Inschriftenkatalog: Landkreis Weissenfels

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 62: Weißenfels (Landkreis) (2005)

Nr. 8† Langendorf, St. Mariae 2. Hälfte 13. Jh. / Anfang 14. Jh.

Beschreibung

Grabplatte mit Grabbezeugung, Stifterinschrift, Totenlob und Fürbitte, einst vor dem Hauptaltar im Chor der ehemaligen Klosterkirche. Schriftform und Art der Ausführung nicht überliefert.

Nach Akte im Stadtarchiv Weißenfels.

  1. Quem lapis iste tegit, vivens bona cuncta peregit,Conradus dictus, nunc Christo sit benedictus,Hanc fundans aedem tumuli locat hic sibi sedem.

Übersetzung:

Den dieser Stein bedeckt, der hat lebend alles Gute vollbracht. Er, der Conrad genannt wurde, sei nun von Christus gesegnet. Diese Kirche gründend, errichtete er sich hier eine Grabstätte.

Versmaß: Drei leoninische Hexameter, zweisilbig rein.

Kommentar

Verschiedene, zu den Grabschriften gehörende Texttypen sind mit der metrischen Struktur der Inschrift verschränkt. Die ersten Hälften des ersten und zweiten Hexameters enthalten die für das liturgische Totengedenken notwendige Grabbezeugung (Quem lapis iste tegit / Conradus dictus). Die zweiten Hälften der ersten beiden Verse führen Totenlob und Segenswunsch zusammen; die erste Hälfte des zweiten Hexameters fügt den Namen des Verstorbenen hinzu. Im dritten Vers wird das Verdienst (der Stiftungsgegenstand) genannt, für das dem Verstorbenen die höchst ehrenvolle Grabstätte vor dem Hauptaltar der Kirche eingeräumt wurde. Der Inschrift fehlt allerdings der Todestag, dessen Fixierung die korrekte Durchführung des Jahrgedächtnisses gewährleisten sollte.

Der erste und der dritte Vers greifen offensichtlich verbreitetes zeitgenössisches Formelgut auf, das sich auch auf der Grabplatte eines zwischen 1253 und 1256 verstorbenen kirchlichen Stifters in Goslar findet.1) Auch dort wird der Stifter namentlich genannt, die Stiftung erwähnt und darauf hingewiesen, daß die fromme Gabe auch dem Stifter selbst zugute komme. Doch liegt der Gewinn des Stifters nicht nur darin, eine würdige Grabstätte gefunden zu haben, an der ein liturgisches Totengedenken sichergestellt ist, sondern er liegt noch mehr darin, daß der Stifter wegen seiner guten Werke nun das himmlische Gut des ewigen Lebens bei Christus erwarten darf (vgl. Vers 1 und 2).

Die Übereinstimmungen mit der Goslarer Inschrift bestätigen, daß hier trotz des fehlenden Todesdatums eine authentische Grabinschrift vorliegt, die einem oder dem Stifter des Klosters Langendorf gewidmet ist. Das Zisterzienserinnenkloster ist vermutlich einige Jahre vor der ersten urkundlichen Erwähnung 1230 gegründet worden; seine früheste Geschichte liegt aber in völligem Dunkel.2) Weder ist ein Stifter Konrad andernorts bezeugt, noch findet sich in der ersten Hälfte des 13. Jh. eine Person dieses Namens im Umkreis jener Familien, die möglicherweise an der Klostergründung beteiligt gewesen waren.3) In der Familie Knut, die im 13. Jh. zwei ihrer Töchter dem Kloster anvertraute,4) erscheint erst gegen Ende des Jahrhunderts ein „miles“ Konrad, Schwestersohn („sororius“) des Bischofs Bruno von Naumburg, der zwischen 1277 und 1301 als Dienstmann des Markgrafen Dietrich von Landsberg (gestorben 1285), dessen Sohnes und Nachfolgers Friedrich Tuta (gestorben 1291) und schließlich des Bischofs Heinrich II. von Merseburg (gestorben 1301) nachweisbar ist. Er gehörte zur Weißenfelser Burgmannschaft und scheint unter Friedrich Tuta eine Vertrauensstellung gehabt zu haben.5) Ließe sich die Grabinschrift auf ihn beziehen, könnte er den in der zweiten Hälfte oder gegen Ende des 13. Jh. errichteten (und überkommenen) Neubau der Klosterkirche6) gefördert haben – obwohl eine Beziehung zwischen ihm und dem Kloster Langendorf bislang nicht erkennbar ist. Der Stifter Konrad ist wohl nicht mit einem der zwischen 1249 und 1309 in (Ober- oder Unter-)Greißlau bzw. Langendorf bezeugten Geistlichen (ein Propst und Plebane) dieses Namens gleichzusetzen,7) wie gelegentlich vermutet wurde. Hätte der Verstorbene geistliche Würden besessen, wären sie sicherlich genannt worden. Die Identität mit Konrad Schenk von Wiedebach, der nach alter, erstmals von Richard Hermann 1871 widerlegter Tradition das Kloster 1409 gegründet haben soll,8) ist ebenfalls auszuschließen.

Der Text ist hier nach der ältesten kopialen Überlieferung, einem Manuskript aus dem frühen 17. Jh.,9) wiedergegeben. Wie lange die originale Grabplatte erhalten und zugänglich war, ist ungewiß. Georg Ernst Otto hat sie wohl noch vor 1796 an dem seit Büttner bezeugten Ort vor dem (Haupt-)Altar der Kirche gesehen, wie seine Beschreibung vermuten läßt. Alle späteren Autoren aber geben zu erkennen, daß sie den Text nicht nach eigener Anschauung überliefern. Sollte die Grabplatte noch zu Ende des 18. Jh. vorhanden gewesen sein, dann ist sie wahrscheinlich wie viele andere Grabmäler bei der Purifizierung der Kirche 1876–1878 beseitigt worden.10)

Anmerkungen

  1. DI 45 (Goslar), Nr. 10: „QUEM LAPIS IS[T]E TEEGIT · FVNDAN[S D]ONVM SIBI FECIT HOC OSPITALE (...).“
  2. Vgl. Thieme 1911, S. 56 f.; Gerhardt 1914, S. 2–10; Schlesinger 2, 1962, S. 278 f.; Schwineköper 1987, S. 266 f.
  3. Das sind nach Schlesinger 2, 1962, S. 278 insbesondere die edelfreien Herren von Greißlau (UB Merseburg 1, Nr. 105, 161; UB Naumburg 1, Nr. 252, 308, 384, 393, 411, 418, 425; UB Naumburg 2, Nr. 1, 26, 101, 126, 300, 313; UB Kloster Pforte I, 1, Nr. 57, 58, 60, 74, 75; Dobenecker 2, Nr. 39, 1167, 1170, 1561, 1564, 1641, 1642), die edelfreien Herren von Vitzenburg (UB Merseburg 1, Nr. 292, 293, 350; UB Naumburg 2, Nr. 209, 268, 305; UB Kloster Pforte I, 1, Nr. 45, 54, 171, 177, 187) und die der Ministerialität angehörenden Knutonen. Zu den Familien vgl. a. Schieckel 1956, S. 10, 12, 48 (Anm. 62), 72, 107, 111, 129.
  4. Dobenecker 3, Nr. 12; 4, Nr. 1247; Gerhardt 1914, S. 2 f., 6.
  5. UB Merseburg 1, Nr. 428, 472, 485, 486, 519, 564, 617, 623; UB Naumburg 2, Nr. 550, 602, 611, 621, 627, 784, 795; UB Kloster Pforte I, 1, Nr. 341; I, 2, Nr. 371; Dobenecker 4, Nr. 2846, 2890, 2987; Schieckel 1956, S. 47 f., Anm. 59.
  6. Holtmeyer 1906, S. 326 (Mitte 13. Jh.); Dehio 1976, S. 245; Köhler 1994, S. 44, 46; Köhler/Seyfried 1994, S. 41; Dehio 1999, S. 407 f. (2. Hälfte 13. Jh. bis 1. Viertel 14. Jh.).
  7. Gerhardt 1914, S. 5 f., 8 f.
  8. So Büttner, Teil 1, S. 320; Otto 1796, S. 188 f.; Heydenreich 1840, S. 351, 355; Sturm 1846, S. 154 f. Dagegen Hermann 1871, S. 120 et al.
  9. Vgl. Einleitung, S. XLII f.
  10. Köhler 1994, S. 45 f.

Nachweise

  1. Stadtarchiv Weißenfels A I 3744, fol. 38 v.
  2. Büttner, Teil 1, S. 321.
  3. Otto 1796, S. 193.
  4. Heydenreich 1840, S. 355.
  5. Gerhardt 1914, S. 9.
  6. Trübenbach 1928, S. 14.
  7. Köhler 1994, S. 38.

Zitierhinweis:
DI 62, Weißenfels (Landkreis), Nr. 8† (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di062l001k0000806.