Inschriftenkatalog: Landkreis Weissenfels

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 62: Weißenfels (Landkreis) (2005)

Nr. 111 Obernessa, Kirche 1. Viertel 16. Jh.

Beschreibung

Abendmahlskelch aus vergoldetem Silber. Sechspaßfuß mit weit ausschwingendem Stehrand und hoher profilierter Zarge; auf den Fußsegmenten Maßwerkornamente und eine Kreuzigungsgruppe mit Kreuztitulus (D). Die Gewänder der Figuren mit Schattenschraffuren modelliert. Sechsseitiger Stilus mit sechsstrahligem Nodus. Auf den rautenförmigen Rotuli Nomen sacrum (A); die einzelnen Buchstaben in kleine maßwerkähnliche Rahmen eingestellt. Auf den Zungen des Nodus Maßwerkornamente, die alternierend mit Binnenschraffuren versehen sind. Am Stilus über dem Nodus eine Anrufung Mariae (B), unter dem Nodus eine Buchstabenfolge, vermutlich Initialen (C). Die einzelnen Buchstaben von B und C in rechteckigen Rähmchen. Unter dem Fuß Inschrift E (Gewichtsangabe). Sämtliche Inschriften graviert, A in Konturschrift, alle übrigen einlinig.

Maße: H.: 19,3 cm; D.: 9,9 cm (Kuppa), 14,2 cm (Fuß); Bu.: 0,6–1,0 cm (A–C), 0,2 cm (D), 0,3–0,4 cm (E).

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis (A–D), Kapitalis (E).

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/1]

  1. A

    I//H//E//S//V//S

  2. B

    O MARIA

  3. C

    H S A S D O

  4. D

    I(HESVS) · N(AZARENVS) · R(EX) · I(VDEORVM)1)

  5. E

    XXVII LOT

Übersetzung:

D Jesus von Nazareth, König der Juden.

Kommentar

Die Schaft-, Balken- und Bogenendungen in Inschrift A verbreitern sich allmählich. In den übrigen Inschriften sind sie eher keilförmig und zumeist gekerbt. Das A hat einen gebrochenen Mittelbalken und einen überstehenden Deckbalken. Die Bögen von D und R sind offen; die Cauda des R setzt am Bogen an. In Inschrift D hingegen ist der Bogen des R geschlossen und setzt die Cauda unter dem Bogen am Schaft an. Das E ist zweibogig; das H hat am Balken eine Ausbuchtung nach unten, das I (in A und B) einen Schaftnodus. Das M weist einen hohen Mittelteil und schräge Hasten auf. Das O ist mandelförmig.

Die Initialen von C sind nicht aufzulösen. Ihre Edition beginnt unter dem ersten Buchstaben der Inschrift B, wobei nicht sicher ist, daß die Inschrift C tatsächlich an gleicher Stelle einsetzt. Inschrift E ist die Gewichtsangabe des Kelches, die bei einer Inventarisierung in nachreformatorischer Zeit angebracht wurde.

Die stilistischen Eigenarten der Maßwerkornamentik auf dem Fuß, das sind insbesondere die einander überschneidenden Kielbögen, und nicht zuletzt die Schriftform erlauben eine Datierung in das erste Viertel des 16. Jh.2) Großflächige figürliche und ornamentale Gravuren finden sich häufig auf Kelchfüßen sächsisch-thüringischer Goldschmiede des 15. und frühen 16. Jh.3) Datierte Kelche aus Erfurt (1505) und Zeitz (1519) zeigen eine vergleichbare Maßwerkornamentik.4) Auch der weit ausschwingende Stehrand weist auf eine späte Entstehung hin. Kelche mit vergleichbarem Stehrand und vergleichbarer Zarge sind zwischen 1500 und 1541 entstanden.5) Nodus und Schriftformen sind denen eines auf 1516 datierten Kelches in Erfurt ähnlich.6)

Anmerkungen

  1. Nach Io 19,19.
  2. Eine „Gitterbildung aus durchdringenden Kielbögen“ seit dem Ende des 15. Jh. verbreitet (Binding 1989, S. 351 f.).
  3. Fritz 1966, S. 247–250. Dort auch ein vergleichbarer Kelchfuß, datiert A. 16. Jh., abgebildet (a. a. O. S. 359, Abb. 280).
  4. BKD Prov. Sachsen 1, S. 49 f.; Katalog Magdeburg 2001, S. 314 (Nr. 105).
  5. BKD Prov. Sachsen 1, S. 49 f. (vgl. a. DI 52, Zeitz, S. 250); Katalog Erfurt 1992, S. 74–76, 216 (Nr. 2. 13, 2. 15, 2. 16); Katalog Magdeburg 2001, S. 309 f. (Nr. 102).
  6. Katalog Erfurt 1992, S. 76, 216 (Nr. 2. 16).

Zitierhinweis:
DI 62, Weißenfels (Landkreis), Nr. 111 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di062l001k0011108.