des OSANNA als Glockenname wäre damit hinfällig; die Deutung der ersten beiden Worte der Inschrift bliebe jedoch ungeklärt.

Zitierhinweis:
DI 62, Weißenfels (Landkreis), Nr. 20 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di062l001k0002002.