Inschriftenkatalog: Landkreis Weissenfels

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 62: Weißenfels (Landkreis) (2005)

Nr. 253 Röcken, Kirche 1. Viertel 17. Jh.

Beschreibung

Epitaph für Heinrich (?) von Kratzsch, ursprünglich an der Nordostseite des Chorpolygons, seit 1937 an der Nordwand des Chorraumes aufgerichtet. Mehrteiliger, wohl unvollständig erhaltener Aufbau aus Sandstein. Auf einem niedrigen Fuß ein rollwerkverzierter Unterhang mit Inschriftenkartusche, darin ein Bibelzitat (A). Im hochrechteckigen Hauptfeld eine von einem Blendbogen überfangene, fast vollplastische Standfigur in Rüstung. Mit gespreizten Beinen über einem Helm stehend, stützt der Dargestellte seine rechte Hand auf die Hüfte und hält mit der linken den Degengriff umfaßt. Seitenhänge mit großen, ausschwingenden Voluten und breiten Leisten mit einer sechzehnteiligen Ahnenprobe aus Vollwappen und Wappenbeischriften (links: BA; rechts: BB). Die Ahnenprobe setzt sich an beiden Seiten der Laibung des Blendbogens fort. Die ursprünglich hier befindlichen vier Wappen verloren. Auf dem Gesims zwischen Unterhang und Hauptfeld Initialen (C). Über dem Hauptfeld ein hölzerner Giebel mit Akroter in Form eines Pinienzapfens von 1937.1) Reste einer Neufassung aus demselben Jahr.

Maße: H.: ca. 395 cm; B.: 202 cm; Bu.: 2,7–2,9 cm (1. Zeile von A, C), 1,8–2,3 cm (2.–9. Zeile von A, BA und BB).

Schriftart(en): Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/2]

  1. A

    IOH. 11 / ICH BIN DIE AVFFERSTEH/VNG VND DAS LEBEN, WER /AN MICH GLEVBT, DER WIRT / LEBEN, OB ER GLEICH STVRBE /VND WER DA LEBET, V(ND) GLEV=/BET AN MICH, DER WIRTNIM/MER MEHR / STERBE(N)2)

  2. BA

    D(ER) // V(ON) // K(RATZSCH)a) / D(ER) V(ON) D(RASCHWITZ) /D(ER) V(ON) K(ÖNNERITZ) / D(ER) V(ON) S(CHEPLITZ) /D(ER) V(ON) P(FLVGK) / D(ER) V(ON) G(AHREN) // D(ER) V(ON) B. /D(ER) V(ON) H.

  3. BB

    D(ER) // V(ON) // H(ANFSTENGEL) / D(ER) V(ON) //O(EBSCHELWITZ) / D(ER) V(ON) E(TZENDORF) / D(ER) V(ON)Z(WEYMEN) / D(ER) V(ON) L. / D(ER) V(ON) S(ACK) // D(ER)V(ON) M. / D(ER) V(ON) O.

  4. C

    D Bb) D(ER) V(ON) Rc)

Wappen:
Kratzsch3)Hanfstengel9)
Draschwitz4)Oebschelwitz10)
Könneritz5)Atzendorf11)
Scheplitz6)Zweymen12)
Pflugk7)(unbekannt)13)
Gahren8)Sack14)
(verloren)(verloren)
(verloren)(verloren)

Kommentar

Inschrift A hat ein regelmäßiges Schriftbild. Die ersten Buchstaben der ersten und zweiten Zeile sind überhöht; die Buchstabenhöhe nimmt von der zweiten bis zur achten Zeile allmählich ab. Bei einigen B-Buchstaben sind die Bögen nicht geschlossen; zudem ist der untere weitaus größer als der obere Bogen. Das M hat einen kurzen Mittelteil und gerade Hasten. Die ausgestellte Cauda des R schwingt weit und bis unter die Grundlinie hinab. Die Buchstaben in C sind auffällig breit und tief ausgeschlagen. BA und die letzten beiden Zeilen von BB haben Kürzungspunkte. Die Schriftform der Inschrift A, aber auch die ornamentale Dekoration ähnelt der eines 1617 entstandenen Epitaphs in Schkortleben15) und weist auf eine Entstehung in derselben Werkstatt.

Nach lokaler Überlieferung wurde das Epitaph dem 1543 bezeugten Heinrich (von) Kratzsch errichtet. Seine Familie saß noch bis Anfang des 18. Jh. auf Röcken.16) Das Fehlen jeglicher biographischer Angaben läßt vermuten, daß das Epitaph fragmentiert ist. Vielleicht hat sich eine entsprechende Inschrift an einem heute verlorenen Aufsatz befunden. Die Bestimmung der Wappen und die Auflösung der beigeschriebenen Initialen erfolgte unter Einbeziehung der Ahnenprobe vom Epitaph des 1667 verstorbenen kaiserlichen Generalmajors Johann Wilhelm von Kratzsch, die seltsamerweise weitgehend, d. h. auf der väterlichen Seite bis zum sechsten und auf der mütterlichen bis zum dritten Wappen, der des älteren Epitaphs entspricht.17) Der Verdacht ist nicht abzuweisen, daß die jüngere Ahnenprobe zumindest teilweise nach dem Vorbild der älteren ausgeführt wurde. Die sechzehn Wappen des jüngeren Epitaphs wurden auch an die Brüstungen der Kirchenemporen gemalt und mit vollständigen – allerdings nicht immer richtigen – Wappenbeischriften versehen. Danach ließen sich drei der vier letzten Namenskürzungen der Inschriften BA und BB auflösen (BA: Behren, Helldorf; BB: Osterhausen); die vierte aber ist wegen einer Verwechslung der Wappenträger bei der Emporenmalerei (Minckwitz statt Miltitz) ohne genealogischen Nachweis nicht sicher zu ergänzen.

Textkritischer Apparat

  1. KRATZSCH] Dieser und alle folgenden Geschlechternamen nach Siebmacher ergänzt.
  2. D B] Mit größerem Abstand zueinander und zu dem folgenden Buchstaben geschrieben.
  3. Eine Auflösung der Initialen war nicht möglich.

Anmerkungen

  1. Am Giebel befindet sich eine Inschrift, die auf eine Instandsetzung verweist: RENOV(ATVM) / ANNO DOM(INI) 1937.
  2. Jh 11, 25–26.
  3. Siebmacher VI, 6, Taf. 59. Als Wappenbild bei Siebmacher ein Adler, hier aber ein Kranich in gleicher Darstellung.
  4. Siebmacher VI, 6, Taf. 24; VI, 12, Taf. 75. Als Helmzier bei Siebmacher ein Hut, oben mit Hahnenfedern, seitlich mit Straußenfedern besteckt, hier aber ein wachsender Ziegenbock.
  5. Siebmacher II, 3, Taf. 38; III, 1, Taf. 63; III, 2, Taf. 259; VI, 6, Taf. 56.
  6. Siebmacher VI, 6, Taf. 96; VI, 12, Taf. 83.
  7. Siebmacher II, 3, Taf. 47; III, 2, Taf. 349; VI, 6, Taf. 79; VI, 12, Taf. 52, 63.
  8. Von Rot und Silber gespalten, belegt mit einem Kissen mit Quasten in verwechselten Farben. Im Oberwappen gekrönter Helm und ein Blashorn. Bestimmung des Wappenführers nach einer Wappenbeischrift an der Emporenbrüstung der Kirche.
  9. Siebmacher III, 2, Taf. 206; VI, 6, Taf. 41. Als Helmzier bei Siebmacher ein Hut mit Hahnenfedern auf der Spitze, hier aber fünf Straußenfedern.
  10. Siebmacher II, 3, Taf. 45. Trotz mehrerer Abweichungen im Detail wohl mit dem hier vorliegenden Wappen gleichzusetzen.
  11. Siebmacher VI, 6, Taf. 4.
  12. Siebmacher VI, 6, Taf. 127. Helmzier hier geringfügig abweichend.
  13. Ein Hund (?), auf einer Trommel sitzend. Als Helmzier die Wappenfigur.
  14. Siebmacher VI, 6, Taf. 92.
  15. Vgl. Nr. 241. Bei BKD Prov. Sachsen 8, S. 215 und Dehio 1999, S. 720 ohne nähere Eingrenzung in das 17. Jh. datiert.
  16. Manuskripte aus dem Nachlaß Karl Kof, Jena, jetzt bei Frau Winkler in Röcken aufbewahrt. Vgl. a. Siebmacher VI, 6, S. 92 f.; Fuchs 1910, S. 22.
  17. Nachlaß Kof (wie Anm. 16); Siebmacher VI, 6, S. 92 f. Ursprünglich an der südlichen Außenwand der Kirche aufgestellt, wurde es wie das ältere Epitaph 1937 an die innere Nordwand der Kirche versetzt.

Zitierhinweis:
DI 62, Weißenfels (Landkreis), Nr. 253 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di062l001k0025301.