Inschriftenkatalog: Landkreis Weissenfels

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 62: Weißenfels (Landkreis) (2005)

Nr. 2† Weißenfels, St. Nikolai † 1287–1292

Beschreibung

„Leichen-Stein“ mit Grabbezeugung in „alter Münchs-Schrift“, gelegen vor dem Chor der ehemaligen Hospitalkirche St. Nikolai,1) vermutlich mit der Kirche im 19. Jh. untergegangen.2) Schriftform und Art der Schriftausführung nicht überliefert.

Nach Akte im Stadtarchiv Weißenfels.

  1. Transijt Albata,a) iacet hic Adelheide vocata,Agniseb) [matre]c) sata Fridericod) Principe nata.

Übersetzung:

Die Weißgewandete ist gestorben. Hier liegt sie, die Adelheid genannt, von Fürst Friedrich gezeugt und von der Mutter Agnes geboren wurde.

Versmaß: Zwei leoninische Hexameter, zweisilbig rein.

Kommentar

Nach Würdigung des Manuskripts3) kann kaum Zweifel daran bestehen, daß die überlieferte Grabschrift authentisch ist, auch wenn der Todestag fehlt. Man darf der Mitteilung vertrauen, daß die verstorbene Adelheid tatsächlich aus fürstlichem, d. h. hochadligem Hause stammt und „in Fano D(ivi) Nicolai“, in der Kapelle des hl. Nikolaus, bestattet war, wie es im Manuskript heißt. Ein Kind ihrer Abkunft wird aber in der vorstädtischen Nikolaikirche erst nach 1285 beigesetzt worden sein, als dort ein Klarissenkonvent und seine Geistlichen ein angemessenes liturgisches Totengedenken mit Fürbitten und Seelmessen gewährleisten konnten. Darüber hinaus dürften die edelfreien und hochadligen Frauen, die dem Konvent in den ersten Jahrzehnten seines Bestehens beitraten, dem Kloster ein solches Ansehen verliehen haben, daß die Klosterkirche auch als standesgemäße Ruhestätte des Hochadels angenommen werden konnte. Die vornehmste Grabstätte war sicherlich die des 1291 verstorbenen Markgrafen von Landsberg, Friedrich Tuta, der als einer der Fundatoren des Klosters galt. Das Datum der Übersiedlung des Konvents in die neuerbaute innerstädtische Klosteranlage 13014) und der damit verbundene Bedeutungsverlust der Nikolaikirche darf deshalb als Terminus ante quem für den Tod Adelheids und deren Beerdigung in der Nikolaikirche gelten. Damit ist der Zeitrahmen fixiert, in dem die namentlich bekannten Eltern Adelheids zu suchen sind. Es handelt sich sehr wahrscheinlich um Friedrich den Freidigen, nachmals Markgraf von Meißen und Landgraf von Thüringen, und seine erste Gemahlin Agnes von Görz-Tirol. Für die Vaterschaft Friedrichs des Freidigen spricht auch seine Verwandtschaft mit Friedrich Tuta, der ein Sohn des Bruders von Friedrichs des Freidigen Vater war. Adelheid kann also frühestens 1287, in dem Jahr nach der Eheschließung ihrer Eltern, geboren worden sein. Ihr Lebensalter läßt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dem Epitheton Albata (albatus, mlat. weißgekleidet) erschließen. Es bezeichnet das Gewand des Täuflings,5) das Adelheid bei ihrem Tod wohl noch trug. Als Täufling muß Adelheid spätestens 1292, dem Jahr vor der Geburt ihres (historisch besser bezeugten) Bruders Friedrich, gestorben sein. Die Mutter Agnes starb wenige Tage nach der Geburt des einzigen Sohnes 1293.6) Sicherlich ist es ihrem frühen Tod geschuldet, daß Adelheid nur in der vorliegenden Inschrift und in keiner anderen historischen Quelle (Urkunde oder Chronik) Erwähnung findet.

Es ist anzunehmen, daß auch die zweite Zeile als zweisilbig gereimter leoninischer Hexameter gebildet war und durch das Einfügen eines Trochäus nach dem ersten Daktylus (Agnise) ergänzt werden kann. Aus metrischen Gründen wurde sata und nata vertauscht und Agnise statt Agnete geschrieben.7)

Textkritischer Apparat

  1. Albata] Lesung der beiden letzten Buchstaben unsicher. Agatha Vulpius.
  2. Agnise] Sic! Für Agnete.
  3. matre] Ergänzt nach einem Vorschlag von Dr. Ilas Bartusch, Heidelberg.
  4. Friderico] Tiderico Vulpius.

Anmerkungen

  1. Vulpius, Teil 3, 1, S. 49.
  2. Die 1268 erstmals bezeugte Nikolaikirche (UB Merseburg 1, Nr. 343; UB Naumburg 2, Nr. 359) diente von 1284 bis 1301 als Kirche eines Klarissenklosters. Nach dem Umzug der Klarissen wurde ihr ein Hospital angegliedert, das in vielfach veränderter Form bis ins 19. Jh. fortbestand (zur Geschichte des Hospitals s. Einleitung, S. XXV). Über den Abbruch der Nikolaikirche ist bislang nichts Näheres bekannt.
  3. Vgl. Einleitung, S. XLII f.
  4. Zur Geschichte des Klosters vgl. Einleitung, S. XVI und Nr. 200.
  5. Mlat. Wörterbuch 1, 1967, Sp. 423.
  6. Vgl. Posse 1897, Taf. 4 und 5. Eine Tochter Friedrichs des Freidigen und der Agnes ist dort nicht verzeichnet.
  7. Für philologische Hinweise ist Dr. Rüdiger Fuchs, Mainz, und Dr. Ilas Bartusch, Heidelberg, zu danken.

Nachweise

  1. Stadtarchiv Weißenfels A I 3744, fol. 38 v.
  2. Vulpius, Teil 3, 1, S. 49.

Zitierhinweis:
DI 62, Weißenfels (Landkreis), Nr. 2† (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di062l001k0000204.