Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Landkreises Weilheim-Schongau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 84: Lkr. Weilheim-Schongau (2012)

Nr. 102 Seeshaupt, Am Dampfersteg 1522

Beschreibung

Sog. Seegerichtssäule. Unterhalb der Pfarrkirche am Seeufer. Tuffstein. Auf dem vierseitigen Schaft mit kleinen Ecksäulen ein Aufsatz, der an allen vier Seiten leere Kielbogennischen aufweist. Unter dem Aufsatz befinden sich vier Wappenschilde, auf zwei gegenüberliegenden Wappen (West- und Ostseite), auf den anderen beiden gegenüberliegenden Wappenschilden Inschriften: auf der Nordseite Initialen (I), auf der Südseite die Jahreszahl (II). Sehr verwittert.

Maße: H. (der Säule) 170 cm, B. (des Schaftes) 45 cm, Bu. 9 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel (I), Arabische Ziffern (II).

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/2]

  1. I.

    s(ee) · g(ericht)a) ·

  2. II.

    1522b)

Wappen:
unbekannt, unbekannt1).

Kommentar

Die Säule steht im Zusammenhang mit dem sog. Seegericht. Das Seerichteramt gehörte zum Landgericht Starnberg. Der Seerichter war für den gesamten Starnberger See und die dazugehörigen Fischereiangelegenheiten zuständig, auch in den am See liegenden Orten, die selbst zu einem anderen Gericht gehörten. Der Ort Seeshaupt lag im Landgericht Weilheim2), grenzte aber am Seeufer an das Starnberger Seegericht. Ob nun die Säule diese Grenze kennzeichnen sollte oder ob sie in einem rechtlichen Zusammenhang steht, ist nicht geklärt.

Die beiden Wappenschilde zeigen jeweils einen Fisch. Angeblich sollen beide Wappen auf den Bernrieder Propstes Johannes VII. Tutzinger deuten, in dessen Amtszeit (1520–1535) die Errichtung der Säule fällt und der angeblich einen Fisch im Wappen führte1). Das Dorfgericht von Seeshaupt lag seit 1464 beim Kloster Bernried, das ihm 1505 von Herzog Wolfgang bestätigt wurde3). Daraus könnte sich das Wappen des Bernrieder Propstes erklären. Möglich wäre jedoch auch, hinter den Fisch-Wappen beispielsweise die lokalen Fischer (Fischerzunft) zu vermuten, zumal das Propstwappen außer auf der Gerichtssäule offenbar nirgends anders belegt ist4).

Textkritischer Apparat

  1. Auflösung nach Graf, Chronik 49; C.G. Kdm; mögliche Auflösung für g wäre auch g(renze).
  2. 1533 Kdm.

Anmerkungen

  1. In beiden Wappenschilden dasselbe Wappenbild: ein Fisch. Da die Wappen ohne Tinkturen sind, könnte es sich auch um zwei unterschiedliche Wappen mit demselben Wappenbild handeln. Angeblich soll es sich um das Wappen des Bernrieder Propstes Johannes Tutzinger (1520–1535) handeln, vgl. hierzu Zimmermann, Klosterheraldik 54; zur These kurz DiB I,23 (Weilheim-Schongau) 450, auch Scherbaum, Augustinerchorherrenstift 404.
  2. Vgl. hierzu HAB Altbayern I, 3 (Starnberg) 3 und HAB Altbayern I, 4 (Weilheim) 7; Scherbaum, Bernried 160f.
  3. Scherbaum, Bernried 151; Graf, Chronik Seeshaupt 16; zu Herzog Wolfgang vgl. ADB 14 (1898) 72–74.
  4. Vgl. zu Fischerwappen Ber 58f.; Scherbaum, Augustinerchorherrenstift 404, legt dar, daß es sich bei der Seegerichtssäule offenbar um den einzigen „Beleg“ für das Fischwappen Propst Tutzingers handelt.

Nachweise

  1. Graf, Chronik Seeshaupt 49; Kdm OBB III (Weilheim) 726; DiB I,23 (Weilheim-Schongau) 450 (mit Abb.).

Zitierhinweis:
DI 84, Lkr. Weilheim-Schongau, Nr. 102 (Manfred Merk), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di084m015k0010203.