Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Landkreises Weilheim-Schongau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 84: Lkr. Weilheim-Schongau (2012)

Nr. 208 Peiting, Wallfahrtskirche Maria Egg 16. Jh.

Beschreibung

Sog. Jakobsbrüdertafel. Unter der Empore, um 1900 laut Weber auf der Empore. Fast quadratische Tafel, gemalt. In 16 Szenen wird das sog. Galgen- bzw. Hühnerwunder dargestellt. In ornamental bemaltem Plattenrahmen Bilder in vier Zeilen zu je vier Bildern angeordnet. Unter jeder Szene befindet sich auf einem gemalten Schriftband in blauem Feld eine Erläuterung des darüber dargestellten Ereignisses in einem Gedicht mit 16 Strophen zu je vier Versen (I-XVI). Laut Weber das erste Mal bereits 1628, laut Angabe auf der Tafel 1850 renoviert.

Maße: H. 158 cm, B. 147 cm, Bu. 0,5–0,7 cm.

Schriftart(en): Fraktur.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/3]

I. Pilger nehmen Abschied von der Mutter.

  1. Ein Vatter hät im für genomen wie er Khundt zu Sanckt Jakob Khomen Mit seinem Sohn ins fehre Landt efehlchens Gott gleich Beede sandt ·

II. Pilger kommen zum Wirtshaus.

  1. Sie khom(m)en so gar weit hinein ein Wirth der hieß will khom(m)en sein. in der Stadt Minikus1) genan(n)t Empfangs auch beede beij der hand.

III. Pilger nehmen das Essen ein.

  1. Die Brüder thäten sich er freuen Ihr Essen thät Gott benedeijen Der Wirth spricht ihnen zuea) im Scherz Aber zu betten habet ihr ein Herz.

IV. Wirt mit Frau, Tochter und Goldbecher.

  1. So bald die Brüder gehenb) zu schlaffen Der Wirt thätc) seiner Tochter schaffen bring mir an Becher her vom Goldt die Frau sprach nein das nicht thund) solt.

V. Wirt versteckt den Becher im Bündel der schlafenden Pilger.

  1. Dan Gott mecht uns noch noche) Weiter straffenf) Danoch ging er wae) sie thuen schllaffene) steckt ein das Gschir haimlich vnd still, in sackh Deß Vatters sagt nit viel.

VI. Die Pilger werden gefaßt.

  1. Zue Morgen vor der Statt hin Dan Greift sie Der Würth Baldt wider An. Mein Becher habt ihr gschoben ein, sij schricken vast das kan nit sein.

VII. Die Pilger vor dem Richter.

  1. Gefangen bracht man Sie vor das Gericht Ist gwißlich wahr und kein Gedicht Der Sohn beimf) Richter thete werben Daß er khunt für seinen Vater sterben ·

VIII. Der Sohn am Galgen.

  1. Der Richter sonst a recht Weiser man(n) Psind sich nit lang vnd ließ den sohn Auf henckhen wolt darumd) nit greinen Der Vatter ging traurig und weinen.

IX. Der Vater beim Bild des Hl. Jakob.

  1. Gar zue Sanct Jacob klagt sein Noth Daß Bildt gab ihm Andtwort durch Gott Dein Sohn lebt vnd khan nit er sterben Durch Vnrecht soll er nit ver Derbene).

X. Der Vater beim Weggehen von der Kirche.

  1. Der Vater war vor freiden so Reich Danket Gott und sanct Jakob zu gleich Eilet schnell Dem Galgen zue Hat derweil tag vnd nacht Khein Rue.

XI. Der Vater findet den Sohn lebend am Galgen.

  1. So baldt der Vatter Khombt Herbey Fragt den sohn ob er lebent sey, Mit Andtwort thedt er ihme sagen Vatter geh zur Obrigkeit thu unsre Unschuld / klageng).

XII. Der Vater vor dem Richter.

  1. Der Vater wolt sich saumen nit sprach zu den Richter ich euch bitt thut mir mein Sohn bald geben den ich hab ihm gsehen und gfunden am Leben.

XIII. Vater und Soldat mit auffliegenden Tauben.

  1. Der Wirth wolt diesem gar nit glauben Het auf den Disch zwo bratne Dauben So wenig thuet dein Sohn noch löben Als eine da von Disch thuet ströben ·

XIV. Vater reicht dem Sohn am Galgen die Hand.

  1. Sobald der Wirth diß wort aussprach Die Dauben aus der Schüßel flach ein forcht thät sich erheben Man thut den Sohn dem Vater geben.

XV. Vater und Sohn auf dem Heimweg.

  1. Mit Freuden gingen sie dan wieder haim Den Unrecht Muß allzeit gestrafet sein Am Wirth war es auch so zu hoffen Weil er den Weg des Unrechts ist gelloffen.

XVI. Der Wirt am Galgen.

  1. Het er gefolgt der Frauen sein und Brüder lassen gangen Wer erh) verbliben braver Wirt jetzti) dürft er da nicht hangen Der Geitz hat ihn genomen einj) Drum soll diß hier ein Warnung sein.

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Kommentar

Die Tafel, die in Anlehnung an die Legende von Santo Domingo de la Calzada (Spanien)2) das Schicksal eines unschuldig Verurteilten auf dem Pilgerweg nach Santiago de Compostela schildert, gleicht im Aufbau einer ähnlichen Tafel aus Wildsteig, heute im Stadtmuseum Schongau3). Während letztere aufgrund der Tracht in das frühe 17. Jahrhundert eingeordnet werden kann, wird die Tafel von Peiting in das 16. Jahrhunderts eingeordnet4). Eine Verbindung der beiden Tafeln zu einem Jakobspilgerweg nach Santiago de Compostela kann nicht mit Sicherheit hergestellt werden. Weber weist darauf hin, daß der Text der Peitinger Tafel aufgrund der Dialektformen in Peiting oder seiner Umgebung entstanden sein muß5).

Textkritischer Apparat

  1. Ohne Abstand zwischen ihnen und zue, über u diakritisches Zeichen.
  2. Ohne Abstand zwischen Brüder und gehen.
  3. Ohne Abstand zwischen Wirt und thät.
  4. Über u diakritisches Zeichen.
  5. Sic!
  6. Ohne Abstand.
  7. Unterhalb der vierten Zeile, am rechten Rand.
  8. Ohne Abstand zwischen Wer und er.
  9. Ohne Abstand zwischen Wirt und jetzt.
  10. Es folgt Renovierungsvermerk Renoviert An(n)o 1850.

Anmerkungen

  1. Sepp, Altbayerischer Sagenschatzgibt dazu an Minace, Mänace bei Avienus in Bätika. Er identifiziert den Ort also mit einem bei Postumius Rufius Avienus genannten Ort. Vgl. dazu in dessen Ora Maritima 427–431. Der Ort kann nicht identifiziert werden vgl. dazu Stichtenoth, Rufius 65.
  2. Vgl. LCI 7, 23ff.
  3. Vgl. Nr. 216 .
  4. DiB I,23 (Weilheim-Schongau) 244f.
  5. Weber, Bildliche Darstellungen 235f. Sepp, Altbayerischer Sagenschatz will auf der übermalten Tafel von 1850 im letzten Spruchband die Jahreszahl 1736 gelesen haben.

Nachweise

  1. Sepp, Altbayerischer Sagenschatz 652–655; Weber, Bildliche Darstellungen 231–236 (mit Abb.); Jakobsbrüdersage 27 (Abb.), 29f.; Gribl, Legende 47; DiB I,23 (Weilheim-Schongau) 244f. (mit Abb.).

Zitierhinweis:
DI 84, Lkr. Weilheim-Schongau, Nr. 208 (Manfred Merk), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di084m015k0020800.