Inschriftenkatalog: Landkreis Weissenfels

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 62: Weißenfels (Landkreis) (2005)

Nr. 60 Lützen, St. Viti 1488

Beschreibung

Großer Sandsteinquader mit fünfzeiliger Bauinschrift und den Initialen des Kreuztitulus (A), an der Stirnseite des südöstlichen Chorstrebepfeilers, direkt unter dem verkröpften Kaffgesims in einer Höhe von ca. 2,60 m eingesetzt. Seine Ränder verwittert. Die Schriftzeilen einfach liniert; die gesamte Inschrift in einem Linienrahmen. Eine weitere einzeilige Inschrift (B) auf zwei (?) flachen, etwa in Augenhöhe unter A nebeneinander eingelassenen Sandsteinquadern. Beide Werksteine stark verwittert; ihre Fugen neu vermörtelt. Die Inschrift B beginnt an der Südseite des Strebepfeilers und setzt sich an dessen östlicher Seite fort. Die Buchstaben beider Inschriften mit keilförmiger Kerbe eingehauen.

Ergänzungen nach BKD Prov. Sachsen 8.

Maße: H.: ca. 60 cm (A), ca. 18 cm (B); B.: 66 cm; T.: mind. 34 cm (B); Bu.: 5,5–7,0 cm (A), ca. 8 cm (B).

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/3]

  1. A

    anno · millenoa) [· c ]b) / quater · octoagesi/moc) · octauo · incep/tum est hoc op(us) / · i(hesus) · n(azarenus) · r(ex) · i(udeorum)1) ·

  2. B

    noli [me per]de[re]d) / videt [d](eus)e)

Übersetzung:

A Im Jahre 1488 wurde dieses Werk begonnen. Jesus von Nazareth, König der Juden.

B Verdirb mich nicht, Gott sieht (es).

Kommentar

Die Buchstaben sind regelmäßig gebildet und nehmen in Inschrift A von oben nach unten an Höhe zu. Der obere Bogenabschnitt des c ist waagerecht umbrochen. Der obere Teil des gebrochenen oberen Bogens des g ist als Deckbalken gestaltet, während der untere Bogen zweifach abgeknickt wurde. Der Balken des t kragt beidseitig deutlich über. Als Worttrenner dienen ungleichmäßige Quadrangel.

Die Verwüstung des Ortes während des Hussiteneinfalls 1430 und des Sächsischen Bruderkrieges (1446–1451)2) machte wohl einen Kirchenneubau notwendig. Schon ein Jahr nach Baubeginn war der Chor offensichtlich in wesentlichen Teilen vollendet, wie die Jahreszahl 1489 am Traufgesims des Anbaus an der Chorsüdseite bezeugt.3) 1506 wurde das dreischiffige Langhaus im Rohbau fertiggestellt und der Innenausbau begonnen. Am 15. Juni 1513, dem Tage des hl. Veit, erfolgten die Kirchenweihe und die Grundsteinlegung des Turmes. Das Kirchenschiff errichtete Andreas Döring aus Röcken, den Turm vollendete 1531 Hans Schmidt aus Weißenfels.4)

Der Bezug der Inschrift B ist nicht ganz klar, obwohl es sich offenbar um eine Variante einer geläufigen religiösen Ermahnung handelt.5) Sie warnt wohl vor einer Beschädigung des Gotteshauses. Die Lesung ist allerdings unsicher, war doch Inschrift B schon zur Zeit der Inventarisation durch Johannes Burkhardt und Otto Küstermann 1883 (BKD Prov. Sachsen 8) schlecht erhalten.

Textkritischer Apparat

  1. milleno] Sic! millesimo Sommer, millenno Mai/Schneider.
  2. c] Für centesimo. Kein Kürzungszeichen erkennbar. cent. Bürger, c · BKD Prov. Sachsen 8.
  3. octoagesimo] Sic! octogesimo Bürger, octagesimo Fuchs.
  4. me perdere] Zahlreiche Buchstabenfragmente; Lesung und Auflösung unsicher.
  5. deus] Das oder die Zeichen am Zeilenende wegen starker Verwitterung nicht mehr bestimmbar. Noli perdere, Deus videt Bürger.

Anmerkungen

  1. Nach Io 19, 19.
  2. Vgl. Einleitung, S. XIX.
  3. Vgl. Anhang I, Nr. 3.
  4. Bürger, Teil 1, S. 391–401; Fuchs 1910, S. 30 f.; Mai/Schneider 1981, S. 2–5; Jacob 1997, S. 1; Dehio 1999, S. 441. Vgl. a. Nr. 112 und Anhang I, Nr. 5. Die Weihenachricht von 1513 ist sicherlich nur auf das Langhaus zu beziehen. Der Chor wird schon bald nach 1489 konsekriert worden sein.
  5. Vgl. Walther, Carmina II, 8, 1983, Nr. 38.848 l 1: „Noli peccare! Deus videt.“

Nachweise

  1. Bürger, Teil 1, S. 390.
  2. Sommer 1874, S. 127 (nur A).
  3. BKD Prov. Sachsen 8, S. 85 f.
  4. Fuchs 1910, S. 30.
  5. Mai/Schneider 1981, S. 5.

Zitierhinweis:
DI 62, Weißenfels (Landkreis), Nr. 60 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di062l001k0006006.