Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Landkreises Weilheim-Schongau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 84: Lkr. Weilheim-Schongau (2012)

Nr. 9† Wessobrunn, Marienkapelle (abgegangen) 1. H. 13. Jh.

Beschreibung

Authentik auf einem bleiernen Täfelchen bei den Gebeinen des seligen Thiento1) und weiterer sechs Märtyrer, die während des Ungarneinfalles im Jahre 955 getötet worden waren.

Text nach Clm 1211.

  1. Hic iacent Septem corpora beatorum, qui tempore sancti Vdalrici ab hungarismartyrisati sunt.

Übersetzung:

Hier liegen sieben Leiber von Seligen, die zur Zeit des heiligen Ulrich von Ungarn gemartert wurden.

Kommentar

Ihre ursprünglichen Gräber lagen auf dem Kreuzberg nahe Wessobrunn, wo sie auch ihr Martyrium erlitten hatten. Später wurden ihre Gebeine in die Marienkapelle gebracht, welche die älteste Kirche des Klosters Wessobrunn war. Leutner nimmt an, daß diese Überführung zu Beginn des 13. Jahrhunderts geschah2), woraus sich auch auf das Alter des Bleitäfelchens schließen läßt. Im Jahre 1707 wurde diese Kapelle zusammen mit anderen Gebäuden des Klosters abgebrochen, um dem Neubau Platz zu machen.

Am 8. November begann man in Gegenwart des Abtes, des Priors und eines weiteren Konventsmitgliedes mit den Abbrucharbeiten. Hierbei wurden die Leichname und eine Bleiplatte mit obiger Inschrift gefunden sowie die Gebeine der Inklusin Diemut3).

Am 7. November 1709 wurden die Gebeine der Märtyrer in der Klosterkirche neben dem Altar auf der nördlichen Seite des Kirchenschiffs neu beigesetzt. Da diese Grabstätte jedoch wenig würdig war, wurden die Reliquien am 16. August 1712 in den Kapitelsaal gebracht und schließlich am 1. Juli 1713 im Neubau4), nun mit einem großen Schmuck versehen, wieder beigesetzt. Den Gebeinen und der alten Tafel war eine neue Tafel mit einer lateinischen Inschrift beigefügt5).

Anmerkungen

  1. Thiento war seit 942 bzw. 943 Abt von Wessobrunn, vgl. Andrian-Werburg, Wessobrunn 372f.
  2. Leutner, Historia 73.
  3. Vgl. Nr. 8 †.
  4. Andrian-Werburg, Wessobrunn 29 weist diese Inschrift der endgültigen Beisetzungsstelle des Jahres 1713 zu.
  5. Beatus Thiento huius loci Abbas nonus una cum sex monachis in Creizberg anno 955, in odium fidei occisus; deinde in Capellam B. V. translatus est et vero anno 1707. 5. Aprilis a Thassilone, Abbate quinquagesimo quinto, omnium horum corpora inventa, atque hic 1709. 7. Novembr(is) deposita sunt. (Der selige Thiento, der neunte Abt dieses Klosters ist mit sechs Mönchen auf dem Kreuzberg wegen seines Glaubens im Jahre 955 getötet worden. Später wurde er in die Kapelle der seligen Jungfrau übertragen. Am 5. April 1707 wurden von Tassilo, dem 55. Abt, die Gebeine all dieser gefunden und am 7. November 1709 hier beigesetzt). Vgl. Leutner, Historia 72–73.

Nachweise

  1. Clm 1211 fol. 248r; Leutner, Historia 71–73; Andrian-Werburg, Wessobrunn 29.

Zitierhinweis:
DI 84, Lkr. Weilheim-Schongau, Nr. 9† (Manfred Merk), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di084m015k0000904.