Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Landkreises Weilheim-Schongau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 84: Lkr. Weilheim-Schongau (2012)

Nr. 10 München, Bayerisches Nationalmuseum Ende 13. Jh.

Beschreibung

Fragmente eines Tympanonreliefs aus Steingaden1). Vermutlich seit der Säkularisation in der Friedhofsmauer. 1861 als Geschenk der Gemeinde Steingaden in das Bayerische Nationalmuseum gelangt (Inv. Nr. MA 118)2). In flachem Relief ein horizontal schwebender Engel mit Nimbus, der in seinen Händen ein geschwungenes Schriftband hält. Inschrift erhaben. In vier Bruchstücke zersprungen, Fehlstellen zwischen den Bruchkanten zum Teil mit Mörtel ausgefüllt.

Maße: H. 56 cm, B. 151 cm, Bu. 4,5 cm.

Schriftart(en): Frühe Gotische Majuskel.

© Bayerisches Nationalmuseum München [1/1]

  1. [I]ANVA · PULSANTIa) · PATETb) · HEC · VE[NIAMQVE]c) PRECANTIa) ·

Übersetzung:

Wer anklopft und um Vergebung bittet, dem steht dieses Tor offen.

Versmaß: Hexameter.

Kommentar

Die Zusammensetzung der Fragmente des Tympanonreliefs dürfte nicht dem ursprünglichen Zustand entsprechen, da der obere Rand des Reliefs keinen runden Bogen ergibt und für die restlichen Buchstaben von veniamque zu wenig Platz vorhanden ist. Die ursprüngliche Breite des Tympanonreliefs dürfte demnach größer gewesen sein.

Zur Schrift vgl. Einleitungskapitel XL.

veniamque precanti ist eine im Mittelalter häufig auftretende Form des Versschlußes, wonach die Fehlstelle in der Inschrift ergänzt werden kann3).

Grundlage des unvollständig überlieferten Textes der Tympanoninschrift kann sowohl das weitverbreitete lateinische Sprichwort „non cuilibet pulsanti patet ianua“ als auch – in einem Prämonstratenserstift wahrscheinlicher – ein Text aus den Soliloquia des Augustinus „Patet mihi pulsanti ianua tua“ sein4).

Textkritischer Apparat

  1. I mit Nodus versehen.
  2. Der Schaft des ersten T mit Nodus versehen.
  3. Linker Schaft des V mit Nodus versehen; fehlender Text möglicherweise ursprünglich gekürzt; Fehlstelle heute mit Mörtel ausgefüllt, ursprünglicher Raum jedoch breiter als im heutigen Zustand.

Anmerkungen

  1. Heute freie Nachbildung des Bildhauers Ernst Wirtl von 1964 im Türbogen über dem Eingang in der Vorhalle eingesetzt, vgl. Pörnbacher, Steingaden (Kirchenführer 2008) 10.
  2. Hager, Steingaden 173; Graf, Geschichte Steingaden 11.
  3. Für diesen Hinweis sei an dieser Stelle Herrn Dr. Uwe Dubielzig, München, herzlich gedankt.
  4. Vgl. Aurelius Augustinus, Soliloquia 1,5,4. (Augustinus, Selbstgespräche, hg. Fuchs, 154).

Nachweise

  1. Hager, Steingaden 173; Graf, Geschichte Steingaden 11.

Zitierhinweis:
DI 84, Lkr. Weilheim-Schongau, Nr. 10 (Manfred Merk), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di084m015k0001000.