Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Landkreises Weilheim-Schongau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 84: Lkr. Weilheim-Schongau (2012)

Nr. 198 Schongau, Stadtpfarrkirche Mariae Himmelfahrt 1595?

Beschreibung

Deckplatte (?) vom Grabdenkmal des Christoph Jakob Lidel. Innen, Nordseite, westliche Seitenkapelle, Westwand. Ursprünglich in der Annakirche als Deckplatte eines Hochgrabes. 1719/20 Gebeine in die Michaelskapelle überführt. 1806 Grabmal renoviert. 1812 an die Außenwand der Stadtpfarrkirche überführt, von dort an seinen heutigen Platz1). Kalkstein. Hochrechteckige Platte. Beinahe vollplastische Gestalt des Verstorbenen, barhäuptig, im Harnisch, das Schwert an der Seite. Helm und Handschuhe fehlen. Links unten, neben der Figur Allianzwappen. Umschrift auf abgeschrägtem Rand. Mehrfach renoviert und dabei verändert. Sowohl in Hüfthöhe2) als auch am unteren Rand3) befinden sich Renovierungsvermerke.

Maße: H. 214 cm, B. 104 cm, Bu. 4,4 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/4]

  1. AN(N)Oa) D(OMI)NI 1595 DIE 10 ME(N)SIS SEPTE(M)B(RIS) OBIIT NOBILIS ET STRENV(VS) VIR CHRISTOPHOR(VS) IACOBVSb) / LIDEL IN MAY(EN)BVRCc) SERENISS(IMI) QVO(N)DA(M)d) PRINCIPISe) / FERDINA(N)D(I) ARCHIDVC(IS) AVSTR(IAE)b) CO(N)SILIARI(VS)f) NECNO(N) SVPERIORg) AC I(N)FERIORISh) SVEVIAEi) P(RAE)SES ET AVSTRIAE / [---v---LM---MVNEMOES---E---] j)

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1595 am 10. September starb der edle und gestrenge Mann Christoph Jakob Lidel von Mayenburg. Einstmals des durchlauchtigsten Fürsten Ferdinand, Erzherzogs von Österreich, Rat, nicht nur in den oberschwäbischen und niederschwäbischen (Besitzungen) Österreichs ….

Wappen:
Lidel4).

Kommentar

Das Denkmal wirft einige Fragen zum Originalzustand auf. So steht die bis in die Details ausgearbeitete Figur des Verstorbenen in drastischem Gegensatz zu der äußerst nüchtern gehaltenen Platte, deren Oberfläche grob bearbeitet ist. Bei einem Grabmal mit figuraler Darstellung in dieser Zeit würde man einen entsprechend ausgearbeiteten Rahmen erwarten5). Die Steinplatte hier wirkt hingegen beinahe „steril“. Der Adlige in Harnisch läßt Helm und Handschuhe vermissen. Sein Schwert ist direkt in die Platte eingearbeitet. Die Figur selbst ist ein eigenständiges Stück, das auf der Platte befestigt ist (Eisenstifte an der Unterseite der Stiefel). Die äußerst schlicht gehaltene Plinthe ist ebenfalls ein eigenes Stück. Besonders fällt das Wappen auf: Das Vollwappen mit zwei Helmen befindet sich nicht direkt auf der „Grabplatte“, sondern auf einer eigenen Tafel, die gleichsam dem Wappen entlang grob „ausgeschnitten“ und auf der Grabplatte angebracht wurde. Auf dieser Tafel wurde sogar die heraldisch links fehlende Helmzier in Ritzzeichnung ergänzt. Diese Beobachtungen legen die Vermutung nahe, daß bei einer Renovierung, möglicherweise bereits bei der Umsetzung des Grabmals 1719/1720, vom Originaldenkmal nur die Figur des Verstorbenen und das Wappen auf einer neuen(?) Platte angebracht wurden, um so museal präsentiert werden zu können.

In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach der Originalität der Grabinschrift. Kapitalis findet sich die gesamte Neuzeit hindurch. Der lebendige Charakter der Schrift spricht nicht dafür, sie erst ins 19. Jahrhundert zu datieren. Allerdings wäre eine solche Ausprägung der Kapitalis – neben der Zeit um 1595 – auch im 18. Jahrhundert – beispielsweise in der Zeit der Abtragung der Annakirche – denkbar. Möglich wäre, daß bei der Transferierung der Gebeine des Verstorbenen dessen Grabmal in reduzierter Form (Inschrift, Figur und Wappen auf einer einfachen Platte) dort wieder angebracht wurde6). Zur Schrift vgl. auch Einleitungskapitel XLIX.

Die Familie Christoph Jakob Lidels stammte aus Schongau. Christoph Jakob trat in die Dienste Erzherzogs Ferdinand II. von Österreich, Grafen von Tirol (1529–1595). 1592 wurde er von ihm mit Gericht und Schloß Mayenburg auf Tissens belehnt7). Christoph Jakob Lidel machte zusammen mit seinem Bruder Jakob Lidel, der Stadt- und Landrichter war, reiche Stiftungen an die Annakirche, die wohl von Jakob gestiftet wurde. Dort befand sich bis zum Abbruch der Kirche 1719/1720 beim Bau des Karmelitenklosters das Grabmal Christoph Jakob Lidels8).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. VS-Verschränkung.
  3. Durch senkrechten Schaft geschlossenes C, mutmaßlich verdorbenes G, bei dem beim mit Farbe Nachziehen der Schrift die Cauda zu einem Schaft verlängert wurde.
  4. o verkleinert, in halber Größe.
  5. Zweites I in C eingestellt, is am Ende verkleinert, in halber Größe.
  6. O in C eingestellt, die ersten beiden I verkleinert.
  7. E verkleinert.
  8. Die zweiten beiden I verkleinert.
  9. Erstes E und I verkleinert.
  10. Obere Schmalseite unzugänglich, nach Schmidbauer/Blaschke, Epitaphien 99.

Anmerkungen

  1. Hofmann, Kirchen und Kapellen 55; Hofmann, Geschichte Schongau 58; Schmidbauer/Blaschke, Epitaphien 101.
  2. RENOVIRT // a(nn)o 1806.
  3. RENOVIRT // a(nn)o 1911.
  4. Am 1. Februar 1585 erhielten die Brüder Christoph Jakob, Feld- und Hauszeugmeister, und Hans Urban Lidel von Kaiser Rudolf II. zu Prag einen Wappenbrief verbunden mit der Adelsfreiheit und einer Wappenbesserung vgl. Pfeifer, Wappen Nr. 34 ; vgl. auch Fischnaler, Wappenschlüssel II, 1–2, 80.
  5. Vgl. beispielsweise das Epitaph für Johann Philipp Schertlin von Burtenbach (gest. 1568) in Burtenbach, Lkr. Günzburg/Schw. (DI 44 (Günzburg) Nr. 81, Abb. 37) oder das Epitaph für den Grafen Hans Bernhard von Eberstein (gest. 1574) in Gernsbach, Lkr. Baden-Baden/Baden-Württemberg (DI 78 (Baden-Baden) Nr. 345, Abb. 217), evtl. auch die Grabplatte des Karl von Degenfeld (gest. 1575) in Eybach, Lkr. Göppingen/Baden-Württemberg (DI 41 (Göppingen) Nr. 294, Abb. 122); als Beispiel für ein Hochgrab vgl. das für Joachim von Ortenburg in Ortenburg (gest. 1600) (Kdm NB 14 (Vilshofen) 235f., Fig. 176 und 177).
  6. Ein Beispiel, bei dem die figurale Auflage eines älteren, zerstörten Denkmals zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf einer nicht originalen Platte angebracht und so neu präsentiert wurde findet sich in Baden-Baden: das Epitaph der Markgräfin Ottilie von Baden (DI 78 (Baden-Baden) Nr. 191, Abb. 158–161). Beispiele für Überarbeitungen von älteren Grabmälern im 18. Jahrhundert finden sich auch im Bestand der Stadt Freising, vgl. z.B. DI 69 (Stadt Freising) Nr. 22, Abb. 2 oder Nr. 17(†), Abb. 24.
  7. Mayenburg, heute Schloß in der Fraktion Völlan, Gde. Lana, Südtirol/I. Vgl. Hohenbühel, Tiroler Adel 103; vgl. auch Schmidbauer/Blaschke, Epitaphien 101; Hofmann, Kirchen und Kapellen 55.
  8. Hofmann, Geschichte Schongau 58.

Nachweise

  1. Kdm OBB II (Schongau) 596; Schmidbauer/Blaschke, Epitaphien 99–101; DiB I,23 (Weilheim-Schongau) 416 (mit Abb.).

Zitierhinweis:
DI 84, Lkr. Weilheim-Schongau, Nr. 198 (Manfred Merk), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di084m015k0019800.