Inschriftenkatalog: Landkreis Weissenfels

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 62: Weißenfels (Landkreis) (2005)

Nr. 81 Hohenmölsen, St. Petri Anfang 16. Jh.

Beschreibung

Dreiteiliges gemaltes Altarretabel an der Südwand der Kirche. Auf Innen- und Außenseiten beider Flügel sind je ein Heiliger und auf dem Mittelteil drei Heilige dargestellt. Alle Heiligen stehen auf Rasenstücken, die auf der Festtagsseite vor goldenem Fond mit gemalten Rankenschleiern. Von diesen ist nur der Heilige auf der rechten Flügelinnenseite in dunkler Schrift auf der unteren Rahmenleiste namentlich bezeichnet (A). Die Heiligen auf den Außenseiten der Flügel stehen vor einem dunklen Hintergrund und sind über den Häuptern mit heller Schrift bezeichnet (B, C). Die Herkunft des Retabels ist ungeklärt. Vielleicht erhielt die Hohenmölsener Kirche dieses Retabel und das unter Nr. 82 besprochene zusammen mit dem großen Aufsatz des Hauptaltars, der 1664 von Herzog August von Sachsen-Weißenfels aus dem Inventar des Magdeburger Domes der Kirche in Hohenmölsen übereignet worden war.1) Da aber auch nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Retabel Nr. 81 und 82noch vor Ende des Bearbeitungszeitraums nach Hohenmölsen verbracht worden sind, werden ihre Inschriften hier ediert.2)

Maße: H.: 101,5 cm; B.: 131,2 cm; Bu.: 1,6–1,8 cm (A), 2,3–2,6 cm (B, C).

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/3]

  1. A

    S(ANCTVS) · NICOLAVS ·

  2. B

    S(ANCTVS) · WOLFGANG ·

  3. C

    S(ANCTVS) · VLRICH ·

Kommentar

Das S von SANCTVS ist immer deutlich überhöht und in Inschrift C mit Dornen an beiden Seiten des Mittelteils geschmückt. Die Ausführung der einzelnen Inschriften ist etwas ungleichmäßig. Die Sporen der Buchstaben sind als feine Pinselstriche angesetzt. Alle in Frage kommenden Buchstaben weisen eine Bogenverstärkung auf (C, G, O, R, S); bei einigen Buchstaben wurden Haar- und Schattenstriche differenziert (W). Das weit hochgezogene untere Bogenende des G ist eingerollt; der Balken des H ist nach unten ausgebuchtet. Das R ist offen; die Bogenabschnitte des S sind unregelmäßig geschwellt. Nur das W weist eine Rechtsschrägenverstärkung auf. Vor und hinter den Heiligennamen stehen Kreise.

Inschriftlich bezeichnet sind die heiligen Bischöfe Ulrich von Augsburg (gestorben 973) und Wolfgang von Regensburg (gestorben 994) auf der Werktagsseite sowie Nikolaus von Myra (gestorben um 342) auf der Festtagsseite des Retabels. Auf dem Mittelteil erscheinen als seitliche Figuren der als Pilger gekennzeichnete Jakobus Major (links) und der sein Martergerät, den Wollbogen, haltende Jakobus Minor (rechts), während die Zentralfigur des Retabels und der Heilige auf der Innenseite des linken Flügels bislang nicht eindeutig identifiziert worden sind.3) Neben ihren Martergeräten Lanze bzw. Hellebarde halten beide Bücher, die sie als Künder des göttlichen Worts ausweisen. Das ikonographische Programm und damit auch der mutmaßliche Auftraggeber und der ursprüngliche Bestimmungsort des Retabels liegen noch im Dunkeln, wenn auch vermutet werden darf, daß das den Herrenbruder Jakobus (Minor) als einen Führer der christlichen Urgemeinde,4) andere Apostel (und den Evangelisten Matthäus?) sowie drei heilige Bischöfe einschließende Bildprogramm ursprünglich nicht der Pfarrgemeinde von Hohenmölsen zugedacht war. Die Auswahl der Heiligen, die geringe Größe des Retabels und die hohe Qualität der Malerei deuten eher auf einen Auftraggeber hin, der das Retabel für liturgische Handlungen eines kleinen Kreises vermutlich hochrangiger Geistlicher anfertigen ließ.

Der Heiligenzyklus entstand in vorreformatorischer Zeit und läßt sich wie die Schriftform in das frühe 16. Jh. datieren.

Anmerkungen

  1. Sandner 1993, S. 68 f.; Dehio 1999, S. 329.
  2. Vgl. die Aufnahmekriterien S. XI.
  3. Nach Dehio 1999, S. 329 zeigt die mittlere Tafel (v. l. n. r.) Jakobus Major, Thomas und (vermutlich) Simon. Auf der Innenseite des linken Flügels soll Judas Thaddäus dargestellt sein.
  4. LCI 7, 1994, Sp. 47–51.

Zitierhinweis:
DI 62, Weißenfels (Landkreis), Nr. 81 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di062l001k0008105.