Inschriftenkatalog: Landkreis Weissenfels

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 62: Weißenfels (Landkreis) (2005)

Nr. 189 Weißenfels, Marienstraße 1 a 1595

Beschreibung

Inschrifttafel aus Sandstein, an der Fassade der ehemaligen städtischen Knabenschule gegenüber der Stadtkirche, zwischen Erd- und erstem Obergeschoß eingeputzt. Bauinschrift aus erhabenen Buchstaben auf eingetieften, durch schmale Stege getrennten Zeilen.

Maße: H.: 45 cm; B.: 76 cm; Bu.: 5,2 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Franz Jäger) [1/1]

  1. CO(N)S(VLE)a) · BLASIO · THEVRINGb) / CHRIST(OFORO) · SCHVTZ · AEDILI · / HENR(ICO)c) · COLANDRO · REId) · SACR(AE)e) ·OECON(OMO) / SCHOLAE · HVIVS · AEDIFICIVM / RENOVABAT ·THOM(AS) · DEIMNERf) / ANNO · CHRISTI · M · D · XCV ·

Übersetzung:

Zur Zeit des Bürgermeisters Blasius Theuring, des (Rats-)Baupflegers Christoph Schütz, des Küsters Heinrich Colander erneuerte Thomas Deimner das Gebäude dieser Schule im Jahre Christi 1595.

Kommentar

Die schmucklosen Buchstaben sind unregelmäßig ausgehauen. Die Bogen-, Balken- und Schaftendungen sind in unterschiedlicher Stärke keilförmig gebildet. Das obere Bogenende des D kragt über; das M hat einen noch über der Mittellinie endenden Mittelteil und sehr schräge Hasten. Die Kürzungen sind nicht markiert; als Worttrenner dienen Quadrangel.

Die Inschrift überliefert einen Umbau; das heutige Erscheinungsbild der ehemaligen Knabenschule wird aber von Baumaßnahmen des 18. Jh. geprägt.1) Blasius Theuring war zwischen 1561 und 1579 Ratsverwandter und zwischen 1582 und 1597 Bürgermeister bzw. Stadtrichter zu Weißenfels. Er starb 1599.2) Christoph Schütz (um 1550–1631) war der Vater des bedeutendsten deutschen Komponisten des 17. Jh., Heinrich Schütz.3) Er gehörte zwischen 1591 und 1607 in verschiedenen Funktionen und zwischen 1609 und 1622 als Bürgermeister bzw. Stadtrichter dem Rat an.4) Als Aedil beaufsichtigte er die städtischen Bauvorhaben und sorgte für die bauliche Instandhaltung städtischer Gebäude.5) Theuring und Schütz amtierten gemeinsam u. a. in der Wahlperiode 1594/95. Der aus Schwabach in Franken stammende Heinrich Colander wird 1580 erstmals als Organist erwähnt.6) Dieses Amt war gelegentlich mit dem des Küsters verbunden,7) der seit der Reformation vor allem Verwaltungsaufgaben wahrnahm. Colander erhielt 1589 das Bürgerrecht und war zwischen 1591 und 1603 Ratsmitglied und von 1604 bis 1614 Bürgermeister bzw. Stadtrichter.8) Durch Ehelichung der Witwe des 1587 verstorbenen Matthes Schütz, eines Bruders von Christoph Schütz, war Heinrich Colander mit diesem verschwägert.9) Thomas Deimner war wohl als Baumeister im Auftrag des Rates tätig. Er ist vielleicht mit dem schon 1593 inschriftlich genannten Thomas Teubner identisch.10) Die vorliegenden und vergleichbaren Inschriften11) zeigen, daß die Errichtung und Instandhaltung städtischer Schulgebäude als gewichtige Aufgabe des Rates angesehen wurde.

Textkritischer Apparat

  1. CONSVLE] Coss. Büttner, Otto, Heydenreich.
  2. THEVRING] Theuringio Büttner, Otto, Heydenreich.
  3. HENRICO] Heinrico Büttner, Otto, Heydenreich.
  4. REI] Rer(um) Büttner, Otto, Heydenreich.
  5. SACRAE] Das R verkleinert und in den Bogen des C eingestellt.
  6. DEIMNER] Lesung unsicher, auch DEVMNER möglich.

Anmerkungen

  1. Dehio 1999, S. 852. Zur Baugeschichte vgl. a. Nr. 139.
  2. Thielitz, Bürgermeister, o. S.; Thierbach 1986, o. S.; Thielitz 1988, S. 41–44. Bis 1575 war Theuring Organist an der Marienkirche (Heydenreich 1840, S. 195).
  3. Zu Heinrich Schütz vgl. a. Nr. 137.
  4. Thielitz, Bürgermeister, o. S.; Thierbach 1986, o. S.; Thielitz 1988, S. 43–48.
  5. Zedler 1, 1732, Sp. 614.
  6. Büttner, Teil 2, S. 120. Nach Heydenreich 1840, S. 195 f. arbeitete Colander sowohl als Organist wie auch als Küster nur von 1594 bis 1595.
  7. So schon bei Colanders Vorgänger Georg Horn, der um 1555 an der Schule tätig war (Heydenreich 1840, S. 195 f.).
  8. Bürgerbuch, S. 9; Thielitz, Bürgermeister, o. S.; Thierbach 1986, o. S.; Thielitz 1988, S. 43–45.
  9. Thielitz 1988, S. 14, 46.
  10. Vgl. Nr. 187.
  11. Vgl. DI 16 (Rhein-Neckar-Kreis), Nr. 131. Auch in dieser Inschrift von 1571 wird der Baupfleger des Stadtrates als Aedil (aedilis curulis) bezeichnet.

Nachweise

  1. Büttner, Teil 2, S. 147.
  2. Otto 1796, S. 64 f.
  3. Heydenreich 1840, S. 94 f.
  4. Thielitz 1988, S. 11.

Zitierhinweis:
DI 62, Weißenfels (Landkreis), Nr. 189 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di062l001k0018903.