Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Landkreises Weilheim-Schongau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 84: Lkr. Weilheim-Schongau (2012)

Nr. 337 Weilheim, Friedhofskirche St. Salvator u. St. Sebastian (Betbergk.) um 1650

Beschreibung

Votivinschrift des Nikolaus Minsinger auf einem Tafelbild. Über dem Eingang zur Sakristei im Chor an der Nordseite. Ursprünglich in der ehem. Stiftskirche, der heutigen Pfarrkirche Hl. Kreuz, Polling, nach der Säkularisation am Haus an der Westseite des Pöltner Tores angebracht, 1876 in die Vorhalle der Friedhofskirche in Weilheim verbracht, seit dem Anfang der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts am heutigen Platz1). Öl auf Holz. Rechteckige Tafel, oben und unten halbrunde Anhänge. Die Votivtafel zeigt eine Ansicht der Pöltnerstraße und des Pöltner Tores in Weilheim bei der Erstürmung der Stadt durch die Schweden am 9. November 16462). Unterhalb der gemalten Darstellung des Ereignisses befindet sich in zwei Kolumnen eine Schilderung des Ereignisses3). Wie auf der Tafel angegeben, wurde es im Jahre 1886 renoviert4).

Maße: H. 133 cm, B. 78 cm, Bu. 1,2 cm.

Schriftart(en): Fraktur.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/1]

  1. Als man zöllt söchshundert Jahrdarzu vnd sibenvierczig Wahrnamb der feind Statt Weilhaimb ein,mit gestürmbter hand sy fiellen ein.Niemandt for Ihne(n) sicher Wahrden sy antraffen, wahr in gefahr.Ein leinwöber sy bekhambenNiclas Minsinger haist mit namendas gelt man Ihm nimbt in dem laidfürcht sich des lebens, sambt den khaida)Soll gelt Zeigen oder sterbenEhr wais Kheins mainend mues verderbenb)[E]in Schwed ein Pistoll auf Ihn sötzt,Schiesst an schlaff, doch Ihn nit verlötztdie Khugl weicht, vnd macht ein lochIm hemet, dis ist Zuuerwunderen hochdas bluet flüsset auf die erdtgleich er verlötzt mit einem schwerdt,[E]in Wunder ist dis, Mörckh es woldas H(eilig) Creutz man ehren soll. das ehr mit leben daruon KhumenGott vnd dem H(eilig)c) + danckht drumbendas glibt hat er gleich vollgebracht In dem ehr die guet that wolbetrachtEind) Möß Verlobt die Ehr Verricht,Durch daß H(eilig) Creitz Vill Wunder geschicht

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Kommentar

Der Weilheimer Bürger und Leineweber Nikolaus Minsinger verlobte sich bei der Eroberung der Stadt durch schwedische und französische Truppen am 9. November 1646 zum Hl. Kreuz nach Polling mit einer Heiligen Messe. Er fiel anschließend drei Soldaten in die Hände. Sie entkleideten ihn bis auf das Hemd, bedrohten ihn mit einer an der Schläfe angesetzten Pistole, um die besten Plünderungsorte zu erfahren. Als er nicht antwortete, wurde die Pistole abgeschossen. Minsinger trug nur ein wohl heftig blutendes, kleines Grüblein am Schädel und ein Loch im Hemd davon, fiel dann ohnmächtig nieder und konnte sein Leben retten. Das genaue Entstehungsdatum der Votivtafel kann nicht als sicher gelten. Schon die Tafel selbst nennt für die Weilheimer Ereignisse das falsche Jahr 1647. Minsinger legte sein Wallfahrtszeugnis in Polling am 4. Juli 1653 ab5). Für Minsinger ist als Todesdatum das Jahr 1655 überliefert 6). Das Pollinger Wallfahrtszeugnis berichtet hingegen, das Grüblein am Kopf sei noch 1660 sichtbar gewesen.

Textkritischer Apparat

  1. Sic! wohl für kleid, so nach dem Wallfahrtszeugnis.
  2. Wechsel zur zweiten Spalte.
  3. Sic! Ein Kreuz für Creutz.
  4. Ab hier zentriert unter den beiden Spalten und in etwas größerer Schrift.

Anmerkungen

  1. Schmid, Unbekanntes aus Kirchenschatz 40.
  2. Schmidtner, Überblick Weilheim 106; Heberlein, Weilheimer Friedhofskirche 75; Schmid, Unbekanntes aus Kirchenschatz 40.
  3. Schmidtner gibt an, daß die Verse etwa aus dem Jahre 1660 stammen, dies erscheint jedoch unwahrscheinlich, da Niklas Minsinger, der Auftraggeber der Tafel, bereits 1655 starb. 1870 gibt Schmidtner, Pfarrkirche St. Hippolytus, an, daß die Tafel 1653 gemalt wurde. Diese Angaben beziehen sich beide vermutlich auf Minsingers Wallfahrtszeugnis. In diesem Bericht werden beide Jahreszahlen 1653 für das Wallfahrtszeugnis und 1660 für das weiterbestehen des Grübleins an Minsingers Kopf genannt. Vgl. Kurzer Bericht 100–102.
  4. Renovierungsvermerk am unteren Rand der Tafel: Renoviert 1886.
  5. Vgl. Kurzer Bericht 100–102.
  6. Heberlein, Weilheimer Friedhofskirche 75.

Nachweise

  1. Schmidtner, Überblick Weilheim 105–106; Schmid, Unbekanntes aus Kirchenschatz 40–41 (mit Abb.); DiB I,23 (Weilheim-Schongau) 584 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 84, Lkr. Weilheim-Schongau, Nr. 337 (Manfred Merk), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di084m015k0033706.