Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Landkreises Weilheim-Schongau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 84: Lkr. Weilheim-Schongau (2012)

Nr. 108† Polling, Liebfrauenkirche (abgegangen) 1527

Beschreibung

Bau- und Gedenkinschrift des Propstes Johannes IV. Vendt (1523–1530). Am zweiten Altar der Liebfrauenkirche1). Vermutlich beim Abbruch der Frauenkirche 1805 zerstört. Oblonge Tafel, eingetiefte, golden ausgelegte Inschrift2).

Text nach Töpsl, Succincta Informatio.

  1. Hoc divae Virginis templum edificari fecit Venerabilis Pater Dominus Joannes Vend Praepositus sub Principibus Christianissimis Bavarie Guilelmo, Ludovico et Oernesto. Anno salutis MDXXIVa) eo autem triennio, quo templum edificaretur, hocb) memoranda contigerunt; Rustici a LutheroHeresiarcha seducti passim in Germania contra suos Dominos insurgunt, arces et templa destruentes, ex quibus super centena millia occiduntur, soli Bavarie Principesc) suos in Fide, et Obedientia continent, Rex Gallorum Franciscus abExercitu Caesaris Caroli V. capitur. Rex Hungarie Ludovicus contra Turcasd) proficiscens occiditur. Roma a Caesariano exercitu capitur, Papa Clemente VII. in deditionem recepto

Übersetzung:

Diese Kirche der göttlichen Jungfrau hat der ehrwürdige Vater, Herr Propst Johannes Vendt, unter den christlichsten Fürsten Bayerns Wilhelm, Ludwig und Ernst3) im Jahre des Heils 1524 errichten lassen und innerhalb des Zeitraums von drei Jahren, in dem dieser Tempel erbaut wurde, sind diese bemerkenswerten Ereignisse geschehen: Die Bauern, vom Erzketzer Luther verführt, haben sich überall in Deutschland gegen ihre Herren erhoben und haben Burgen und Kirchen zerstört. Von ihnen sind über Hunderttausend getötet worden. Allein die Herrscher Bayerns hielten ihre Untertanen im Glauben und in Gehorsam. Franz, der französische König, wurde vom Heer Kaiser Karls V. gefangen, Ludwig, der ungarische König, wurde, als er gegen die Türken vorrückte, getötet. Rom wurde vom kaiserlichen Heer besetzt, nachdem es durch Papst Clemens VII. übergeben worden war.

Kommentar

Johannes IV. Vendt, Propst von 1523 bis 1530, war ein Neffe von Propst Johannes II. Vendt (1454–1491)4). Er errichtete in den Jahren 1524 bis 1527 die Liebfrauenkirche neu (Vgl. auch Nr. 109 und 114†).

Die Inschrift gedenkt neben dem eigentlichen Bauvorgang historischer Ereignisse aus der Bauperiode: Im Jahre 1525 erschütterte der Bauernkrieg Deutschland. König Franz I. von Frankreich wurde in der Schlacht von Pavia im Jahre 1525 durch die Truppen Kaiser Karls V. gefangengenommen. Der ungarische König Ludwig II. ist 1526 nach der Schlacht von Mohacs auf der Flucht ertrunken. 1527 eroberten die kaiserlichen Truppen die Stadt Rom, verwüsteten und plünderten sie im Sacco di Roma und schlossen Papst Clemens VII. (1523–1534) in der Engelsburg ein, wo er später kapitulierte.

Textkritischer Apparat

  1. 1524 Cgm 5743, Gailler, Vindelicia Sacra.
  2. Haec BHStA KL Polling Nr. 220, Cgm 5743, Gailler, Vindelicia Sacra.
  3. principes subditos suos BHStA KL Polling Nr. 220.
  4. Turcam BHStA KL Polling Nr. 220.

Anmerkungen

  1. Gailler, Vindelicia Sacra 255.
  2. Töpsl, Succincta Informatio 94.
  3. Herzog Wilhelm IV. (1508–1550), Herzog Ludwig X. (1516–1545) und Ernst, Administrator des Bistums Passau (1517–1540).
  4. Vgl. Nr. 57.

Nachweise

  1. BHStA KL Polling Nr. 220 fol. 50r–50v; Cgm 5743 fol. 3r; Gailler, Vindelicia Sacra 255; Töpsl, Succincta Informatio 94.

Zitierhinweis:
DI 84, Lkr. Weilheim-Schongau, Nr. 108† (Manfred Merk), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di084m015k0010805.