Inschriftenkatalog: Landkreis Weissenfels

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 62: Weißenfels (Landkreis) (2005)

Nr. 229† Teuchern, St. Georgii 1611

Beschreibung

Bauinschrift „über der großen Kirchthür“,1) heute verloren.2) Schriftform und Art der Ausführung unbekannt.

Nach Büttner.

  1. A(nno) C(hristi) MDC XI. Heinr(ich) à Berleps, Vir Generos(us) (et)a) max(ime) Strenuus, Patronus Teucherensis (et)a) reliqua Parochiae membra AEdem hanc sacram in DEI honorem, posteritatis mnemosynon,b) fidei testimonium, salutis amorem, pietatis ardorem, ex officio, ex animo, quia debuere, quia cupivere operà lapicidae Leonhardi Alictiic) Longosalissani extruxere.

Übersetzung:

Im Jahre Christi 1611 haben Heinrich von Berlepsch, der hochgeborene und höchst gestrenge Mann, Patron von Teuchern, und die übrigen Mitglieder der Pfarrei diesen heiligen Tempel zur Ehre Gottes, als Denkmal für die Nachwelt, als Zeugnis des Glaubens, aus Liebe zum Heil, aus leidenschaftlicher Frömmigkeit, aus Pflicht (und) aus Neigung, weil sie es schuldig sind (und) weil sie die Werke des Bildhauers Leonhard Alictius aus Langensalza begehrten, errichtet.

Kommentar

Im Text sind Kürzungen durch Punkte markiert.

Entgegen älteren Annahmen3) ist die Kirche, ein großer Saalbau mit eingezogenem Chorpolygon, wahrscheinlich zur selben Zeit entstanden4) wie der nördliche Chorflankenturm, der 1504 errichtet worden sein soll. Dafür sprechen die Reste einer älteren Holztonne im Dachstuhl, die vor dem Einbau des (datierbaren) Triumphbogens5) und einer neuen Holztonne vorhanden war, der gotische Fugenschnitt der Spitzbogenfenster und die umlaufenden, Turm, Kirchenschiff und -chor gleichermaßen umschließenden Sockelprofile und Kaffgesimse.

Die Inschrift berichtet also nur von einem Umbau, als der Triumphbogen, der prächtige Prospekt der Patronatsloge am Obergeschoß des Nordturms, mehrere Portale an Nord- und Westseite der Kirche und die reliefierten Steinsäulen der Emporen eingebaut wurden. Der inschriftlich genannte Leonhard Alictius (oder Alichius) ist sehr wahrscheinlich mit dem führenden Steinmetzen gleichzusetzen, dessen Marke vielfach am Prospekt der Patronatsloge und einmal am Bogen in der Loge angebracht ist.6) Die übrigen Steinmetzen, deren Marken viel seltener bzw. nur einmal an Triumphbogen und Logenprospekt erscheinen, waren wohl nur zeitweilig beschäftigt.7) Zur Neuausstattung gehörten außerdem ein skulptierter, jetzt in der Westvorhalle aufbewahrter Taufstein und eine Glocke mit Inschrift von 1611,8) die heute in einem freistehenden Glockenhaus außerhalb der Kirche aufgehängt ist. Der Patronatsherr Heinrich von Berlepsch (1564–1625) hatte 1598 das Rittergut zu Teuchern und 1609 Patronatsrechte an der städtischen Pfarrkirche zu Teuchern erworben.9) Die Maßnahmen, die er bald darauf zur Verschönerung der Kirche beginnen ließ, haben einen hohen künstlerischen und repräsentativen Anspruch. Sie sind den Umbauten in der Kirche zu Dehlitz (Saale) vergleichbar, die der dortige Patronatsherr Johann von Wolffersdorff anderthalb Jahrzehnte zuvor veranlaßt hatte.10)

Der Bildhauer Leonhard Alictius/Alichius ist bisher weder im thüringischen (Bad) Langensalza noch anderswo nachgewiesen.

Textkritischer Apparat

  1. (et)] Bei Büttner et-Ligatur.
  2. mnemosynon] Griech. Andenken, Denkmal, Erinnerungszeichen.
  3. Alictii] Alichii Otto, BKD Prov. Sachsen 3.

Anmerkungen

  1. Büttner, Teil 1, S. 235 f. Bei Otto 1796, S. 248 und in BKD Prov. Sachsen 3, S. 60 f. irrtümlich als Glockeninschrift überliefert.
  2. Eine an der Turmnordseite eingelassene, stark verwitterte Steintafel, auf der gerade noch einige Buchstabenfragmente ahnbar sind, kann die Inschrift nicht getragen haben. Die noch erkennbare Zeilenmarkierung erlaubt es, die Höhe und ungefähre Breite der Buchstaben zu rekonstruieren und somit auch deren Anzahl annähernd zu berechnen. Auf der Tafel hätten viel weniger Buchstaben Platz gefunden, als die vorliegende Inschrift umfaßt. Die Steintafel hat in der Literatur bisher keine Beachtung gefunden.
  3. Voigt, Kirchenvisitation 1887/1889, S. 11 (erbaut 1610/14); Neumann 1914, S. 40 (erbaut 1610/11); Stork/Schröder, Teuchern 1937, S. 189 (erbaut 1611–1614); Keyser 1941, S. 705 wie Dehio 1976, S. 455 und Dehio 1999, S. 813 (Neubau zwischen 1610 und 1612 unter Einbeziehung des Nordturms von 1504).
  4. Schon Dietmann 3, 1754, S. 1111 schreibt, daß die Kirche 1614 nur „stark repariret“ worden sei. Sommer hält die Kirche für einen spätgotischen Bau des 16. Jh. (Sommer 1874, S. 120; ders. in BKD Prov. Sachsen 3, S. 60).
  5. Vgl. Nr. 230.
  6. Vgl. Anhang II, Nr. 12.
  7. Vgl. Anhang II, Nr. 13–16.
  8. Vgl. Nr. 231.
  9. Zergiebel 1896, S. 491, 494; Keyser 1941, S. 705 f.; Langenkamp 1942, S. 76 f.
  10. Vgl. Nr. 191, 238.

Nachweise

  1. Büttner, Teil 1, S. 235 f.
  2. Otto 1796, S. 248.
  3. BKD Prov. Sachsen 3, S. 60 f.

Zitierhinweis:
DI 62, Weißenfels (Landkreis), Nr. 229† (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di062l001k0022902.