Inschriftenkatalog: Landkreis Weissenfels

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 62: Weißenfels (Landkreis) (2005)

Nr. 76 Goseck, St. Andreae nach 1500

Beschreibung

Farbige Wandmalerei an der nördlichen und der nordöstlichen Innenwand des dreiseitig geschlossenen Chorpolygons der Kirche, 1964 freigelegt und restauriert.1) Partieller Verlust der Malfläche vor allem im Sockelbereich. An der Nordostwand eine Anna Selbdritt mit zwei kleinen Tituli auf Schriftbändern bei den Häuptern Mariae und Jesu (A, B) sowie Andreas’; der Apostel und Schutzheilige der Kirche mit Buchbeutel und Kreuz. Über Haupt und Schultern ein großes, zweifach gebrochenes Schriftband mit dem Namen (C). Die Hll. Anna und Andreas beinahe lebensgroß (ca. 160 cm). Links daneben die Sakramentsnische, eingefaßt von einem reliefierten Kielbogen und einer gemalten Architekturrahmung, bekrönt von einer ebenfalls gemalten Fiale mit Schmerzensmann. In der Sakramentsnische ein gemaltes Schweißtuch Christi. Im Norden ein überlebensgroßer Christophorus, links daneben der wesentlich kleinere Eremit und seine Klause sowie zwei Wappen; über dem linken eine Brezel. Über dem Haupt des Christophorus die Inschrift D. Schrift und Zahlen schwarz aufgetragen, die Farbigkeit insgesamt stark verblaßt.

Maße: Bu.: 2,5–3,0 cm (A), 3,0–3,5 cm (B), 7–9,5 cm (C), ca. 20 cm (D).

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/3]

  1. A

    mar[i]aa)

  2. B

    · i(hesus) · n(azarenus) · r(ex) · i(udeorum) ·2)

  3. C

    S[anctus]b) · / Andreas

  4. D

    [- - -]c) / 15[..]d)

Übersetzung:

B Jesus von Nazareth, König der Juden.

Wappen:
(unbekannt)3)(unbekannt)4)

Kommentar

Die Buchstaben in Inschrift C sind unregelmäßiger ausgeführt als in den Inschriften A und B. Der A-Versal hat einen schwellenden linken Schaft, einen schrägrechten, doppelten Balken und einen überkragenden Deckbalken. Hervorhebenswert ist die Ausrundung des oberen Bogens des doppelstöckigen a und der Bögen des s. Der obere Bogen des a ist in gleicher Strichstärke wie die übrigen Buchstabenteile an den geraden Teil des oberen Bogens zurückgeführt. Zudem sind die Bogenenden des s kräftig verbreitert und die Sporen soweit ausgezogen, daß sie als Diagonalstrich den schwellenden Mittelteil berühren. Als Worttrenner stehen in Inschrift B Quadrangel mit schweifartig ausgezogenen Spitzen. Der auf dem mittleren Teil des Schriftbandes von C erhaltene Worttrenner ist ein Quadrangel mit abgeschnürten Spitzen.

Die hl. Anna in der Gestalt der Anna Selbdritt gehörte zu den populärsten Heiligen des Spätmittelalters. Aus ihrer Darstellung kann schwerlich auf das Kirchenpatrozinium, eher noch auf ein Altarpatrozinium geschlossen werden. Anders verhält es sich bei dem seltener dargestellten Apostel Andreas, der hier, wie jetzt allgemein angenommen wird,5) als Kirchenpatron erscheint. Der hl. Christophorus ist wie einst in vielen Kirchen des Spätmittelalters an die Wand gemalt, damit sein Anblick die Reisenden vor dem „plötzlichen“ Tod, d. h. vor dem Tod ohne Sterbesakramente, schütze. Der Eremit, der Christophorus riet, Gott zu dienen, indem er Leute über den Fluß trägt, gehört zur Ikonographie des Heiligen.6)

Die fragmentierte mutmaßliche Jahreszahl (D) weist auf eine Entstehung der Wandmalerei und der Inschriften am Anfang des 16. Jh. hin, was dem Stand der Schriftentwicklung entspricht und durch die architekturhistorische Datierung des Chores bestätigt wird.7) Heinrich L. Nickel hingegen datiert die Ausmalung des Chores um 1460/80.8)

Textkritischer Apparat

  1. maria] Davor könnte noch s für s(ancta) Platz gefunden haben.
  2. Sanctus] Vom S nur der untere Bogen erhalten.
  3. [- - -] Mehrere Buchstabenfragmente, die Schriftform unsicher (gotische Minuskel?).
  4. 15[..] Lesung unsicher.

Anmerkungen

  1. Denkmale 1983, S. 490 f.
  2. Nach Io 19, 19.
  3. Schaft mit Sparrenfuß, linker Kopfstrebe und zwei schrägrechten Mittelkreuzstreben.
  4. Zwei parallele Schäfte mit nach links bzw. rechts zweifach abgewinkelten unteren Enden.
  5. Köhler/Seyfried 1994, S. 23; Dehio 1999, S. 220.
  6. LCI 5, 1994, Sp. 496–508; Keller 1996, S. 103–106. Ein Fragment eines Christophorusbildes mit Darstellung des Eremiten hat sich in der Marienkirche zu Weißenfels erhalten (vgl. Anhang I, Nr. 14).
  7. „Saalkirche mit dreiseitig geschlossenem Chor, um 1500. Das Schiff im 18. Jh. umgebaut.“ (Dehio 1999, S. 220).
  8. Nickel 1979, S. 249.

Nachweise

  1. Köhler/Seyfried 1994, S. 23, 25 (nur fotografische Abbildung von A und B).

Zitierhinweis:
DI 62, Weißenfels (Landkreis), Nr. 76 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di062l001k0007604.