Inschriftenkatalog: Landkreis Weissenfels

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 62: Weißenfels (Landkreis) (2005)

Nr. 262 Goseck, St. Mariae et Michaelis 1628

Beschreibung

Dreizoniges und dreiachsiges Epitaph für Bernhard von Pöllnitz, das zwei Drittel der Chornordwand einnimmt. Die einzelnen Teile des überwiegend dunkelfarbigen Epitaphs sind in verschiedenen Techniken aus Sandstein, Marmor, Alabaster oder Stuck gefertigt. In der untersten Zone, zwischen vier, monumentale Konsolen tragenden Postamenten drei Bibelzitate (A, B, C). Zwischen den beiden mittleren der reliefverzierten Konsolen der Sterbevermerk (E), auf den einander zugewandten Seiten derselben Konsolen je eine Kartusche mit einem Bibelzitat (D, F). Auf den Konsolen zwei Säulentabernakel mit drei männlichen (links) und sechs weiblichen, knapp unterlebensgroßen knienden Figuren (rechts), Bernhard von Pöllnitz, seine Gemahlinnen und Kinder darstellend, hinterfangen von flachen, bogenförmig geschlossenen Nischen. Auf den Tabernakeln Bekrönungen mit den allegorischen Skulpturen der Temperantia und der Caritas. An der schmaleren Mittelachse zwischen den Tabernakeln ein weiteres Bibelzitat als Bildbeischrift (G) und ein Kreuzigungsrelief mit Kreuztitulus (H). Dreiteiliger Auszug, seitlich eingefaßt von üppiger plastischer Ornamentik. Im Zentrum des Aufsatzes wieder ein Bibelzitat als Bildbeischrift (I) und ein Relief mit der Auferstehung Christi, begleitet von zwei Ornamentstelen, vor denen die figürlichen Allegorien Fides und Spes und zwei Engel sitzen. Auf Relief und Stelen die Skulpturen der Justitia, Fortitudo und (im Mittelpunkt) Atlas. Außer den Konsolen sind auch die Säulenpostamente und der untere Teil der Säulenschäfte mit figürlichen und ornamentalen Reliefs verziert. Leider sind die skulpturalen Teile des Epitaphs durch Vandalismus stark beschädigt oder gänzlich verloren. Es fehlen heute sämtliche Köpfe und Hände der Figuren, außerdem der Kruzifixus des Kreuzigungsreliefs, vier der sechs Tugendallegorien, ein Engel, Teile der ornamentalen Dekoration und sämtliche Wappen der Ahnenprobe, die am Tabernakelgebälk angebracht waren. Die beiden Bildreliefs sind beschädigt, die durchweg in Stein gehauenen Inschriften hingegen fast unversehrt (I restauriert). A, B und C befinden sich auf abgesetzten, E und G auf abgesetzten und plastisch-ornamental gerahmten Schriftfeldern. Die Inschriftfelder von D, F und I sind als Kartuschen ausgebildet. Die Buchstaben von B und G wurden eingetieft und letztere außerdem mit einer weißen Paste ausgelegt (die Füllung einzelner Buchstaben ausgefallen). Alle übrigen Inschriften sind erhaben.1)

Maße: H.: ca. 750 cm; B.: ca. 425 cm; Bu.: 3 cm (A), 2,7–3,5 cm (B), 2,8–3 cm (C), 3,2–3,5 cm (D, F), 3,5– 3,7 cm (E), 3,5–4 cm (G), 2 cm (H), 2,5 cm (I).

Schriftart(en): Kapitalis, Fraktur.

Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt [1/4]

  1. A

    IOH. 3. / Alsoa) hatt Gott die welt geliebet das Er / seinen eingebohrnen Sohn gab, auff / das alle die an Ihn gleuben nicht verlohren / werden Sondern das ewige leben / haben · 2)

  2. B

    Ezech. 37. CAP(ITEL) / So spricht der Herr HERR:b) / Siehe Ich will Eure Gräber auff/thun vnd will Euch mein volck aus / dennselbigen heraus holen · 3)

  3. C

    HiOB. 19. / Ich weis das mein Erloser lebet vnd Er wird / mich hernach aus der erden aufferwecken, / vnd werde darnach mit dieser meiner haut / umbgeben werden, vnd werde in meine(m)c) fleisch / Gott sehen, denselbigen werde ich mir sehe(n)d) vnd mei/ne augen werden ihn schawen vnd kein fremder · 4)

  4. D

    Math: 22 / die auszerwehlte(n)e) / werden gleich sein / den Engelln Got=/tes im himmel.5)

  5. E

    ANNO CHRISTI. 1569. den 4. JULII, / ist der WolEdelef) Gestrenge vnd / Vehste Herr Bernhard von Pölnitz / doselbsten vnd vff Schwartzbach, / Gosigk, Grobitz Bernszdorf, Linden=/creutz vnd Renthendorf, Churf(ürstlich) Sach=/sischer geheimer Rath, Cantzeler zu / Dreszden vnd Oberhofrichter zu Leip=/tzigg) : geboren, vnd den 5 AVG(VSTI)h) ANNO / 1628 in Gott seliglichen1) entschlaffen ·

  6. F

    Psalm: 118 / Ich werde nicht / sterben Sondern / leben vnd des Herrn / werck verkündige(n)j) 6)

  7. G

    Er ist vmb vnser missethat willen / verwundet vnd vmb vnser Sünde / willen zuschlagen.k) Durch seine wun=/den sind wier geheilet. Esaiae 53.7)

  8. H

    I(HESVS) · N(AZARENVS) · R(EX) · I(VDAEORVM) · 8)

  9. I

    ROM: 4. Christus ist vmb vnsere sunde / willen dahin gegeben, vnd vmb vnser gerechtigkeit willen wider aufferwecket.9)

Übersetzung:

H Jesus von Nazareth, König der Juden.

Kommentar

Die Schrift ist regelmäßig und mit großem handwerklichen Geschick ausgeführt. Die Frakturbuchstaben sind in maßvoller Weise verziert, ohne daß die Lesbarkeit darunter leidet. Die Versalien weisen meist Zierschleifen und -bögen auf, die Oberlängen der Kleinbuchstaben sind oft mit Schleifen verziert oder mit Wellenlinien und Zierbögen überdeckt. Die kapitalen Buchstaben neigen sich nach rechts. Zur Wortkürzung wurden verschiedenartige Zeichen, zumeist aber Punkte verwendet.

Bernhard von Pöllnitz wurde 1569 geboren, studierte 1584 bis 1593 an den Universitäten Jena, Helmstedt und Altdorf und reiste 1594–1596 auf Kavalierstour durch Burgund, Italien und Ungarn. Nach seiner Rückkehr wurde er Kammerjunker des kursächsischen Kronprinzen Christian und durchlief nach Übernahme der Herrschaft durch Christian (Kurfürst von 1601 bis 1611) eine schnelle Karriere. 1601 wurde er Hofrat, 1602 Geheimrat und kurfürstlicher Kanzler. In diesem Amt, das seit der Mitte des 16. Jh. erheblich an Bedeutung gewonnen hatte, folgte er David Peifer nach. Als Bernhard von Pöllnitz nach 21 Amtsjahren dem Bruder und Nachfolger Christians, Kurfürst Johann Georg I., seine Demission antrug, mochte der noch nicht gänzlich auf ihn verzichten und sandte ihn 1623 als Oberhofrichter nach Leipzig. In diesem Amt stand er dem ranghöchsten und einzig gemeinsamen Gerichtshof aller wettinischen Lande vor. Als Oberhofrichter starb er 1628 in Goseck. Dargestellt sind neben Bernhard wahrscheinlich dessen Söhne Christian (1601–1670), Vizeoberhofrichter zu Leipzig, und Hans Christoph (1608–1657), Bernhards Gemahlinnen Ursula von Nißmitz (gestorben 1608) und Catharina von Hoym-Ermsleben (gestorben 1620) sowie Bernhards vier Töchter.10)

Der überschwenglichen Würdigung Heinrich Bergners, der „bei aller Fülle den wohltuenden Reiz einer feinen und vorsichtig abgestimmten Komposition“ anerkennt und „den malerischen Aufbau, den Reichtum der Erfindungen und den Wohllaut jeder Linie“ bewundert,11) ist vorbehaltlos zuzustimmen. Das Epitaph des Bernhard von Pöllnitz ist das Meisterwerk eines leider unbekannten Künstlers, der aber sicherlich in einem der großen mitteldeutschen Kunstzentren dieser Zeit (Dresden, Leipzig oder Magdeburg) ansässig war. Er soll mit dem Schöpfer eines Epitaphs in der Naumburger Wenzelskirche identisch sein, das allerdings zur Zeit der Inventarisierung durch Bergner nur noch in Bruchstücken vorhanden war12) und heute offenbar gänzlich verloren ist. Einer jüngeren, zwischen den Konsolen angebrachten Inschrift zufolge wurde das Gosecker Epitaph 1716 auf Veranlassung der Amalia von Pöllnitz, Witwe Hans Christophs, eines Enkels Bernhards, restauriert.13)

Textkritischer Apparat

  1. Also] Der erste Buchstabe ca. 15 cm groß und reich verziert.
  2. HERR] Großschreibung in Frakturversalien.
  3. meinem] Geschwungener Kürzungsstrich.
  4. sehen] Geschwungener Kürzungsstrich.
  5. auszerwehlten] Geschwungener Kürzungsstrich.
  6. WolEdele] Wol Edle BKD Prov. Sachsen 27.
  7. Leiptzig] Leipzig BKD Prov. Sachsen 27.
  8. AVGVSTI] Kürzung durch Doppelpunkt.
  9. seliglichen] selichen BKD Prov. Sachsen 27.
  10. verkündigen] Geschwungener Kürzungsstrich.
  11. zuschlagen] Sic! Für zerschlagen.

Anmerkungen

  1. Während der Erarbeitung des vorliegenden Inschriftenkatalogs wurde das Epitaph zum Schutz vor weiterer Zerstörung vollständig eingehaust und ist seitdem nicht mehr zugänglich.
  2. Joh 3,16.
  3. Paraphrase nach Hes 37,12.
  4. Hiob 19, 25–27 nach der Übersetzung Luthers.
  5. Paraphrase nach Mt 22,30.
  6. Ps 118,17.
  7. Jes 53, 5.
  8. Nach Io 19,19.
  9. Röm 4,25.
  10. König 1, 1727, S. 775–779, 786; Pöllnitz 1893, Taf. II. Das Todesjahr der Ursula von Nißmitz wird von Valentin König wohl irrtümlich mit 1607 angegeben, denn zugleich schreibt er, daß alle Kinder Bernhards, auch der (nach Pöllnitz) 1608 geborene Sohn Hans Christoph, aus der Ehe mit Ursula stammen. Zu den Lebensdaten der Ursula von Nißmitz vgl. a. Gesamtkatalog deutscher Personalschriften- und Leichenpredigtsammlungen im Staatsarchiv Leipzig (s. u. von Pöllnitz). Zu David Peifer vgl. Nr. 182 und zum Amt des kursächsischen Kanzlers vgl. Nr. 136. Zum sächsischen Oberhofgericht vgl. Jeserich/Pohl/von Unruh 1, 1983, S. 809; Lück 1997, S. 120–127.
  11. BKD Prov. Sachsen 27, S. 126 f.
  12. BKD Prov. Sachsen 24, S. 177, 317.
  13. Aus einem weiteren am Epitaph angebrachten, die Instandsetzung des Kircheninneren 1821 betreffenden Vermerk könnte geschlußfolgert werden, daß dabei auch das Epitaph ausgebessert wurde.

Nachweise

  1. BKD Prov. Sachsen 27, S. 126 f. (nur E).

Zitierhinweis:
DI 62, Weißenfels (Landkreis), Nr. 262 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di062l001k0026200.