Inschriftenkatalog: Landkreis Weissenfels

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 62: Weißenfels (Landkreis) (2005)

Nr. 217 Hohenmölsen, St. Petri 1605

Beschreibung

Glocke aus der Kirche in Grunau,1) jetzt in der nördlichen Portalvorhalle der Hohenmölsener Kirche abgestellt. Sechsteilige Krone, deren Bügel mit einem Zopfmuster verziert und von Stegen eingefaßt sind. Flache Kronenplatte und Haube. An der Schulter Gießervermerk aus erhabenen Buchstaben zwischen Stegpaaren. Darunter ein Rankenfries (H.: 5,8 cm) und ein zweiter Fries (H.: 4 cm), der dem schmaleren der beiden Friese auf der 1596 gegossenen Glocke in Hohenmölsen entspricht.2) An Wolm und äußerem Rand je zwei Stege.

Maße: H.: 83 cm; D.: ca. 108 cm; Bu.: 2,8 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. ANNOa) M · DC V GOS MICH · MELCHIOR MOERINCKb) ZV ERFFVRDTc) · IM NAMEN GOTTES

Kommentar

Die Buchstabenformen sind schmucklos und streng stilisiert. Ihre Haar- und Schattenstriche sind deutlich differenziert; A, M, N, und V weisen eine Linksschrägenverstärkung auf. Die Bögen von C, D, G und O wurden einem Kreissegment angenähert und verstärkt, bei C und O in Richtung der schrägrechten (!) Schattenachse. Das M hat einen bis zur Grundlinie reichenden Mittelteil und schräggestellte Hasten. Die untere Schräghaste des K und die Cauda des R sind nur leicht geschwungen. Diese neuartige antikisierende Schrift unterscheidet sich stark von der etwas unbeholfenen, die altertümliche Zierformen aufgewiesen hatte und auf allen im Bearbeitungsgebiet befindlichen älteren Glocken der Mörings (bis 1602) verwendet wurde. Auch die jüngeren Glocken der Werkstatt von 1611 in Teuchern und 1625 in Tagewerben zeigen nicht mehr die alte Schrift, aber auch nicht die neue, recht elegante, die auf der aus Grunau stammenden Glocke erstmals zu sehen ist.3) Die Möring-Werkstatt in Erfurt übernimmt damit einen paläographischen Standard, den die in dem obersächsischen Kunstzentrum Freiberg liegende Gießer-Werkstatt Wolfgang Hilgers schon vor einem halben Jahrhundert gepflegt hatte.4)

Zwischen einzelnen Buchstaben bzw. Worten stehen Punkte, scheinbar regellos verteilt. Vielleicht handelt es sich nur um Gußfehler. Die Wortabstände sind ziemlich gleichmäßig.

Textkritischer Apparat

  1. ANNO] Vor dem Wort eine gestürzte Lilie, ein typisches Ornament der Möring-Werkstatt.
  2. MOERINCK] Moerinch Heydenreich.
  3. ERFFVRDT] Erfurdt Heydenreich, BKD Prov. Sachsen 3.

Anmerkungen

  1. Der Ort und die Kirche wurden 1996–98 in Vorbereitung des Braunkohleabbaus devastiert (freundliche Mitteilung von Andreas Ose, Zeitz).
  2. Vgl. Nr. 192.
  3. Zur Möring-Werkstatt vgl. Nr. 186; eine Abzeichnung der Buchstabenformen in der Einleitung S. LII. Dieselbe Schrift erscheint im Bearbeitungsgebiet noch einmal auf einer ehemals in Schkortleben befindlichen Glocke (vgl. Nr. 240).
  4. Vgl. Nr. 145.

Nachweise

  1. Heydenreich 1840, S. 243.
  2. BKD Prov. Sachsen 3, S. 20.

Zitierhinweis:
DI 62, Weißenfels (Landkreis), Nr. 217 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di062l001k0021705.