Die Inschriften des Landkreises Weissenfels

3. Die Inschriftenträger

Die edierten Inschriften sind nur ein Teil des ursprünglich im Bearbeitungsgebiet vorhandenen Bestandes, wie bei der Darstellung der einzelnen Gruppen von Inschriftenträgern sowie der kopial überlieferten und der nicht aufgenommenen Inschriften gezeigt werden kann. Selbst die kopiale Überlieferung vermag nicht die großen Lücken im originalen Bestand abzudecken, die die stetigen, alle [Druckseite XXXII] Gruppen von Inschriftenträgern zwangsläufig oder willkürlich einbeziehenden Veränderungen über die Jahrhunderte verursachten. Dabei wurden im kirchlichen Umfeld häufiger als anderswo epigraphische Denkmale bewahrt. Bis auf die Inschriftenträger an Profanbauten, darunter auch die Pfarr- und Schulgebäude (10,2% der Gesamtüberlieferung), zwei Gemälde (Nr. 96, 263) und vier Schmuckstücke (Nr. 6, 12, 13, 14) stammen alle Inschriftenträger aus kirchlichem Kontext: Inschriften an Sakralbauten einschließlich Kirchhofs- bzw. Friedhofsmauern und Klostergebäuden (18,1%), Kirchenausstattung im weitesten Sinne (17,5%), Kirchenglocken (29,6%), Grabmälern (20,6%). In Anbetracht der höheren Zahl monastischer Niederlassungen im Bearbeitungsgebiet ist der geringe Anteil aus der Klosterzeit stammender Inschriften erstaunlich. Für Beuditz sind keine, für Goseck und Langendorf je drei und für Weißenfels vier bzw. fünf vorreformatorische Inschriften überliefert. Etwa 37% aller Inschriften sind nur abschriftlich tradiert.

In den folgenden Abschnitten über die Inschriften an Sakral- und Profanbauten, an kirchlichen Ausstattungsgegenständen, an Glocken und auf Grabmälern werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Inschriftenträger herausgestellt und ihre zeitliche und örtliche Verteilung, ihre materielle und technische Ausführung, die Eigenarten ihrer Texte und – wenn möglich – ihre Provenienz beschrieben. Durch Einteilung in Gruppen wird ihren spezifischen Überlieferungsbedingungen Rechnung getragen, die die Inschriftenträger deutlich voneinander absetzen. Alle Aussagen beziehen sich auf die Gesamtheit der original erhaltenen und kopial tradierten Inschriftenträger des Bearbeitungsgebietes, deren lückenhafte Überlieferung stets zu bedenken ist.

3. 1. Die Inschriften an Sakral- und Profanbauten

Während Inschriften an Sakralbauten seit 1351 belegt sind, treten Inschriften an Profanbauten erst seit 1500 auf. Ihr Anteil an der Gesamtüberlieferung baugebundener Inschriften beträgt in der ersten Hälfte des 16. Jh. 47% und sinkt bis zum Ende des Bearbeitungszeitraums auf 40%. Der Anteil der kopial überlieferten Inschriften beträgt 39,7%. Die Inschriften sind auf Wandflächen, Fenstern und Portalen, an Bauteilen des Gebäudes wie Eckquadern und Konsolen oder an Teilen der Bedachung (Turmknäufe, Wetterfahnen) verzeichnet. Wenn sie nicht unmittelbar auf den Wandputz oder den Werkstein aufgebracht wurden, dann stehen sie auf eigenen Inschriftenträgern (Steinquader oder -platten), die in das Bauwerk eingelassen sind. Dem Trägermaterial entsprechend sind sie eingehauen oder auf eingetiefter Schriftzeile ausgehauen, graviert oder aufgemalt. Es überwiegen bei weitem die in Stein gearbeiteten Inschriften, die in der Regel während des Bau- oder eines Umbauvorganges angefertigt oder eingebaut wurden. Durch Renovierung, Umbau oder Abbruch trat ein hoher Bestandsverlust ein, der in der Überlieferung für das Dorf Tagewerben besonders gut erkennbar wird. Ein Autor des 19. Jh. erwähnt mehrere ähnliche oder gleichartige Inschriften an den Gehöften des Ortes, von denen er eine als Beispiel wiedergibt (Nr. 212). Sie ist heute wie alle anderen, deren Wortlaut nirgendwo bezeugt ist, verloren.

Die Inschriften wurden zumeist an der Außenwand angebracht; der bevorzugte Anbringungsort sowohl an Sakral- als auch an Profanbauten war aber die Tür oder das Tor, der Türbalken oder der Scheitelstein im Torbogen, die Wandfläche unmittelbar daneben oder darüber. Hier war gewährleistet, daß die Inschrift von möglichst vielen wahrgenommen und ihre Botschaft stets von neuem in Erinnerung gerufen wurde. So finden sich Inschriften unterschiedlichen Inhalts und unterschiedlicher Funktion an den Stadttoren von Hohenmölsen, Lützen und Weißenfels, an den Kirchenportalen von Goseck, Hohenmölsen, Teuchern, Weißenfels und Wengelsdorf, an den Friedhofstoren von Plennschütz, Reichardswerben und Schkortleben und an den Portalen der Bürgerhäuser in Weißenfels.

Etwa zwei Drittel aller an Gebäuden angebrachten Inschriften betreffen die Erbauung, Instandsetzung, Bewidmung, Einweihung oder die Geschichte des Gebäudes, an dem sie angebracht sind. Eingerechnet sind auch alle Namen oder Initialen mit Jahreszahl und alle Wappen mit Wappenbeischrift und Jahreszahl, weil sie vermutlich Anfang oder Ende von Baumaßnahmen bezeichnen, ohne daß dieser Sachverhalt unmittelbar angesprochen wird. Es sind in der Regel wohl die Namen und Initialen der Bauherren, Bauverantwortlichen oder kirchlichen Patronatsherren wiedergegeben; in zwei Fällen aber handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um Stifter (Nr. 160, 214).

Die Inschriften enthalten i. d. R. die Jahresangabe, der nur selten eine Monats- und Tagesangabe hinzugefügt ist. Bis zum Ende des 15. Jh. steht fast ausschließlich das anno-domini-Formular mit römischer Jahreszahl,192) danach dominiert bis zum Anfang des 17. Jh. die einfache Jahresangabe in arabischen Ziffern. Vereinzelt wird anno, anno domini oder anno christi vorangestellt. Nach 1600 erscheint anno [Druckseite XXXIII] häufig in Verbindung mit einer arabischen Jahreszahl, während die römischen Jahreszahlen im 16. wie im 17. Jh. nur noch selten zu finden sind.

Die Mitteilungen über den eigentlichen Bauvorgang waren zu allen Zeiten kurz und auf die Fakten beschränkt. Die Kirchen werden vor der Reformation zumeist als opus bezeichnet, andere Gebäude (bzw. Gebäudeteile) werden bis auf eine Ausnahme (Nr. 94: Beinhus) nicht direkt angesprochen. In nachreformatorischer Zeit werden die Gebäude i. d. R. mit deutschen Begriffen bezeichnet und nur selten mit lateinischen umschrieben (aedes, aedificium). Man erfährt, das Gebäude sei inceptum (est) oder angefangen zu bawen, renovatum (est) oder renofiert worden; die Bauherren exstruere (= exstruerunt) oder haben gebavet. Die Wendungen confirmatum est hoc opus (Nr. 52) und aedificium curavit (Nr. 213) zur Umschreibung von Bauvorgängen kommen im Bearbeitungsgebiet nur einmal vor. Das auf den spätgotischen Kirchenchor von Großkorbetha bezogene confirmare läßt sich ohne eingehende Bauuntersuchung nicht schlüssig deuten. Die Namen der Bauverantwortlichen des Stadtrats (aedilis, PAHVMEISTER) oder der Kirchengemeinde (vitrici, Altarleute) oder der Amtsleute und auch die Namen der Baumeister (magister) stehen nur an kirchlichen oder öffentlichen Gebäuden, an denen Bauarbeiten im Auftrag der Kirchen- oder Stadtgemeinde oder des landesherrlichen Amtes durchgeführt wurden.

Außer den baubezogenen Inschriften erscheinen häufig bekenntnishafte Texte und Segenswünsche für die Gäste des Hauses bzw. Besucher des Kirche. Als Hausinschrift fand vor allem das als protestantische Devise höchst populäre Petruszitat Verbum Domini manet in aeternum oder (nach Jesaja) Gottes Wort bleibt ewig große Verbreitung. Es erscheint im Bearbeitungsgebiet erstmals 1537 auf einer Glocke in Lützen (Nr. 118) und tritt zwischen 1552 und 1554 in auffälliger Häufung als Inschrift an den Häusern von Bürgern und Hofbeamten in Weißenfels auf (Nr. 137, 138, 139, 140, 141). In einer der Hausinschriften wird die deutsche Version dieses Bibelzitats ausdrücklich als Glaubensbekenntnis bezeichnet (Nr. 136). Das gehäufte Auftreten der Devise hängt zweifellos mit der Konsolidierung der Reformation und dem politischen Erfolg der Wettiner albertinischer Linie zusammen, die die Führung der protestantischen Stände übernahmen. Zudem war Weißenfels unter Herzog August, dem Bruder des erfolgreichen Kurfürsten Moritz, zeitweilig Residenz, d. h. ein Stützpunkt der Reformation im mitteldeutschen Raum.

Die vermutlich als Rückübersetzungen ins Lateinische verbreiteten Zitate aus dem Deuteronomium Soli Deo gloria und dem Lukasevangelium Gloria in excelsis Deo erfreuten sich als protestantische Devisen ebenfalls gewisser Beliebtheit. Sie sind dreimal an kirchlichen Gebäuden zu finden. Als allgemeiner Segenswunsch an öffentlichen Gebäuden wurde der Psalmvers Dominus custodiat introitum et exitum tuum ex hoc nunc et usque in saeculum bevorzugt.

Drei Inschriften sind an Wandnischen in Kirchenchören angebracht. Zwei von ihnen (in Markwerben und Treben) sind durch Nomina sacra bzw. die Inschrift habitacio christi als Sakramentsnischen gekennzeichnet (Nr. 79, 115). Die dritte (in Langendorf) trägt die Namen von Stiftern und diente wohl zur Aufbewahrung des liturgischen Geräts einer vorreformatorischen Messtiftung (Nr. 43).

Historische Nachrichten wurden vorzugsweise an gut zugänglichen öffentlichen Gebäuden angebracht, wo ihre auf Öffentlichkeit zielende memorative Funktion am besten wirksam werden konnte. Deshalb müssen historische Nachrichten keinen unmittelbaren Bezug zu dem Bauwerk aufweisen, an dem sie angebracht sind. Sie sollten aufsehenerregende Ereignisse wie das Auftreten der Geißler, ein Judenpogrom (Nr. 45) oder ein verheerendes Hochwasser (Nr. 177) im Gedächtnis der Öffentlichkeit bewahren. Andere erinnern an die Geschichte der kirchlichen Institutionen und ihrer Amtsträger oder verweisen auf einen (fiktiven) Gründungsakt, um eine möglichst weit zurückreichende Herrschaftstradition zu begründen (Nr. 276).

In der zweiten Hälfte des 15. und im ersten Drittel des 16. Jh. überwiegen lateinische Inschriften bei weitem. Seit der Mitte des 16. Jh. jedoch ist die Mehrzahl der Inschriften an Sakral- und Profanbauten in Deutsch verfaßt (62,1%). Darunter sind auch die lateinisch-deutschen Mischtexte von 1574 (Nr. 165), 1587 (Nr. 179) und 1613 (Nr. 235 B) gezählt. Die lateinischen Inschriften sind nie metrisch; drei deutsche und eine lateinische (!) sind gereimt. Die Texte sind i. d. R. kurz; längere finden sich vorzugsweise an und in Kirchen (Nr. 44, 185, 229, 283).

3. 2. Kirchliche Ausstattungsgegenstände und Geräte (außer Glocken)

Der größte Teil aller übrigen, nicht unter Bauinschriften, Glocken und Grabmälern erfaßten Inschriften findet sich auf Inschriftenträgern, die zur Kirchenausstattung im weitesten Sinne gehören: Altarretabel und Altarkreuze, Vasa sacra, Taufsteine und Taufschalen, Kanzeln, Paramente, Orgeln, Andachtsbilder, Stifterporträts sowie die Glas- und Wandmalereien der Kirchen. Dieser Bestand ist noch stärker als die anderen Gruppen von Inschriftenträgern dezimiert worden, weil er einem seit [Druckseite XXXIV] dem Mittelalter andauernden Erneuerungsprozess unterlag. Zu einem großen Verlust führte die Reformation, die zuerst die große Menge der liturgischen Geräte drastisch reduzierte und über einen längeren Zeitraum auch die meisten Altarretabel ihrer Funktion beraubte. War vor der Reformation jeder Altar – in jeder größeren Kirche standen mehrere Altäre193) – und wohl auch jede Meßstiftung mit eigenem Gerät ausgestattet,194) verschwanden mit der Reformation die Nebenaltäre und deren Vasa sacra und Retabel. Für den Gottesdienst einer protestantischen Kirche genügten ein Altar, ein Kelch, eine Patene und eine Hostiendose (Pyxis); die nicht mehr benötigten Gefäße wurden nach Materialwert taxiert und zugunsten des Fiskus oder zum Nutzen der Kirchen und Schulen eingezogen und verkauft.195) Die verbliebenen Gefäße wurden wie alle übrigen genannten Ausstattungsstücke dem sich wandelnden Geschmack bzw. dem durch Abnutzung oder Diebstahl bedingten Erneuerungsbedarf entsprechend ersetzt.196) Viele Objekte, insbesondere Altarretabel, sind im 19. und frühen 20. Jh. verkauft oder an Museen abgegeben worden.197) Andere sakrale Inschriftenträger wurden transloziert, weil die Kirchen in Vorbereitung des Braunkohleabbaus abgerissen werden sollten (z. B. Nr. 167, 192, 217).

Auffälligerweise ist in der größten Gruppe von Inschriftenträgern innerhalb der Kirchenausstattung, den liturgischen Gefäßen, zwischen Reformation und 17. Jh. keine Neuanschaffung epigraphisch dokumentiert. Von der zweitgrößten Gruppe, den 15 beschrifteten Altarretabeln und Andachtsbildern, sind 10 erst im ersten Drittel des 16. Jh., d. h. unmittelbar vor der Reformation, und 4 nach der Reformation entstanden. Ein weiteres vorreformatorisches Retabel ist wohl erst nach der Reformation beschriftet worden (Nr. 128). Von der Mitte des 16. Jh. bis zum Ende des Bearbeitungszeitraums bilden das Taufgerät, d. s. Taufsteine sowie (metallene) Taufkannen und Taufbecken, die größte Einzelgruppe beschrifteter Ausstattungsgegenstände. Die Erhaltung der übrigen, hier der Kirchenausstattung zugerechneten Inschriftenträger ist eher zufällig. Ihre örtliche und zeitliche Streuung hat ohne Berücksichtigung der erhaltenen gleichartigen, aber unbeschrifteten Objekte (wie z. B. der Taufsteine) keinen Aussagewert. Hervorhebenswert sind noch drei Orgelinschriften, die älteste von 1576 (Nr. 168), und zwei beschriftete Textilien von 1646 und 1650 (Nr. 277, 281).

Die Inschriften an den Metallgegenständen des Bearbeitungsgebietes (Vasa sacra, Taufbecken, Schmuckstücke) sind durchweg graviert und an fast allen Teilen der Inschriftenträger zu finden. Die Inschriften auf Tafel-, Leinwand-, Glas- und Wandgemälden sind materialgemäß aufgemalt; nur die Heiligennamen auf dem Goldgrund einiger Altarretabel wurden trassiert. Dem Material entsprechend sind die Inschriften auf den Taufsteinen ein- bzw. ausgehauen und die auf den Textilien gestickt.

Die am häufigsten vorkommende Textsorte ist die Bildbeischrift in unterschiedlichen Formen. Es sind vor allem die Namen der Heiligen auf Retabeln, Glas- und Wandbildern, die den Nimben eingeschrieben oder auf Schriftbändern verzeichnet wurden. Außerdem erscheinen kurze Texte, seit dem 16. Jh. auch Bibelzitate, die szenische Darstellungen erläutern. Das meistbeschriftete Ausstattungsstück ist eines der nachreformatorischen Retabel, datiert 1585, auf dem ein umfangreiches biblisches Text-Bild-Programm entwickelt wurde (Nr. 175). Zwei Taufsteine tragen Bibelzitate, die unmittelbar auf die (Kinder-)Taufe Bezug nehmen (Nr. 167, 207). Ob es sich bei den Nomina sacra und den Heiligennamen, die auf Kelche geschrieben sind, um die bewidmeten Heiligen oder Anrufungen oder gar um beides handelt, ist zumeist nicht zu entscheiden.198)

Seit 1571 werden die Ausstattungsstücke – es handelt sich vor allem um Vasa sacra – zunehmend mit Stifterinschriften versehen. Selten ist jedoch ein Formular so vollständig wie auf dem schon 1488 gestifteten Kelch in Weißenfels, das den Stifter, den Stiftungsgegenstand und den Bewidmeten nennt (Nr. 61). Daher können Inschriften, die nur Namen oder Namensinitialen beinhalten, oft nur mit Vorbehalt als Stifterinschriften gelesen werden. Einige der Genannten werden eher die Patronatsherren oder Altarleute gewesen sein, die bei Anschaffung der Ausstattungsstücke amtierten oder die Anschaffung [Druckseite XXXV] veranlaßten. Wenn außer dem Pfarrer und den zur Entstehungszeit des Objektes amtierenden Altarleuten keine anderen Personen genannt werden (z. B. Nr. 173, 183), kann sicherlich davon ausgegangen werden, daß sie für die Erwerbung verantwortlich zeichneten. Der Anteil der aus der Kirchenfabrik finanzierten Ausstattungsstücke ist wahrscheinlich viel größer als gemeinhin angenommen wird. Schon die älteste, an einem Ausstattungsstück befindliche Setzungsinschrift verrät, daß die Gemeinde selbst aus Mitteln der Kirchenfabrik unter Aufsicht der Altarleute große, aufwendige und teure Objekte wie das 1515 nach Zorbau gelieferte Schnitzretabel beschaffte (Nr. 99). Leider sagt die am Retabel befindliche Inschrift nicht, wo dieses in Auftrag gegeben worden war. Die Stiftungs- oder Setzungsinschriften sind selten umfangreich.

Die erste deutschsprachige Inschrift findet sich auf dem Kelch von 1488 (Nr. 61). Danach wird außer bei Heiligennamen nur noch selten die lateinische Sprache verwendet. Als Texte in gebundener Sprachform sind nur ein lateinisches Distichon aus dem Jahr 1576 (Nr. 168) und ein deutscher Reimvers aus dem Jahr 1646 (Nr. 277) überliefert.

Die Jahresangabe wird erstmals 1488 und dann fast durchgängig mit arabischen Ziffern geschrieben. Bis 1561 erscheint gelegentlich noch anno domini; seit 1571 wird häufiger und von 1600 bis 1627 durchgängig nur anno der Jahresangabe vorangestellt.

Obwohl sich die Provenienz der Ausstattungsstücke nur selten nachweisen läßt, ist für die qualitätvolleren Objekte wohl die Herkunft aus einer außerhalb des Bearbeitungsgebiets ansässigen Werkstatt anzunehmen. Die Überlieferungsgeschichte für zwei der erhaltenen vorreformatorischen Schnitzretabel und für ein weiteres, hier nicht aufgenommenes Bildwerk spricht dafür, daß im ersten Drittel des 16. Jh. bis zur Reformation sächsische und insbesondere Leipziger Werkstätten Hauptlieferanten für sakrale Kunstwerke waren. Die Klosterkirchen in Beuditz und Weißenfels bezogen Schnitzarbeiten von Oszwald Schrot, d. i. Oswald Schröter,199) und Steffan Hermsdorf aus Leipzig, und die Dorfkirche in Kistritz erhielt ein monumentales Altarretabel aus der Werkstatt (oder dem Umkreis) des Monogrammisten HW, der vor allem für die obersächsischen Bergstädte tätig war. Die von der älteren Forschung behauptete stilistische Verwandtschaft des Schnitzretabels in Pettstädt (Nr. 90) mit dem in Albersroda (Landkreis Merseburg-Querfurt) bedarf der Prüfung.200) Da beide Kirchen westlich der Saale liegen, könnte ihr mutmaßlicher gemeinsamer Schöpfer im östlichen Harzvorland tätig gewesen sein. Die unbekannte Schnitzarbeit aus Beuditz und das Weißenfelser Retabel (Nr. 107) wurden erst nach der Reformation an die Dorfkirchen in Obernessa bzw. Dehlitz (Saale) abgegeben; ob das beeindruckende Retabel in Kistritz (Nr. 95) schon ursprünglich für diese Kirche angefertigt worden war, bleibt dahingestellt. Leider ist der Herkunftsort des großformatigen und künstlerisch beachtlichen Retabels in Burgwerben (Nr. 175), des einzigen, aus nachreformatorischer Zeit stammenden und im Bearbeitungsgebiet erhaltenen, nicht bekannt.

Über die Herkunft der Vasa sacra lassen sich nicht einmal Mutmaßungen anstellen, da die meisten von ihnen, darunter leider alle Goldschmiedearbeiten, keine Marken aufweisen. Zwar gibt es eine lange Tradition des Goldschmiedehandwerks in Weißenfels und auch im benachbarten Naumburg,201) doch läßt sich diese erst im 17. Jh. besser fassen. Hochqualitätvolle Stücke wie die in der zweiten Hälfte des 14. Jh. entstandene Weißenfelser Hostiendose (Nr. 23) sind vermutlich importiert worden. Die Tatsache, daß die Orgel der Weißenfelser Stadtpfarrkirche St. Mariae vom Dresdner Hoforgelbauer Tobias Weller gefertigt wurde (Nr. 274), verweist nochmals auf die kulturelle Bindung an den obersächsischen Raum.

3. 3. Glocken

Die 94 Glocken sind die größte Gruppe sowohl unter den kirchlichen Ausstattungsstücken als auch unter allen im Bearbeitungsgebiet erhaltenen und kopial bezeugten Inschriftenträgern. Mit ihnen beginnt im 13. Jh. die epigraphische Überlieferung, und sie bleiben die mit Abstand wichtigsten Inschriftenträger bis zum Anfang des 16. Jh. Von den 9 aus der Zeit vor 1350 entstandenen und heute noch nachweisbaren Glocken ist sogar der größere Teil (nämlich 6 = 66,6%) original erhalten. Danach sinkt der Anteil erhaltener Glocken auf durchschnittlich 42,7% des nachgewiesenen Bestandes.

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Eine besonders hohe Überlieferungsdichte gibt es zwischen 1450 und 1539; danach fällt der überlieferte Bestand auf die Größe von 1350–1450 zurück.

Die Grundform aller original und abbildlich überlieferten beschrifteten Glocken ist die gotische Rippe. Variiert werden lediglich die Form der Haube sowie die Schriftform und die Ornamentik. Abgesehen von den Stegen an der Schulter, auf dem Wolm und am äußeren Rand beschränkt sich die Gestaltung in den meisten Fällen auf Ornamente ober- und unterhalb der Schriftzeile sowie kleinere, isolierte figürliche Abbildungen auf Schriftzeile und Flanke. Vor der Reformation bleibt Ornamentik über oder unter der Schriftzeile eine Ausnahme (Nr. 110), danach schmückt sie insbesondere die Glocken der Erfurter Möring-Werkstatt. Auf der Schriftzeile und auf der Flanke wurden vor der Reformation bildliche Darstellungen (Kruzifix, Heilige, Evangelistensymbole, Pilgerzeichen), selten auch Wappen und Siegelabdrücke angebracht. Nach der Reformation verschwanden die Heiligen und Pilgerzeichen, und es traten vereinzelt figürliche Darstellungen wie Apostel und Tugendallegorien auf. Wappen sind fortan auf der Flanke und fast ausschließlich in erkennbarem Zusammenhang mit den kirchlichen Patronatsherren angebracht. Zwei Glocken zeichnen sich durch Ritzzeichnungen aus. Die ältere, aus dem frühen 14. Jh. stammende Glocke (Nr. 11) hat außerdem noch geritzte Inschriften und zwei Siegelabdrücke; die Flanke der jüngeren, 1479 gegossenen zieren außer durch Wachsformen hergestellte Inschriften mehrere großformatige Ritzzeichnungen (Nr. 51). Sie ist die meistverzierte im Bearbeitungsgebiet.

Die Inschriften sind auf einer Zeile oder zwei Zeilen (ganz selten auch drei) an die Schulter, gelegentlich auf den äußeren Rand und selten auf die Flanke geschrieben. An der Flanke stehen meist Wappenbeischriften. Vor der Reformation sind die üblichen Glockeninschriften: Gebete (Ave Maria gracia plena; O rex glorie veni cum pace u. a.), Anrufungen Gottes, der Gottesmutter (z. B. hilf Gott, Maria berot) und der Heiligen, die Nennung (auch Anrufung?) von Heiligen sowie Widmungen (Marie benedictus [sic!], co ern Mariae u. a.) und der Glockenname (Osanna, Benedicta). Dabei ist eine Unterscheidung der inschriftlich genannten Heiligen in Kirchen- und Glockenpatrone bei dem derzeitigen Stand der Patrozinienforschung nicht möglich.

Bibelzitate sind in vorreformatorischer Zeit sehr selten, seit 1522 aber häufig. Immer wieder – vor allem vor 1600 – ist 1 Pt 1,25 (Verbum Domini manet in aeternum), die Devise der Protestanten, anzutreffen. Nun erscheinen auch regelmäßig Gießervermerke, die vor der Reformation selten waren. Es werden viel häufiger die kirchlichen Patronatsherren, Pfarrer und Altarleute bzw. Kirchväter vermerkt, die vor der Reformation nur ausnahmsweise Erwähnung fanden. Insgesamt betrachtet, sind die Texte der Glocken des Bearbeitungsgebietes vor und nach der Reformation eher lapidar, wobei die bis etwa 1400 entstandenen Glocken noch eine größere inhaltliche und sprachliche Vielfalt aufweisen. Danach reduzieren sich die Inschrifttexte auf eine kleine Gruppe wenig variierter Formulare. Eine deutliche Veränderung der Glockeninschriften ist bei den um 1650 entstandenen Glocken zu beobachten (Nr. 280, 282). Die Texte werden sehr viel länger, enthalten historische Nachrichten und neuerdings wieder Gebete und Fürbitten.

Die Sprache der Glockeninschriften ist bis zum frühen 15. Jh. nur lateinisch, die Sprachform mitunter metrisch (leoninische Hexameter). Seit 1406 erscheinen deutsche Inschriften neben den lateinischen, bleiben aber bis zur Reformation quantitativ hinter diesen zurück. Danach dominieren die deutschen Inschriften; sie sind aber in der zweiten Hälfte des 16. Jh. noch mit lateinischen und einmal mit hebräischen Worten202) durchsetzt. Die im 17. Jh. gegossenen Glocken des Bearbeitungsgebiets sind nur noch in deutscher Sprache beschriftet. Gegen Ende des 16. Jh. und in der Mitte des 17. Jh. zieren einzelne Glocken deutsche Reimverse.

Erst seit 1406 sind die Glocken i. d. R. datiert (Gußjahr), bis zur Reformation deutlich überwiegend nach dem lateinischen anno-domini-Formular, einige Male nur mit anno und Jahresangabe und zweimal, 1509 und 1512 (Nr. 88, 91), mit einem deutschen Formular (nach cristi geburt mo ccccco vnde ym ... iar). Danach überwiegt anno und die Jahresangabe in römischen Ziffern, gelegentlich wird noch anno domini verwendet oder erscheint allein die Jahresangabe in arabischen oder römischen Ziffern. Der Tag des Glockengusses wird nur in drei Inschriften angegeben, in den vorreformatorischen nach dem Heiligenkalender (Nr. 31, 51), in einer nachreformatorischen Inschrift als Monatstag (Nr. 163).

Soweit die Herkunft einzelner Glocken oder ihrer Gießer bekannt ist, zeigt sich ein über den gesamten Bearbeitungszeitraum anhaltender Import thüringischer und insbesondere erfurtischer Glocken. Während im 15. und 16. Jh. einzelne von verschiedenen, z. T. namhaften Gießern wie Marcus Rosenberger geliefert wurden,203) stammen alle 15 von 1591 bis 1625 im Bearbeitungsgebiet nachweisbaren [Druckseite XXXVII] neuen Glocken aus Erfurt, allein 13 davon aus der sehr produktiven Werkstatt der Brüder Melchior und Hieronymus Möring.204) Der Befund bestätigt die zwar bekannte, doch noch immer nicht hinreichend dokumentierte und gewürdigte Tatsache, daß Erfurt in der frühen Neuzeit ein Zentrum der Bronzegießerei war.

Außerdem wurden im 16. und 17. Jh. mehrfach Glocken von sächsischen Gießern bezogen, ohne daß die in Freiberg und Leipzig ansässigen Werkstätten eine den thüringischen vergleichbare Bedeutung erlangten (Nr. 145, 163, 282). Von den in der unmittelbaren Umgebung ansässigen Gießern ist bis auf den sogenannten Hallischen Gießer bislang keiner im Bearbeitungsgebiet nachgewiesen. Der Hallische Gießer war im ersten Viertel des 16. Jh. der wichtigste Glockenlieferant im Bearbeitungsgebiet. Fast alle seine Glocken zeichnet das hallische Stadtwappen aus, das auf der Schriftzeile an der Schulter der Glocke erscheint. Tatsächlich liegt die Stadt Halle im Zentrum des weiträumigen Einzugsgebiets dieser über mehrere Jahrzehnte vor und nach 1500 nachweisbaren Werkstatt. Auf mindestens drei Glocken des Hallischen Gießers steht das Monogramm GW, das sich aber noch nicht in überzeugender Weise auflösen ließ.205)

3. 4. Grabmäler

Die Grabmäler des Bearbeitungsgebietes umfassen Grabplatten, Grabsteine und Epitaphien. Grabplatten sind hochrechteckige Steinplatten, die liegend Grabstätten inner- oder außerhalb der Kirche abdecken. Grabsteine kennzeichnen als freistehende oder an Kirch- oder Kirchhofsmauern aufrecht angebrachte Steinplatten, die i. d. R. kleiner und schmaler sind als Grabplatten und oft einen bewegten, plastisch ausgebildeten Kontur haben, Grabstätten außerhalb der Kirche. Epitaphien hingegen sind Denkmäler des Totengedenkens, die ohne direkte räumliche Verbindung mit der Grabstätte errichtet werden konnten. Sie wurden in unterschiedlichster Gestalt und aus unterschiedlichsten Materialien gefertigt.206) Von drei Ausnahmen aus dem 13. bzw. 14. Jh. abgesehen (Nr. 2, 5, 8), sind beschriftete Grabmäler für Angehörige aller Stände – eingeschlossen zwei Gedächtnisbilder für Geistliche der evangelischen Kirche – erstmals 1515 (Nr. 98) und kontinuierlich seit 1533 (Nr. 116) überliefert. Vorreformatorische Grabmäler sind außer denen für die Familien von Storkau in der Kirche von Untergreißlau nicht bezeugt. Besonders bedauerlich ist der Verlust der Grabmäler der Pfalzgrafen von Sachsen im Benediktinerkloster zu Goseck und der Markgrafen von Landsberg im Klarissenkloster zu Weißenfels, über die wir bis auf eine Ausnahme (Nr. 2) keine Nachrichten haben. Außer einer weitgestreuten Überlieferung einzelner Grabmäler haben sich größere nachreformatorische Grabmalskomplexe für die von Biesenroth in Schkortleben, heute in Wengelsdorf (Nr. 150, 171, 195),207) und für die von Bünau in Teuchern (Nr. 116, 127, 129, 131, 132, 142) erhalten. Die Grabmäler derer von Bothfeldt in Burgwerben (Nr. 146, 152, 153) und derer von Burkersroda in Markröhlitz (Nr. 169, 199) sind vermutlich nur Reste eines einst wesentlich umfangreicheren Bestandes.208) Eine vergleichsweise reiche Überlieferung verbindet sich mit der Stadtpfarrkirche in Lützen (Nr. 158, 159, 172, 180, 181, 216, 220, 258) und mit der noch im 19. Jh. abgebrochenen Klosterkirche in Weißenfels (Nr. 143, 154, 161, 244, 245, 279; Anhang I, Nr. 29), die zumindest andeutungsweise das vielschichtige Bild der amtsherrlichen und städtischen Führungsschichten in der frühen Neuzeit nachzeichnet. Die Weißenfelser Überlieferung ist auch deshalb beachtenswert, weil sie die offenkundige Bevorzugung der ehemaligen Klosterkirche als Begräbniskirche dieser Führungsschichten aufzeigt.209) Die größten Gruppen unter den 64 (von 68) zur Auswertung herangezogenen Denkmälern des Totengedenkens210) sind für den Adel (25 = 39%) und für Personen geistlichen Standes (15 = 23,4%) geschaffen worden.211)

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Außerdem sind 12 Grabmäler (18,7%) für Bürgerliche – darunter nur zwei (!) für Bürger, die nicht Amtsleute oder Hofbeamte waren oder zu deren nächsten Verwandten gehörten212) – sowie 3 für Berufssoldaten213) bzw. deren Kinder und 9 für Personen unbekannten Standes (14%) erhalten. In dieser letzten Gruppe sind vielleicht auch einige Grabmäler bäuerlicher Familien enthalten. 22 Grabmäler wurden auch oder ausschließlich für Frauen geschaffen. Umfangreichere, aber jüngere Bestände (nach 1650) an bäuerlichen Grabmälern, die hier keine Aufnahme finden konnten, haben sich in Zweitverwendung als Fußbodenbelag in den Kirchen von Röcken, Treben und Uichteritz sowie auf dem neuen Friedhof in Uichteritz erhalten.214) Bei einer stärker differenzierenden Betrachtungsweise ist abzuwägen, wieweit die kleiner werdenden Denkmalsgruppen überhaupt noch verallgemeinerbare Aussagen über Entwicklungstendenzen der Sepulkralinschriften und der Sepulkralkunst im Bearbeitungsgebiet zulassen.

3. 4. 1. Die äußere Gestaltung der Grabmäler

Die meisten hier ausgewerteten Grabmäler sind aus Stein gefertigt (78,1%); die technische Ausführung und die Ikonographie von fünf kopial bezeugten Grabmälern sind unbekannt (Nr. 172, 176, 181, 245, 265). Außerdem sind für die Weißenfelser Kirchen 2 Leinwandgemälde und eine Wandmalerei überliefert bzw. bezeugt (Nr. 194, 224, 275), die wohl als Ehren- oder Gedächtnismale für Verstorbene gedacht waren und nicht unmittelbar in einem sepulkralen Zusammenhang entstanden sind. Wegen ihrer kirchengebundenen Überlieferung und ihrer ikonographischen Verwandtschaft mit den Grabmälern sollen sie aber zusammen mit diesen betrachtet werden. Sie dürften nur einen Restbestand der ursprünglich in Kirchen, insbesondere städtischen Kirchen vorhandenen Porträts dieser Art darstellen.

Das über die gesamte frühe Neuzeit am häufigsten verwendete, fast auf der Hälfte aller ikonographisch bestimmbaren Grabmäler anzutreffende Motiv ist das der einzelnen Standfigur. Sie nimmt das Binnenfeld einer hochrechteckigen Reliefplatte ein, deren Rand in der Regel abgesetzt und umlaufend beschriftet ist. Die Standfigur wird zumeist von einem Blendbogen überfangen oder steht vor bzw. in einer sehr flachen Rundbogennische. Es ist anzunehmen, daß dieses Motiv von allen Ständen in gleichem Maße gewählt wurde, wenn auch der heute lückenhafte Bestand überwiegend Grabmäler des Adels und der Geistlichkeit umfaßt. Bemerkenswert ist, daß die seit dem Mittelalter gebräuchliche, oft zwischen stehender und liegender Körperposition schwankende Grabfigur zumeist eindeutig in eine Standfigur umgewandelt wurde, d. h., die Verstorbenen sind mit angedeuteter Körperdrehung (Torsion) oder leichter Kopfdrehung, in Spreizstellung oder leicht ausgreifender Schrittstellung wiedergegeben – alles Körperhaltungen, die kaum mit einer liegenden Figur in Einklang zu bringen sind. Zudem ist nur einer Figur ein Kissen unter den Kopf gelegt (Nr. 182). Das trifft auch auf die beiden hier einbezogenen ganzfigürlichen Pastorenporträts zu, deren Ikonographie der der Steingrabmäler für evangelische Geistliche entspricht.

Das zweithäufigste Motiv ist das der Ewigen Anbetung. Es befindet sich auf 6 Grabmälern, die in ihrer zeitlichen Abfolge zuerst kniende Einzelpersonen in Verehrung des gekreuzigten Heilands zeigen (Nr. 129, 142, 149), dann kniende Ehepaare, einander zugewandt (Nr. 169, 238), und schließlich den Verstorbenen mit allen Ehefrauen und Kindern, ebenfalls alle kniend, nach Geschlechtern getrennt und einander zugewandt (Nr. 262). Dem jüngsten und größten der mehrfigurigen Epitaphien wurden zwei breite und tiefe Konsolen zur Aufnahme aller Familienangehörigen in beinahe lebensgroßer Darstellung vorgesetzt. Es bindet wie die übrigen mehrfigurigen Grabmäler (bzw. Epitaphien) das Motiv der Ewigen Anbetung in Bildzyklen oder mehrteilige Architekturrahmen ein.

Ein in Poserna befindliches Grabmal von 1607 zeigt einen stehenden Pfarrer, der sich nach einem seitlich hinter ihm aufragenden Kruzifix umzuwenden scheint (Nr. 221). Obwohl der Geistliche nicht in Gebetspose dargestellt ist, handelt es sich vermutlich doch um eine neue Variante des alten, aus vorreformatorischer Zeit tradierten Motivs der Ewigen Anbetung, für das sich nach 1650 weitere Beispiele aus dem Bearbeitungsgebiet (u. a. aus Poserna) beibringen ließen.

Ein verwandtes Motiv ist wohl die Verehrung des auferstandenen bzw. triumphierenden Christus, für die zwei Beispiele überliefert sind.215) Außer einem Ecce homo (Nr. 98) und zwei Darstellungen des [Druckseite XXXIX] Jüngsten Gerichts216) haben sich 17 Grabmäler ohne figürliche oder szenische Darstellungen erhalten, 3 davon mit Wappen. 7 Grabmäler sind wegen ihrer geringen Größe und ihrer Form als Grabsteine anzusehen (Nr. 203, 205, 210, 234, 258, 267, 278).

Besondere Bedeutung haben zwei bildlose Grabmäler, weil jedes von ihnen zusammen mit einem weiteren bildhaften Grabmal ein und derselben Person zugedacht ist und dadurch eine typologische Differenzierung des Denkmalsbestandes in Grabplatten und Epitaphien ansatzweise ermöglicht. Mehrteilige oder mehrgeschossige Grabmäler mit überwiegend oder ausschließlich horizontaler Beschriftung, die zudem noch Unter- und Seitenhänge aufweisen, sind zweifellos Epitaphien. Die Einordnung der Grabmäler mit Standfiguren und gänzlich oder teilweise umlaufender Beschriftung aber, die dem oben beschriebenen Typus entsprechen, ist hingegen wesentlich schwieriger und kann zumeist nur dann vorgenommen werden, wenn wie in den folgenden Fällen noch ein Grabmal von anderer Form für dieselbe Person überliefert oder die Überlieferungsgeschichte des Grabmals bekannt ist. In dem ersten Fall handelt es sich um eine im Kirchenboden vermutlich in situ liegende Platte mit umlaufender fragmentierter Inschrift (wahrscheinlich eine Grabbezeugung) und einem Vollwappen im Binnenfeld (Nr. 152). Sie ist dem 1570 verstorbenen Melchior von Bothfeldt gewidmet, der nochmals durch ein unmittelbar daneben angebrachtes Grabmal geehrt wird (Nr. 153). Dieses besteht aus einer hochrechteckigen Platte mit umlaufender Inschrift (Sterbevermerk), einer Abbildung des Verstorbenen als Standfigur in einer angedeuteten Rundbogennische, an deren Leibung sich die Inschrift fortsetzt. Die Platte ist durch einen gemauerten Sockel erhöht und wird von einem Giebelaufsatz mit der Darstellung Gottvaters und einer weiteren, horizontal ausgehauenen Inschrift bekrönt. Die zweite der bildlosen Platten ist der 1573 verstorbenen Martha Kratze gewidmet. Sie liegt ebenfalls noch im Kirchenboden – aber sicherlich nicht mehr in situ – und weist eine umlaufende Inschrift (Sterbevermerk) auf, die sich im Binnenfeld der Platte in mehreren Zeilen fortsetzt (Nr. 158). Einen nahezu wortgleichen Sterbevermerk hat eine an der Kirchenwand aufgerichtete Platte mit Standfigur der Verstorbenen in einer Rundbogennische (Nr. 159). Trotz nicht unbeträchtlicher Größenabweichungen hätten auch die Bildnisplatten ihrer Form und ihrer Inschrift nach Grabplatten gewesen sein können, wenn das durch die konkrete Überlieferungsituation nicht ausgeschlossen würde. Es liegt auf der Hand, daß die bildlosen, noch im Boden liegenden Platten Gräber bedecken (bzw. bedeckten), während die – wohl schon immer – aufrecht stehenden, durch ein wesentlich tieferes Relief ausgezeichneten und in einem Fall (Nr. 153) mit einem zweifellos dazugehörigen Giebel geschmückten figürlichen Platten Epitaphien darstellen.217) Davon ausgehend können wohl alle nur mit Text und Wappen in flachem Relief geschmückten hochrechteckigen Platten ganz unabhängig von ihrer heutigen Aufstellung als Grabplatten angesehen werden.218) Die kopiale Überlieferung zu den Grabmälern für Johann und Anna Meißner scheint diese Annahme zu bestätigen. Eine im Kirchenchor liegende Steinplatte mit eingelassener Messingplatte hat der Beschreibung zufolge wohl nur umfangreiche Grabschriften mit dem Sterbevermerk und der Grabbezeugung für Johann Meißner aufgewiesen (Nr. 244). Daneben war an der Kirchenwand ein zweites mehrteiliges Grabmal mit Sterbevermerken für Johann und Anna Meißner aufgerichtet, über dessen Gestaltung aber leider nichts mitgeteilt wird (Nr. 245). Allerdings ist davon auszugehen, daß nicht alle Platten mit Standfiguren als Epitaphien, sondern einige auch als Grabplatten Verwendung gefunden hatten. Wenn sie heute an den Kirchenwänden aufgerichtet sind, ist ihre ursprüngliche Zweckbestimmung aber nicht mehr erkennbar. Der fehlende Abrieb der Oberfläche bei einer original erhaltenen Steinplatte ist nicht zwangsläufig ein Indiz gegen deren Verwendung als Grabplatte, da diese durch Randlage im Kircheninnenraum, durch eine schützende Abdeckung oder Überbauung mit dem Podium eines Kirchengestühls vor Abrieb geschützt gewesen sein konnte. Das Grabmal für Margaretha von Watzdorf (Nr. 154), eine hochrechteckige Platte mit rundbogig überfangener Standfigur ist wegen seiner Gesamtgestaltung eindeutig als Epitaph anzusprechen. Die Inschrift A beginnt an der linken Langseite und ist dann dem Bogenlauf folgend auf die rechte Langseite hinübergeführt. Am unteren Plattenende ist eine Konsole für die Standfigur mit eingehauenen Initialen (B), die vom unteren Ende der Platte her zu lesen sind. Die Anbringung der Inschriften und die stark vorspringende Konsole belegen, daß die Platte von Anfang an zur aufrechten Anbringung vorgesehen war. Dieser Epitaph-Typus, der im Bearbeitungsgebiet nur einmal auftritt, und alle anderen im Bearbeitungsgebiet vertretenen Grabmalstypen – das sind die Grabplatte mit umlaufender Inschrift und Wappen, Kreuz oder/und Inschrift im Mittelfeld, die Platte mit Standfigur und umlaufender Inschrift, vereinzelt mit Giebelbekrönung, sowie das mehrteilige, [Druckseite XL] mehrgeschossige, vielfigurige Epitaph – sind in anderen Regionen Deutschlands ebenfalls gebräuchlich.219)

Abgesehen von der rahmenden Gestaltung sind die auffälligsten Unterschiede in der Kleidung und den Attributen der Dargestellten festzustellen. Adlige tragen zumeist Rüstungen; die spanische Hoftracht erscheint nur auf drei frühen Epitaphien des Monogrammisten HK zwischen 1566 und 1571 (Nr. 150, 153, 157). Die Männer auf den beiden einzigen vergleichbaren, aus dem zweiten Viertel des 17. Jh. stammenden bürgerlichen Grabmälern tragen ebenfalls die spanische Hoftracht (Nr. 270, 279).

Ein Zusammenhang von Kleidung und Attributen scheint im 16. Jh. noch gegeben. Wenn nicht eine Adoration den Gebetsgestus nahelegt, dann halten gerüstete Männer, ausschließlich Adlige, einen Streitkolben in der rechten und ein Schwert bzw. den Griff des angegürteten Schwertes in der linken Hand. Die Herren in spanischer Hoftracht aber umfassen mit der rechten Hand immer ein Paar Handschuhe. Das Buch – die Bibel – ist immer das Attribut der Geistlichen und ein Attribut der Frauen. Beiden Personengruppen ist auch gemeinsam, daß sie in frontaler Darstellung ohne unmittelbaren Bezug zu einer Christusdarstellung mit Gebetsgestus abgebildet werden können. Ebenso Kinder – niemals aber männliche Laien.

Eine Ahnenprobe erscheint im Bearbeitungsgebiet erstmals 1566 (Nr. 150). Seit 1570 finden sich auf allen figürlichen Grabmälern des Adels stets vierteilige, im 17. Jh. auch achtteilige Ahnenproben. Ursache war die Forderung nach umfangreicheren Ahnenproben, durch die seit dem frühen 17. Jh. dem Neuadel und bürgerlichen Rittergutsbesitzern der Zugang zu den traditionellen Adelskollegien wie den Stiften und der Adelsbank der Ständeversammlung erschwert werden sollte. Begnügte sich das Domstift in Merseburg 1571 noch mit vier adligen Vorfahren, so wurden 1613 schon acht und „bald darauf“ sechzehn verlangt.220) Bürgerliche Grabmäler zeigen zumeist nur das Vaterswappen oder die Wappen beider Eltern.

3. 4. 2. Inhalt, Form und Sprache der Grabinschriften

Trotz ihrer Formelhaftigkeit sind im Bearbeitungszeitraum deutliche Veränderungen der Inschriftentexte feststellbar. Vollständige Grabschriften beinhalten i. d. R. den Sterbevermerk und schließen mit einem Segenswunsch (dem Gott gnade, dem Gott eine fröhliche Auferstehung verleihe o. ä.). Die einzige Veränderung vor der Mitte des 16. Jh. betrifft den Sterbetag, der bis 1539 nach dem Heiligenkalender (Nr. 98, 116, 127), dann in abnehmendem Maße nach den Kirchenfesten (Nr. 129, 131, 132, 153, 157), seit Mitte des 16. Jh. zunehmend und seit Ende des Jahrhunderts ausschließlich mit den Monatstagen angegeben wird. Einmal wird – als Ausweis humanistischer Bildung – nach dem römischen Kalender datiert (Nr. 181). Gelegentlich, vor allem im 17. Jh., ist auch die Todesstunde angegeben (Nr. 170, 199, 221, 234, 242, 258). Den Sterbevermerk ergänzt häufig eine Altersangabe, die nach 1600 oft durch das Geburtsjahr ersetzt wird. In einigen wenigen Fällen wird eine Grabbezeugung hinzugefügt, vorzugsweise im 17. Jh. und erstaunlicherweise auch auf einigen Epitaphien, die demnach in unmittelbarer Nähe des Grabes angebracht gewesen sein müssen (Nr. 149, 152?, 221, 241, 264).

Seit 1565 treten zu den bis dahin durchgängig knappen Grabschriften Bibelzitate hinzu, die zumeist auf die Auferstehung, Erlösung und das ewige Leben Bezug nehmen (insbesondere Hiob 19,25–26; Ps 31,6; Phil 1,21). Im letzten Viertel des 16. Jh. wird die Tendenz zur wortreichen Ausgestaltung der Grabschriften unübersehbar. Gegen Ende des 16. Jh. und häufiger noch danach erscheinen an den Grabmälern längere oder mehrere Bibelzitate (Nr. 169, 194, 262), Totenlob mit biographischen Angaben (Ämter, Amtsdauer; vgl. Nr. 172, 180, 181, 215, 221, 238, 244, 245, 262, 275) oder Besitztitel (Nr. 262). Seit der zweiten Hälfte des 16. Jh. ist es üblich (aber kein durchgängiges Prinzip), bei verheirateten Frauen aller Stände den Geburtsnamen oder den Vatersnamen mitzuteilen. Seit 1582 wird gelegentlich das Jahr der Eheschließung oder die Ehejahre und die Zahl der Kinder angegeben (Nr. 172, 182, 215, 226, 245).221)

Die Verwendung verschiedener Textsorten allein bietet aber keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine klare Scheidung verschiedener Grabmalstypen. Bei Grabmälern ohne Sterbevermerk ist zu fragen, ob ihre Inschriften vollständig überliefert oder erhalten sind. Längere Inschriften finden sich eher auf Epitaphien, bieten sie doch oft mehr Fläche für Inschriften.

Zur Unterscheidung der Stände dienen Epitheta wie z. B. edel, das allein den Angehörigen des (Nieder-)Adels [Druckseite XLI] vorbehalten ist. Gelegentlich finden sich dafür Umschreibungen wie EX NOBILISSIMA PROSAPIA und EX EQVESTRIS ORDINIS FAMILIA (Nr. 238). Den Männern kommen außerdem die Attribute ehrenvest und gestreng zu, die allein zur standesmäßigen Kennzeichnung auszureichen scheinen. Auf mindestens zwei der im dritten Viertel des 16. Jh. entstandenen Adelsgrabmälern, deren Inschrifttext vollständig erhalten bzw. rekonstruierbar ist, findet sich die Standesbezeichnung edel nicht (Nr. 142, 149). An anderen, unvollständig erhaltenen Grabschriften des 16. Jh., die immerhin ehrenvest oder gestreng enthalten, könnte das Wort edel mit anderen Textteilen verlorengegangen sein (z. B. bei Nr. 129, 132, 135, 150). Eine feste Abfolge der Epitheta war nicht vorgegeben. Adlige Frauen sind wie ihre Geschlechtsgenossinnen aller Stände tugendsam, wohltugendsam, ehrentugendsam oder gar vielehrentugendsam. Frauen bürgerlicher Abkunft wird darüber hinaus häufig das Attribut ehrbar beigegeben. Personen geistlichen Standes – auch Ordensangehörige weiblichen Geschlechts (Nr. 154) – werden als ehrwürdig/reverendus und wohlgelehrt bezeichnet. Nur zwei Grabschriften von Männern bürgerlicher Abkunft sind aus dem 16. Jh. überliefert, die wegen des singulären Vorkommens der einen (Nr. 98) und der stark abweichenden Textsorte der anderen (Nr. 143) nicht zu verallgemeinerbaren Aussagen herangezogen werden können. Doch zeigen gerade bürgerliche Grabmäler des 17. Jh. Wandlungen im Gebrauch der Standesbezeichnungen auf. Der Titel Herr, im 16. Jh. nur für Geistliche überliefert (Nr. 170, 180),222) wird im 17. Jh. weiterhin für deren Grabschriften gebraucht, zugleich aber auch von Bürgerlichen übernommen – die aber in allen hier vorliegenden Beispielen Amtspersonen gewesen waren.223) Außerdem scheint jetzt auch das adlige ehrenvest in das Formular bürgerlicher Grabschriften eingegangen zu sein (Nr. 244, 245, 278). Mangels vergleichbarer Texte aus dem vorangegangenen Jahrhundert kann das jedoch nur als Vermutung angesprochen werden. Die Anrede Fraw kommt bis zu Anfang des 17. Jh. überwiegend adligen,224) dann auch häufiger bürgerlichen Frauen zu. Wegen der geringen Zahl der Belege besitzt aber auch diese Feststellung nur begrenzten Aussagewert.

Die Sprache der Grabschriften ist ganz überwiegend Deutsch. Nur zweimal sind deutsche Reimverse anzutreffen (Nr. 215, 241). Erst im letzten Viertel des 16. Jh. erscheinen häufiger lateinische Inschriften, die seit 1590 signifikant zunehmen und bis 1620 auf 45,8% der Grabmäler zu finden sind. Danach nimmt ihr prozentualer Anteil wieder ab. Metrische lateinische Inschriften (Hexameter, elegische Distichen) sind selten und fast nur in dem genannten Zeitraum anzutreffen (Nr. 143, 161, 218, 232, 244, 245). Die Verwendung der lateinischen Sprache ist ganz eindeutig als Bildungsbeleg zu verstehen. Die Hälfte der 16 lateinischen Grabschriften befindet sich auf den Grabmälern von Geistlichen oder deren Ehefrauen; erstere werden ja ohnehin (in deutschsprachigen Inschriften) häufig als wohlgelehrt gewürdigt. Fünf lateinische Grabschriften stehen auf Grabmälern für Personen bürgerlichen Standes, die zumeist studiert hatten und als Bürgermeister, amtsherrliche oder höfische Beamte tätig waren (Nr. 143, 182, 226, 244, 245). Zwei lateinische Grabinschriften sind für verstorbene unbekannten Standes (Nr. 234, 279), und nur eine (!) ist nachweislich einem adligen Ehepaar gewidmet (Nr. 238).

3.4.3. Stil und Provenienz der Grabmäler

Die selten provinzielles Niveau übertreffende künstlerische Qualität ist wohl die erste und wesentlichste Ursache dafür, daß die Grabmäler im Bearbeitungsgebiet und im gesamten Gebiet der mittleren Saale außerhalb der DI bisher nicht systematisch und flächendeckend aufgearbeitet wurden. Dementsprechend ist die Herkunft der meisten Grabmäler, sind ihre Schöpfer, Maler und Bildhauer, unbekannt. Die überwiegend konventionelle und schematische Gestaltung und der zurückhaltende künstlerische Anspruch der Grabmäler erschweren eine Zuweisung an bestimmte Hände, wenn sie sich allein auf stilistische Kriterien stützen muß. Wohl sind Kleidung und Habitus der Dargestellten in ihrer natürlichen, zeitbedingten Erscheinung wiedergegeben, doch wird eine lebendigere, d. h. in der Physiognomie individuellere und in der Pose natürlichere Gestaltung der Figuren nur in Ausnahmefällen erreicht (oder angestrebt).

Als geeignetes Mittel, die Grabmäler dennoch in Werkstattzusammenhänge einzuordnen, erweist sich die Inschriftenpaläographie. Schon das älteste erhaltene Epitaph von 1515 (Nr. 98) konnte durch einen Schriftvergleich derselben Werkstatt zugewiesen werden wie ein anderes von 1514/25, das in der [Druckseite XLII] Leipziger Nikolaikirche aufbewahrt wurde. Damit ist die Entstehung des Weißenfelser Epitaphs in Leipzig oder eine Auftragsvermittlung über die Leipziger Messe wahrscheinlich.

Mit Hilfe paläographischer Untersuchungen lassen sich zumindest drei größere Werkkomplexe abgrenzen. Der erste besteht aus fünf zwischen 1533 und 1547 entstandenen Reliefplatten (Epitaphien) in der Kirche in Teuchern, die auch wegen ihres teilweise schlechten Erhaltungszustandes vor allem unter paläographischen Gesichtspunkten einer Werkstatt zuzuordnen sind (Nr. 116, 127, 129, 131, 132). Der zweite Werkkomplex umfaßt die Arbeiten des Monogrammisten HK, eines beachtlichen Bildhauers, der seine Werke zumeist mit diesem Monogramm kennzeichnete und bestimmte Schriftformen verwendete. Einige seiner Werke zeichnen sich auch durch eine große Übereinstimmung in bildnerischen Details aus, so daß die Zuschreibungen mehr Sicherheit gewinnen. Der Monogrammist HK ist zwischen 1566 und 1602 (?) im Gebiet der mittleren Saale nachweisbar; er hat aber auch Werke für weiter entfernte Orte geschaffen. Sein Oeuvre umfaßt außer Grabmälern wohl auch Taufsteine und eine Kanzel; seine Werkstatt war zuerst vermutlich im Raum Weißenfels, dann im Raum Naumburg ansässig.225) Eine andere im ersten Viertel des 17. Jh. tätige Werkstatt weist eine dem Monogrammisten HK vergleichbare Qualität und eine so eigentümliche Schriftform auf, daß dadurch eine Abgrenzung der Werkgruppe möglich ist (Nr. 236, 241, 253). Der Sitz der Werkstatt ist nicht bekannt.

Die Herkunft der drei qualitätvollsten, in Dehlitz und Goseck befindlichen Grabmäler ist nicht geklärt. Wird das Epitaph für den angesehenen kursächsischen Feldhauptmann Georg von Altensee genannt Wachtmeister auf Goseck (gestorben 1565) noch mit einem auch in Naumburg nachweisbaren Meister in Verbindung gebracht (Nr. 149), so kann für das von 1613 bis 1616 gefertigte Epitaph für den kursächsischen Hofmarschall und Amtshauptmann Johann von Wolffersdorff auf Dehlitz und seine Gemahlin eine Entstehung in Leipzig oder Magdeburg angenommen werden, ohne daß sich vorläufig eine Werkstatt benennen ließe (Nr. 238). Die Herkunft des größten und anspruchvollsten Epitaphs im gesamten Bearbeitungsgebiet, errichtet für den 1628 verstorbenen kursächsischen Kanzler Bernhard von Pöllnitz in der ehemaligen Klosterkirche zu Goseck, ist leider ebenfalls unbekannt (Nr. 262). Die außerordentliche Größe sowie die künstlerische und technische Qualität des Epitaphs setzen eine große und gut geschulte Werkstatt voraus, die ihren Standort nur in einem der mitteldeutschen Kunstzentren gehabt haben kann. Doch ist der Einfluß der Magdeburger Bildhauerwerkstätten, die im ersten Viertel des 17. Jh. im nördlichen Deutschland führend waren, an den beiden letztgenannten, den bedeutendsten plastischen Bildwerken im Bearbeitungsgebiet, unverkennbar. Sie gehören wegen ihres manieristischen Formenreichtums und ihrer künstlerischen Reife zu den erstrangigen Werken ihrer Zeit in Mitteldeutschland, während die übrigen Werke in zurückhaltender Weise und zumeist bescheidenem Umfang geläufige Renaissancemotive variieren. Es ist offensichtlich, daß insbesondere angesehene, gesellschaftlich hochstehende und wohlhabende Persönlichkeiten materiell aufwendigere und künstlerisch anspruchsvollere Grabmäler anfertigen ließen. Zu diesem Auftraggeberkreis gehörte auch der 1620 verstorbene kursächsische Landrentmeister Johann Meisner und dessen Gemahlin, über deren einst in Weißenfels befindliche Grabmäler (Nr. 244, 245) wir aber nur wenig wissen.

Zitationshinweis:

DI 62, Landkreis Weißenfels, Einleitung, 3. Die Inschriftenträger (Franz Jäger), in: inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di062l001e009.

  1. Eine 1500 gefertigte Inschrift beginnt: Nach christi geburt (Nr. 74). »
  2. Vgl. die Altarausstattung der Stadtpfarrkirche St. Mariae in Weißenfels (Nr. 126). »
  3. Ein Beispiel vermutlich in der Klosterkirche Langendorf (Nr. 43). »
  4. Allgemein: Katalog Magdeburg 2001, S. 20–32; zu den Kirchen im Amt Lützen vgl. Kirchenschatzung 1919; zu der Kirche in Teuchern vgl. Voigt, Kirchenvisitation 1887/89, S. 11 (Anm. 13 f.). »
  5. So z. B. der sog. Watzdorfkelch, ein Kelch, den Margaretha von Watzdorf der Weißenfelser Stadtpfarrkirche 1566 gestiftet hatte und der 1683 umgearbeitet und mit neuer Inschrift versehen wurde (Lorenz 1903, S. 63–65). »
  6. So kamen z. B. ein Altarretabel aus Kriechau in die heutige Staatliche Galerie Moritzburg in Halle und ein anderes aus der ehemaligen Klosterkirche in Weißenfels in das heutige Stadtmuseum in Weißenfels (Nr. 83). Das Retabel aus Kriechau war zum Zeitpunkt der Erfassung in einem Depot untergebracht, wo es nicht zugänglich ist. Es soll keine Inschriften tragen. »
  7. Die Namen stehen i. d. R. im Nominativ! »
  8. Der Name des Meisters, eines Leipziger Bildschnitzers und Malers (vgl. Thormann 1995, Anhang II, S. XII f.), steht auf einem Zettel, der mit einem geschnitzten Altarretabel überliefert wurde. Auf dem Zettel wird das Werk als Sassel bezeichnet (Heydenreich 1840, S. 291), ein Begriff, der wohl nicht das Altarretabel meint. Zettel und Retabel sind heute verloren. »
  9. Vgl. BKD Prov. Sachsen 27, S. 189 f. »
  10. Vgl. Hoppe 1936 und Schröder 1937. »
  11. Es handelt sich dabei um ein Nomen sacrum und vielleicht um ein Bibelzitat (Nr. 186). »
  12. Das sind vor 1500 ein anonymer ostthüringischer Gießer (Nr. 36) und (vielleicht) Hans Sinderam aus Erfurt (Nr. 59), nach 1500 Marcus Rosenberger aus dem ostthüringischen Schleiz (Nr. 110) und Eckhard Kucher aus Erfurt (Nr. 144). »
  13. Zur Möring-Werkstatt vgl. Nr. 186»
  14. Zur Werkstatt des sogenannten Hallischen Gießers vgl. Nr. 86»
  15. Zu den Definitionen vgl. DI 54 (Mergentheim), S. XXXI–XXXVII. »
  16. Dazu gehören auch die nur noch abbildlich überlieferten Grabmäler Nr. 241, 242»
  17. Adelsgrabmäler aus dem Bearbeitungszeitraum sind möglicherweise auch in der zu Anfang des 17. Jh. angelegten Gruft in der ehemaligen Klosterkirche von Goseck erhalten. Eine Begehung des lichtlosen und zur Zeit der Inschriftenerfassung völlig verwüsteten Raumes war jedoch ohne Sicherungsmaßnahmen und technische Hilfsmittel nicht möglich. »
  18. Büttner und Vulpius verweisen in ihren Manuskripten immer wieder auf ein Kapitel, in dem die Grabstätten bedeutender und namentlich genannter Persönlichkeiten behandelt werden sollen, die sich in der Weißenfelser Klosterkirche befänden. Dieses Kapitel fehlt aber in beiden Manuskripten. »
  19. Die vereinzelt erhaltenen bzw. kopial überlieferten Grabschriften des 13. und frühen 14. Jh. (Nr. 2, 5, 8) und die frühneuzeitliche Gedächtnisinschrift für den 1291 verstorbenen Markgrafen von Landsberg, Friedrich Tuta (Nr. 200), werden nicht berücksichtigt. »
  20. Darunter nur ein katholischer Geistlicher und (vielleicht) zwei Nonnen (Nr. 131, 132, 154, 155). »
  21. Sie sind Bürgermeistern von Weißenfels gewidmet (Nr. 98, 143). »
  22. Nur einer von Adel (Nr. 149). »
  23. Vgl. den Abschnitt über die nicht aufgenommenen Inschriften. »
  24. Vgl. Nr. 131 und die kopial überlieferte Nr. 161, für die die Darstellung des Verstorbenen zwar nicht ausdrücklich bezeugt, aber anzunehmen ist. »
  25. Vgl. Nr. 155 und die kopial überlieferte Nr. 226, zu der dasselbe wie zu Nr. 161 (vgl. Anm. 23) anzumerken ist. »
  26. Vergleichbar sind z. B. die Grabmalensembles für Anna und Johannes von Hanau-Lichtenberg in Babenhausen (DI 49, Darmstadt-Dieburg/Groß-Gerau, Nr. 59, 61, 65, 66). »
  27. Außer den Erwähnten betrifft das Nr. 146 (mit Wappen und Kreuz im Binnenfeld) und Nr. 170, 174, 199, 220»
  28. Vgl. z. B. den Landkreis Mergentheim in Baden-Württemberg (DI 54, passim). »
  29. Heckel 1924, S. 105 f. Seit der zweiten Hälfte des 17. Jh. verlangte auch die adlige Ständeversammlung des Kurfürstentums Sachsen erheblich erweiterte Ahnenproben (Helbig 1980, S. 245; Endres 1993, S. 31 f.; Göse 1997, S. 152). »
  30. Bei Männern nur einmal (Nr. 226). »
  31. Ein früher Einzelbeleg um 1460 (Nr. 43). »
  32. Zu den Geistlichen vgl. Nr. 216, 221 (lat.); zu den Bürgerlichen vgl. Nr. 244, 245, 270, 272. Für Adlige im Bearbeitungsgebiet nur einmal (!) belegt (Nr. 262). In Verbindung mit Ämtern erscheint der Titel jedoch weitaus häufiger (z. B. Pfarrherr). »
  33. Sie findet sich schon 1573 auf Grabplatte und Epitaph einer bürgerlichen Frau (Nr. 158, 159). »
  34. Zum Werk des Monogrammmisten HK vgl. Nr. 153»