Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Landkreises Weilheim-Schongau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 84: Lkr. Weilheim-Schongau (2012)

Nr. 177† Steingaden, Stiftskirche Johannes d. Täufer 1589

Beschreibung

Glocke. Ursprünglich auf dem Nordturm, wo sie angeblich als einzige Glocke aufgehängt war1). Die Glocke wurde nach der Säkularisation nach Schongau verbracht und in das Geläut der Stadtpfarrkirche eingefügt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde sie eingeschmolzen2). Als Glockenzier waren an der Flanke ein Unwetter und zerschlagene Feldfrüchte sowie die vier Evangelisten dargestellt. Außerdem war das Wappen des Abtes Gallus Theininger angebracht. An Schulter (I) und Schlagwulst (III) war jeweils eine Inschrift in lateinischer Sprache, während die Inschrift auf der Flanke in deutscher Sprache verfaßt war (II).

Text und Beschreibung nach Berliner, Erzgießer.

Maße: D. ca. 148,5 cm1).

I. An der Schulter

  1. Titulus triumphalis: Jesus Nazarenus rex Judaeorum MDLXXXIX

Übersetzung:

Titulus triumphalis3): Jesus von Nazareth, König der Juden, 1589.

II. An der Flanke

  1. Durch Gottes Hilf und Gnad und des ehrwürdigen in Gott Gallea) Abt des würdigen Gotteshaus St. Johannes zu Steingaden Hilf und Rath goß mich Kaspar und Nicolausb) Dietrich sein Sohn zu Ingolstadt

III. Am Schlagwulst

  1. Clangore buccinarum milites ad proeliandum animosiores redduntur: Piae mentes campanarum sonitu ad adorandum ardentius permoventur.

Übersetzung:

Durch das Getöse der Hörner wenden sich Soldaten beherzter zum Kampf, durch den Klang der Glocken werden fromme Seelen zu inbrünstigerer Anbetung bewegt.

 
Wappen:
Theininger4).

Kommentar

Abt Gallus Theininger war von 1580 bis 1606 Abt des Klosters Steingaden5).

Der Glockengießer Caspar Dietrich wurde nach Berliner wahrscheinlich 1527 geboren und ist 1552 als Steuerzahler in München aktenkundig. Seit 1554 ist er in Ingolstadt ansässig, wo er 1594 gestorben ist6). Sein Sohn Nikolaus Dietrich hatte ursprünglich das Zinnngießerhandwerk erlernt und betrieb trotz Verbots beide Handwerke. Vater und Sohn wurden 1583 deshalb bestraft. 1584 wurde Nikolaus Dietrich Bürger von Ingolstadt7).

Textkritischer Apparat

  1. Davor zusätzlich Herrn PfA Steingaden.
  2. Caspar u. Niklas PfA Steingaden.

Anmerkungen

  1. PfA Steingaden F: II, 3, p. 12.
  2. Hofmann, Steingadener Chronik 2, 243. Unklar ist, ob die Glocke im Zuge der Glockenabgabe des Ersten Weltkriegs oder wegen einer Beschädigung eingeschmolzen wurde.
  3. Titulus triumphalis bezeichnete im alten Rom zunächst die Beschriftung der Tafeln, die bei den triumphalen Einzügen siegreicher Feldherren mitgeführt wurden – sie enthielten Angaben über die errungenen Siege und die bezwungenen Feinde –, dann auch die Inschriften auf einem zum dauerhaften Gedenken an einen solchen Triumph errichteten steinernen Triumphbogen. Da Jesu Kreuzestod als Sieg und Triumph über die Sünde der Welt gedeutet wird, wird von christlichen Autoren der Ausdruck titulus triumphalis auf die Kreuzesinschrift übertragen. Für diesen Hinweis sei Herrn Dr. Uwe Dubielzig, München gedankt.
  4. Zimmermann, Klosterheraldik 154.
  5. Zu Gallus Theininger vgl. Nr. 232†.
  6. Berliner, Erzgießer 3.
  7. Berliner, Erzgießer 4, Anm. 10.

Nachweise

  1. PfA Steingaden F: II, 3, p. 12; Berliner, Erzgießer 3 und 4, Anm. 10.

Zitierhinweis:
DI 84, Lkr. Weilheim-Schongau, Nr. 177† (Manfred Merk), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di084m015k0017700.