Inschriftenkatalog: Landkreis Weissenfels

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 62: Weißenfels (Landkreis) (2005)

Nr. 153 Burgwerben, Kirche 1570

Beschreibung

Epitaph für Melchior von Bothfeld an der Nordwand des Chores. Hochrechteckige, reliefierte Sandsteinplatte, bekrönt von Gebälk und Giebel. Die untere Hälfte der Platte stark, das unterste Viertel bis zur Formlosigkeit verwittert. Im Binnenfeld die Darstellung des Verstorbenen, von einer bogenförmig geschlossenen Nische hinterfangen. Bärtiger Mann, bekleidet mit Pluderhose, kurzem, pelzgefüttertem Mantel mit hohem Stehkragen und großem Hut. Seine linke Hand umfaßt den Schwertgriff, seine rechte ein Paar Handschuhe. Neben Haupt und Füßen, die Rahmenleisten überdeckend, je zwei Vollwappen. Umlaufend Sterbevermerk und Fürbitte, die sich an beiden Laibungsseiten und am Bogen der Nische fortsetzen (A). Erhabene Buchstaben auf eingetiefter, von Stegen eingefaßter Schriftleiste. Am Gebälk Bibelzitat aus erhabenen Buchstaben (B); am Giebel Gottvater mit Segensgestus und Weltkugel.

Ergänzungen größtenteils nach Fotografie.

Maße: H.: 266,5 cm; B.: 143,5 cm; Bu.: 2,5–3,3 cm, 5 cm (A), 4 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis, einzelne Frakturversalien

Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt [1/1]

  1. A

    JM IAR 1570 AM MITWO(CH)a) FOR DER HIE/MELF(AHRT)b)CHR(IST)Ic) [IST IN GOT SELIG] [- - -] / [- - -] / [- - -] [MELCHIORVON BOTHF]ELDTd) SEINS // [ALTERSe) IM 45 IARf) WOLLE] // DERBARMHERTZ(IGE)g) GOTT // [- - -]h)

  2. B

    JN DEINE HENDE HAB ICH BEFOHLN MEINEN GEIST / DV HAST MICH ERLOSET HERRE DV TREWER GOTT1)

Datum: 1570 Mai 3.

Wappen:
Bothfeldt2)Burkersroda3)
(unkenntlich)(unkenntlich)

Kommentar

Die Buchstaben haben zumeist eine gleichmäßige Strichstärke und dreieckige Sporen. Nur M, N und V weisen eine schwache Linksschrägenverstärkung auf. Das A ist nach rechts geneigt; E und F haben abgewinkelte Sporen und einen stark verkürzten Mittelbalken. Das M weist gerade Hasten und einen bis fast an die Grundlinie herabgezogenen Mittelteil auf. Die Cauda des R setzt am Bogen an und ist unterschiedlich stark geschwungen. Die Punkte der Kürzungszeichen sind als Rauten ausgeführt. Inschrift A bot eine Variante eines weit verbreiteten Formulars, das außer Todesdatum und Namen des Verstorbenen ehrende Epitheta und eine Fürbitte enthielt.4)

Im Ganzen ist es eine tüchtige Arbeit von guter handwerklicher Qualität, die trotz fehlender Signatur dem Monogrammisten HK zugeschrieben werden kann. Das Monogramm des Bildhauers – es besteht aus einem Nexus litterarum der Kapitalisbuchstaben H und K5) – war am Burgwerbener Epitaph sicherlich wie bei den meisten typologisch vergleichbaren Epitaphien des Meisters zwischen den Füßen des Verstorbenen angebracht. Anhand der signierten und sicher zuweisbaren Werke ist das Schaffen des Monogrammisten zwischen 1566 und 1593 belegbar.6) Die Autorschaft an drei weiteren, inschriftlich auf 1599, 1601 und 1602 datierten und z. T. signierten Werken ist wegen des großen zeitlichen Abstands zu dem Werk der frühen neunziger Jahre fraglich. Bis auf drei Taufsteine und eine Kanzel, die alle zu den vorläufig nicht sicher zuweisbaren Werken gehören,7) umfaßt das Oeuvre ausschließlich Grabmäler für Personen bürgerlichen und adligen Standes. Die dem Monogrammisten HK zugeschriebenen Werke finden sich entlang der mittleren Saale vom Raum Merseburg/Querfurt im Norden bis Naumburg und Zeitz im Süden. Die frühesten bislang nachweisbaren Werke haben sich im Bearbeitungsgebiet, d. h. um Weißenfels, erhalten; später arbeitete der Bildhauer vorzugsweise im Naumburger Raum.

Innerhalb der Gruppe hochrechteckiger Epitaphien mit ganzfigürlicher Darstellung des Verstorbenen, die den Hauptteil des Werkes darstellen, nehmen die frühen Werke in Wengelsdorf (1566), Burgwerben, Poserna (1571) und Roßbach bei Naumburg (1576)8) eine Sonderstellung ein: die in Wengelsdorf und Poserna zeigen eine besondere, nur für diese beiden Arbeiten verwendete Schriftform; die in Burgwerben, Poserna und Roßbach sind in gleicher Weise mit Gebälk und Giebel bekrönt und damit aufwendiger gestaltet als alle jüngeren Epitaphien desselben Typs. In allen drei Giebeln ist Gottvater dargestellt. Abgesehen von Unterschieden in Physiognomie und Kopfbedeckung entsprechen Haltung und Kleidung der in Burgwerben und Poserna Dargestellten einander weitgehend. Die Gebälkinschriften beider Epitaphien stimmen im Wortlaut und teilweise sogar in der Schreibung überein. Welches von beiden aber tatsächlich das ältere ist, bleibt wegen der Verwendung der älteren im Werk des Monogrammisten auftretenden Schriftform auf dem Grabmal in Poserna ungewiß.9) Die übrigen Grabmäler des Meisters sind einfacher gehalten, sofern es sich nicht um mehrfigurige Epitaphien handelt.10)

Die Schriftform des Burgwerbener Epitaphs ist typisch für diesen Bildhauer. Er verwendet in allen Kapitalisinschriften die gleichen Buchstaben- und Sporenformen, arbeitet gelegentlich die Linksschrägenverstärkung bei M und N stärker heraus und bringt stets das rechtsgeneigte A.11)

Die Grabmalskunst des Monogrammisten HK, der wohl einer der wichtigsten Lieferanten anspruchsvoller Epitaphien in dem hier betrachteten Gebiet war, folgt den gestalterischen Konventionen seiner Zeit.12) Einige wenige Variationen, insbesondere bei den Frauenepitaphien,13) sind vermutlich auf Wunsch der Auftraggeber zustandegekommen. Obwohl seine Bildwerke standesbezogenen und traditionsorientierten Repräsentationsbedürfnissen verpflichtet und insofern recht schematisch bleiben, zeigt sich doch in Details, z. B. in der physiognomischen Differenzierung, ein höherer künstlerischer Anspruch. Innerhalb der vorgegebenen Grenzen weist das Gesamtwerk eine vergleichsweise gute, letztlich aber auf provinziellem Niveau verharrende künstlerische Qualität auf. Gelegentliche Qualitätsschwankungen, die vor allem an untergeordneten Stellen oder an kleineren Werken sichtbar sind, mögen auf die Mitwirkung minder begabter Gesellen zurückzuführen sein.

Textkritischer Apparat

  1. MITWOCH] Kürzung durch zwei übereinandergestellte Rauten.
  2. HIEMELFAHRT] Kürzung durch zwei übereinandergestellte Rauten; in moderner Schreibweise ergänzt. Danach Unterbrechung des Schriftzugs durch ein Wappen.
  3. CHRISTI] Kürzung durch überschriebenen Strich mit Ausbuchtung nach oben.
  4. BOTHFELDT] Danach Unterbrechung des Schriftzugs durch ein Wappen.
  5. ALTERS] Auf der Fotografie nur die letzten drei Buchstaben lesbar; ergänzt nach zahlreich vorliegenden Vergleichsbeispielen.
  6. IAR] Auf der Fotografie nur der erste Buchstabe lesbar; ergänzt nach anderem Wortbeispiel im Text.
  7. BARMHERTZIGE] Kürzung durch Punkt. Nach dem vierten Buchstaben Unterbrechung der Schriftleiste durch den Hut des Dargestellten.
  8. [- - -] Auf der Fotografie noch mehrere Buchstabenteile schemenhaft erkennbar.

Anmerkungen

  1. Paraphrase nach Ps 31,6.
  2. Siebmacher VI, 6, Taf. 15.
  3. Siebmacher III, 1, Taf. 44; III, 2, Taf. 135.
  4. Vgl. Nr. 149, 157.
  5. Gelegentlich findet sich eine Ausbuchtung am Balken des H.
  6. Vgl. Nr. 150, 152, 157, 169, 182, 196 (?) und DI 7 (Naumburg 2), Nr. 257, 262; DI 9 (Naumburg 3), Nr. 439, 450, 459–462, 466; DI 52 (Zeitz), Nr. 156; BKD Prov. Sachsen 8, S. 74; BKD Prov. Sachsen 9, S. 31; BKD Sachsen 15, S. 92; BKD Prov. Sachsen 24, S. 256 f.; BKD Prov. Sachsen 26, S. 139–141, 187; BKD Prov. Sachsen 27, S. 277. Außerdem drei undatierte Epitaphien (vgl. BKD Prov. Sachsen 27, S. 313). Erste Versuche, das Werk des Bildhauers zusammenzustellen: BKD Prov. Sachsen 27, S. 328; Schröder 1933; Thieme/Becker 37, 1950, S. 407.
  7. Vgl. Nr. 196 (Taufstein in Goseck, bez. 1599) und BKD Prov. Sachsen 27, S. 56 (Kanzel in Niedereichstädt, bez. 1601), 79 (Taufstein in Freyburg/Unstrut). Dazu noch der mit 1602 bez. Taufstein in Niedereichstädt (freundliche Mitteilung von Dr. Ilas Bartusch, Heidelberg).
  8. Zu Roßbach vgl. DI 9 (Naumburg 3), Nr. 439; BKD Prov. Sachsen 26, S. 187.
  9. Vgl. dazu Nr. 157.
  10. Vgl. Nr. 169.
  11. Vgl. a. Einleitung, S. LII.
  12. Vgl. a. Einleitung, S. XXXVIII–XLII.
  13. Vgl. Nr. 182 und DI 9 (Naumburg 3), Nr. 439.

Nachweise

  1. Fotografie im Landesamt für Denkmalpflege Sachsen-Anhalt, Halle.
  2. BKD Prov. Sachsen 3, S. 5 (bruchstückhafte, paraphrasierende Überlieferung).

Zitierhinweis:
DI 62, Weißenfels (Landkreis), Nr. 153 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di062l001k0015306.