Inschriftenkatalog: Landkreis Weissenfels

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 62: Weißenfels (Landkreis) (2005)

Nr. 182 Goseck, St. Andreae 1591

Beschreibung

Epitaph für Barbara Peifer, heute im Vorraum der Kirche aufgestellt. Kopf-, Fuß- und rechte Seitenleiste der reliefierten Sandsteinplatte partiell stark beschädigt. Im eingetieften Mittelfeld die Ganzfigur der Verstorbenen mit steifen, weit ausschwingenden Röcken, einer Haube und einem Tuch, das Kopf, Schulter, Brust und Oberarme bedeckt. Die Hände sind zum Gebet aneinandergelegt. Zu ihren Füßen ein sich windender Drache und zwei in den Ecken des Binnenfeldes angebrachte Wappen. Die zugehörigen Oberwappen sind aber ungewöhnlicherweise neben dem Haupt der Verstorbenen plaziert, das auf einem Kissen mit Initialen (B) ruht. Auf umlaufender eingetiefter Schriftzeile Sterbevermerk und Grabbezeugung (A), die sich im Binnenfeld zu Füßen der Verstorbenen fortsetzt. Am Ende der Grabschrift die Initialen des Bildhauers. Sämtliche Buchstaben erhaben.

Ergänzungen nach Lepsius.

Maße: H.: 196 cm; B.: 93 cm; Bu.: 4,8 cm (A), 3–3,4 cm (B), 4 cm (C).

Schriftart(en): Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/2]

  1. A

    · BARBARA DAVIDIS [P]EIFE[RI ·]a) / [HAVD] B[ARBAR]A CONIVNXH[IC]b) DORMIT / [· MV]NDO MORTVA VIVA DEO · /FVIT XV · LIBERORVM PARENS : VIXIT ANNOS XLVII MEN(SES) XIc) DIES VII // PIE OBDORMIVIT GOSSIGII / ANNO MDXCId) : / DIE III NOVEMB(RIS) HK

  2. B

    D(EO) S(ACRVM)e)

Übersetzung:

A Hier ruht Barbara, David Peifers gebildete Ehefrau, in der Welt gestorben, lebendig bei Gott. Sie war Mutter von 15 Kindern, lebte 47 Jahre, 11 Monate, 7 Tage (und) entschlief fromm in Goseck im Jahre 1591, am dritten Tag des November. HK

B Gott geweiht.

Versmaß: Elegisches Distichon (1. und 2. Zeile von A).

Wappen:
Peifer1)Grünewaldt2)

Kommentar

Die Buchstabenbreiten und -abstände sind wie die Wortabstände und die Wortverteilung unregelmäßig. Die Buchstabenformen wirken gelegentlich unbeholfen. Das A ist fast immer nach rechts geneigt; der untere Bogen des B ist wesentlich größer als der obere. E und T zeichnen rechtsschräge Sporen aus, die übrigen Buchstaben haben eher keilförmige Schaft- und Bogenendungen. Das M hat ein tiefes Mittelteil und gerade Hasten. Über fast allen römischen Zahlzeichen sind Striche angebracht, meist mit einer Ausbuchtung nach oben. Von den fünfblättrigen Blüten, die sich wohl an jeder Ecke des umlaufenden Schriftbandes befanden, sind nur die an der linken Seite erhalten. Zur Wortkürzung dienen einzelne oder zwei übereinandergesetzte Quadrangel.

Das Wortspiel BARBARA (...) HAVD BARBARA CONIVNX (Barbara, die nicht ungebildete Ehefrau; barbarus, lat. ungebildet, unkultiviert) gibt der eher schlicht gehaltenen Inschrift einen gelehrten Anstrich. Zugleich ersetzt HAVD BARBARA das formelhafte „ehrentugendsam“ oder „vieltugendsam“, wie es in deutschsprachigen Grabinschriften verwendet wurde.3)

Barbara, geboren 1543, stammt von der Augsburger Patrizierfamilie Grünewaldt oder Grunewaldt ab. Ihr Vater, der Arzt Blasius Grünewaldt, ließ sich 1537 in Dresden nieder und wirkte als herzoglicher Leibarzt.4) Barbaras Gemahl Dr. David Peifer (1530–1602), der die Inschrift selbst entworfen haben soll,5) war seit 1565 Hofrat und seit 1586 Kanzler am Dresdner Hof. 1589 resignierte er, verließ den Hof und bezog mit seiner Familie das im selben Jahr erworbene ehemalige Klostergut zu Goseck. Drei Monate nach dem Tode seiner Gemahlin kehrte er aber nach Dresden zurück. Der in Leipzig geborene Peifer hatte eine umfangreiche Geschichte seiner Heimatstadt verfaßt und war schon 1550 als Poeta laureatus geehrt worden.6) Als preisgekrönter Literat mochte er seiner Gemahlin eine kunstvollere Grabinschrift zueignen.

Der Lindwurm oder Drache zu Füßen der Verstorbenen verkörpert wohl in alter christlicher Tradition das Böse schlechthin, das durch den Fortgang aus der Welt endgültig überwunden wird.

Die Grabplatte ist ein Werk des vermutlich in Naumburg ansässigen und in der weiteren Umgebung der Stadt vielfach nachweisbaren Monogrammisten HK, wie die Initialen am Ende der Inschrift A bezeugen.7)

Textkritischer Apparat

  1. PEIFERI] PFEIFERI BKD Prov. Sachsen 27.
  2. HIC] HOC BKD Prov. Sachsen 27.
  3. XI] IX Lepsius.
  4. MDXCI] Zwischen den ersten drei Zahlzeichen größere Abstände. Es folgen zwei übereinandergesetzte Quadrangel.
  5. Auflösung unsicher, keine Kürzungszeichen.

Anmerkungen

  1. Der Schild gerautet; die drei von rechts oben nach links unten laufenden Rauten mit Hörnern belegt. Der am oberen Ende der Platte stehende Helm ist gekrönt und mit einem Flug verziert.
  2. Der Schild rechtsschräg geteilt: unten drei Hügel mit je einem Baum, oben die Sonne und acht Sterne (ein Sternbild?). Den am oberen Ende der Grabplatte angebrachten Helm ziert ein Wulst und ein Baum zwischen Büffelhörnern. Abweichend das Wappenbild der Grünewaldts bei Siebmacher V, 1, Taf. 86.
  3. Vgl. z. B. Nr. 158, 159, 171, 174, 220.
  4. Lepsius 3, 1855, S. 152–154.
  5. Schamelius 1732, S. 87; Thuringia sacra 1737, S. 625.
  6. Matrikel Leipzig 1, S. 632; Matrikel Leipzig 2, S. 686, 725; ADB 25, 1887, S. 321–324; DBE 7, 1998, S. 589. Zum Amt des Hofkanzlers vgl. Nr. 136.
  7. Vgl. Nr. 153.

Nachweise

  1. Schamelius 1732, S. 87 (nur die ersten drei Zeilen von A).
  2. Thuringia sacra 1737, S. 625 (nur die ersten drei Zeilen von A).
  3. Küchler 1822, S. 32 (nur die ersten drei Zeilen von A).
  4. Lepsius 3, 1855, S. 155 f. (nur A).
  5. BKD Prov. Sachsen 27, S. 121 (nur A).

Zitierhinweis:
DI 62, Weißenfels (Landkreis), Nr. 182 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di062l001k0018207.