Inschriftenkatalog: Landkreis Weissenfels
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 62: Weißenfels (Landkreis) (2005)
Nr. 130(†) Weißenfels, Nikolaistraße 2/4 † 1544, 1616
Beschreibung
Zweigeschossiger, traufständiger Putzbau, ehemals der Gasthof „Zum goldenen Esel und zum Schützen“, wahrscheinlich 1544 aus zwei benachbarten Gebäuden entstanden und 1979 abgerissen.1) Erhalten blieb ein hochrechteckiges Sandsteinrelief mit Hauszeichen – ein gekrönter Esel, der den Dudelsack bläst – und erhabener Inschrift (A), eingelassen in die einzig erhaltene Wand des Hauses Nikolaistraße 2. Die Inschrift setzt in der oberen linken Ecke an und nimmt etwa ein Drittel des Relieffeldes ein. Darunter sitzt der in Profilansicht dargestellte Esel. Schrift und Esel mit Spuren einer gelben (goldfarbenen?) Fassung. Am Tor von Nikolaistraße 4, einem rundbogigen Sitznischenportal mit flankierenden Säulen und großem Lünettengiebel, ehemals eine erhabene Jahreszahl (B) am unteren Rand des Giebelfeldes. An demselben Gebäude ehemals ein Erker mit Namen und Jahresangabe (C), eingehauen über dem Fenster des ersten Geschosses. Die skulptierten Teile des Portals (mit B) und des Erkers (mit C) wurden beim Abbruch 1979 zunächst geborgen, gingen aber dann doch fast alle verloren.2)
Ergänzungen nach Fotografien.
Maße: H.: 79 cm (A); B.: 65 cm (A); Bu.: 4–5,5 cm (A).
Schriftart(en): Kapitalis.
- A
DI·SER · GAST · HOF · STE/HET · IN · GOTTES · HAN/DTZVM · GVLDEN · ESE/L · IST · ES G/ENANT ·
- B†
1544
- C†
CHRISTOF · SCHVTZa) · 1616
Versmaß: Deutscher Reimvers (A).
Textkritischer Apparat
- SCHVTZ] Bei Werner der Vokal als Großbuchstabe mit zwei darübergesetzten Punkten wiedergegeben.
Anmerkungen
- Büttner, Teil 2, S. 208; Otto 1796, S. 89; Denkmale 1983, S. 518.
- Erhalten und im Heinrich-Schütz-Haus deponiert sind ein reliefiertes Zwickelfeld des Portals und zwei reliefierte Brüstungsfelder vom Obergeschoß des Erkers.
- Thielitz 1988, S. 9–13. Nach Werner war der Gasthof bereits seit etwa 1580 in Familienbesitz und wurde seit 1592 von Christoph Schütz bewirtschaftet. Zur Biographie Christoph Schütz’ vgl. a. Nr. 189.
- Vgl. Zinck 1913, S. 73 und DI passim.
- RDK 5, 1967, Sp. 1497–1501.
- Büttner, Teil 2, S. 208; Otto 1796, S. 89.
Nachweise
- Fotografien im Besitz des Heinrich-Schütz-Hauses zu Weißenfels (nur B, C).
- Werner 1913, S. 44 (nur C).
- Link 1935, o. S. (nur B).
- Sch. 1955, S. 265 (nur C).
Zitierhinweis:
DI 62, Weißenfels (Landkreis), Nr. 130(†) (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di062l001k0013003.
Kommentar
Der rechte bzw. linke Schaft der Buchstaben A und V in Inschrift A stehen aufrecht, der jeweils andere dagegen ist stark nach rechts geneigt. An dem Mittelbalken von H, der Haste des I und der Schräghaste des N befinden sich die für ältere Schriftformen, insbesondere die frühhumanistische Kapitalis, charakteristischen halbkreisförmigen Ausbuchtungen. Z hat einen Mittelbalken. Die Endungen der Hasten, Balken und Bögen in A sind meist schwach keilförmig verbreitert, die Worttrenner sind unregelmäßig. Die Ausführung der Inschrift wirkt insgesamt unbeholfen.
Die Schrift von C ist fast schmucklos. Die eher breit proportionierten, gleichmäßig ausgeführten Buchstaben haben nur schwach ausgebildete Sporen. Die am Bogen ansetzende, weit ausschwingende Cauda des R ist bis unter die Grundlinie geführt. Z hat einen Mittelbalken. Die Worttrenner sind nicht genauer beschreibbar.
Christoph Schütz war 1590 mit seiner Familie, dabei sein fast fünfjähriger Sohn Heinrich, aus Köstritz (heute Bad Köstritz in Thüringen) nach Weißenfels gezogen, um das Erbe seines Vaters Albrecht anzutreten. Er bewirtschaftete den ererbten Gasthof „Zum goldenen Ring“ (Jüdenstraße 51), bis er 1615 den Gasthof „Zum gulden Esel“, auch „Zur gulden Sackpfeiffen“ genannt, erwarb.3) Das Hauszeichen mit Inschrift (A), das in Wort bzw. Bild die älteren Namen des Gasthofs überliefert, ist vielleicht mit dem Portal 1544 entstanden. Der vorliegende Reimvers erfreute sich großer Beliebtheit und war als Hausinschrift in vielen Varianten jahrhundertelang gebräuchlich.4) Der musizierende Esel symbolisiert die verkehrte Welt, steht aber auch für den unverständigen oder anmaßenden Menschen, der seinen eigenen vermessenen Anspruch nicht zu erfüllen vermag. Als Bildmotiv ist er seit dem hohen Mittelalter in allen Kunstgattungen verbreitet.5) Vermutlich seit dem durch C datierten Umbau, bei dem der Erker angesetzt worden war,6) hieß der Gasthof „Zum Schützen“.