Inschriftenkatalog: Landkreis Weissenfels

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 62: Weißenfels (Landkreis) (2005)

Nr. 108 Weißenfels, St. Mariae um 1520

Beschreibung

Runder reliefierter Schlußstein im westlichsten Joch des Nordseitenschiffs mit Initialen beiderseits einer Marke, die sich auch am Schlußstein des gegenüberliegenden Jochs des Südseitenschiffs befindet.1) Auf den übrigen Schlußsteinen der beiden Seitenschiffe Wappen (im Süden) und Gewerkezeichen (im Norden), die wahrscheinlich nicht mit den Initialen in Zusammenhang stehen.

Maße: D.: ca. 40 cm; Bu.: ca. 15 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/1]

  1. H // S

Kommentar

Der Balken des H besitzt eine Ausbuchtung nach oben; das S ist nach links geneigt und spiegelverkehrt. Die Buchstaben sind sicherlich die Initialen des Baumeisters oder führenden Steinmetzen. Ein Bildhauer mit dem Monogramm HS ist 1553 im benachbarten Naumburg tätig, sein Zeichen ist aber von dem in Weißenfels sehr verschieden.2)

Die kunstvollen Gewölbe in den Seitenschiffen wurden vermutlich um 1520 eingezogen.3) Ihre Schlußsteine zeigen im Süden (von Osten nach Westen) wahrscheinlich das Wappen derer von Werthern,4) das Wappen des Herzogtums Österreich (?) und die Wappen des Landesherrn: Herzogtum Sachsen (ohne Rautenkranz!), Grafschaft Brehna, Markgrafschaft Meißen, Landgrafschaft Thüringen, Pfalzgrafschaft Sachsen und das Reichserzmarschallamt.5) Das erste (östlichste) Wappen erinnert wohl an den herzoglich-sächsischen Hofbeamten Hans (Johann) von Werthern (1443–1533), der jahrzehntelang Amtshauptmann zu Weißenfels und zeitweilig Statthalter in Thüringen und Verweser des Osterlandes gewesen war.6) Das österreichische Wappen ist wohl in einem noch nicht näher faßbaren Bezug zu Margaretha von Österreich (1416/17–1486) angebracht worden. Als Witwe Kurfürst Friedrichs des Sanftmütigen lebte sie seit 1464 in Altenburg (Thüringen) unweit von Weißenfels.7) An den Schlußsteinen im Nordseitenschiff sind Gewerkezeichen der Schuhmacher,8) der Tuchmacher9) und der Steinmetzen,10) wie sie in gleicher oder ähnlicher Form allgemein verbreitet waren. Obwohl das Wappenprogramm noch nicht hinreichend untersucht ist, darf angenommen werden, daß die Zeichen der Zünfte oder Gilden in Würdigung ihrer Verdienste um den Kirchenbau angebracht wurden.11)

Anmerkungen

  1. Vgl. Anhang II, Nr. 4.
  2. Vgl. DI 7 (Naumburg 2), Nr. 235.
  3. Ein vorläufiger Bauabschluß für 1480 überliefert (vgl. Nr. 44). Die Gewölbe nach Dehio 1976, S. 478 datiert.
  4. Schrägrechter Ast mit drei Blättern. Erst unter Karl V. (1519–1556) soll der Schild geviert, das alte Familienwappen in 2 und 3 und ein neues, angeblich vom Kaiser verliehenes Wappen (in Gold ein roter Löwe) in 1 und 4 gesetzt worden sein. Die beschriebene und so bei Siebmacher II, 3, Taf. 5; III, 2, Taf. 485; VI, 11, Taf. 38 verzeichnete Wappenordnung ist erstmals für 1558 belegt (Jovius 1712, S. 41 f.; Werthern 1907, S. 21).
  5. Siebmacher I, 1, Taf 24–26; I, 1, 1, Taf. 34–36; I, 1, 4, Taf. 52; VI, 6, Taf. 16.
  6. Die thüringischen Besitzungen der Albertiner verwaltete H. v. Werthern 1491; im Osterland amtierte er während der von Herzog Albrecht geführten Niederländischen (1488–93) und Friesländischen Kriege (1500). Außerdem hat er wie seine Vorfahren das Amt des Reichserbkammertürhüters versehen und war einige Jahre Amtshauptmann zu Freyburg (Unstrut) gewesen (Albinus 1716, S. 42 f.). Als Amtshauptmann zu Weißenfels amtierte er nach Thielitz, Amtshauptleute, o. S. 39 Jahre (1480–1519), nach Goerlitz 1928, S. 85 45 Jahre (1483–1528) und nach Albinus a. a. O. sogar 48 Jahre lang.
  7. Posse 1994, Taf. 6, S. 63 f.
  8. Ein Schuh, von einem Pfeil durchbohrt; vgl. Siebmacher I, 7, Taf. 57 (Nr. 12), 58 (Nr. 2).
  9. Zwei gegenständige Fachbögen; vgl. Siebmacher I, 7, Taf. 120 (Nr. 3), 123 (Nr. 1).
  10. Schlägel und Eisen, darüber ein aufgeschlagener Zirkel; vgl. Siebmacher I, 7, Taf. 97.
  11. Zu den Schuhmachern vgl. a. Nr. 61 und Einleitung, S. XXVI.

Zitierhinweis:
DI 62, Weißenfels (Landkreis), Nr. 108 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di062l001k0010801.