Inschriftenkatalog: Landkreis Weissenfels
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 62: Weißenfels (Landkreis) (2005)
Nr. 82 Hohenmölsen, St. Petri Anfang 16. Jh.
Beschreibung
Zwei schmale hochrechteckige Tafelbilder mit je einer Heiligen, ursprünglich wohl die Flügel eines kleinen Altarretabels, jetzt fest aneinander montiert. Die oberen Abschlüsse beider Tafeln bilden zusammen einen Kielbogen. Auf den unteren Rahmenleisten Tituli (A, B) in heller Farbe aufgemalt.
Maße: H.: 101,2 cm; B.: 49,5 cm; Bu.: 1,2–1,6 cm.
Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.
- A
S(ANCTA) · KVNEGVNDIS ·
- B
S(ANCTA)a) ALDEGVNDIS · REGINAb)
Übersetzung:
B Die heilige Königin Aldegundis.
Textkritischer Apparat
- SANCTA] Es folgte möglicherweise ein Kreis.
- REGINA] Es folgte möglicherweise ein Kreis.
Anmerkungen
- Anfang des 16. Jh. (vgl. Nr. 81).
- Vgl. Nr. 81.
Zitierhinweis:
DI 62, Weißenfels (Landkreis), Nr. 82 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di062l001k0008202.
Kommentar
Das erste A in Inschrift B hat einen nach links überkragenden Deckbalken. Ein E ist kapital, alle anderen sind zweibogig. Das D ist kapital und z. T. offen, der weit hochgezogene Bogen des G eingerollt. Die obere Schräghaste des K ist schwach ausgebogen und die untere leicht geschwungen. N und S zeichnen Haar- und Schattenstriche aus. Die Sporen haben unterschiedliche Formen. Mehrfach sind Kreise zwischen bzw. nach Initialen und Worte gesetzt.
Die heute gut lesbaren Tituli sind aber nicht die erste Beschriftung der Tafeln. Unter dem Farbfond und den Schriftzügen sind deutlich Schemen älterer Aufschriften desselben Wortlauts, aber mit geringfügigen paläographischen Abweichungen erkennbar. Der jetzt stark vorspringende Bogen des R war zuerst deutlich schwächer gebildet, dessen jetzt leicht geschwungene Cauda dagegen war ursprünglich stark ausgebogen. Außerdem stand zuerst KVNIGVNDIS geschrieben. Insgesamt betrachtet, lassen die jüngeren Inschriften das Bemühen um eine regelmäßigere Schriftgestaltung und um eine bessere Platzaufteilung erkennen. Sie könnten durchaus zur gleichen Zeit wie die Inschriften des anderen kleinen Altarretabels der Kirche entstanden sein.1)
Die qualitätvollen Tafelbilder zeigen die Kaiserin Kunigunde (gestorben 1033) und die aus königlicher Familie stammende Aldegunde (gestorben 694), die wegen ihrer außerordentlichen Frömmigkeit heiliggesprochen wurden. Außer der Kleidung – Kunigunde ist in weltlicher Tracht und Aldegunde im Nonnenhabit abgebildet – und den üblichen Attributen sind es die beigegebenen Kronen, die die gesellschaftliche Stellung beider Frauen anzeigen. Die Kaiserin Kunigunde trägt ihre Krone auf dem Haupt; die Nonne Aldegunde hat sie zu ihren Füßen abgelegt, um den Herrschaftsverzicht auszudrücken. Die Bildprogrammatik läßt vermuten, daß die Retabelflügel wie das andere kleine Altarretabel der Hohenmölsener Kirche ursprünglich nur für den privaten Gebrauch hochrangiger Persönlichkeiten bestimmt waren und erst nach der Reformation in den Besitz der örtlichen Pfarrgemeinde gekommen sind.2)